Ich saß neben ihr an ihrem Bett und laß ihr Hamlet vor. Ihr Lieblingsstück. Jedes Wochenende bat sie mich darum ihr eins von Shekspears Werken vorzulesen. Sie liebte sie und manche Teile könnte sie teilweise auswendig. Während ich ihr vorlas, lag ihre Hand auf meinem Oberschenkel und auf ihren Lippen war ein deutliches Lächeln zu erkennen.
Nach etwa fünf Minuten schloss ich das Buch und legte es weg. Hamlet war zu Ende.
,,Ich finde immer noch Hamlets letzte Worte faszinierend. Man kann sie so unterschiedlich deuten" sagte ich nach langem überlegen. Hamlet hatte ich schon mehrmals lesen müssen, weswegen ich die Geschichte ziemlich gut kannte.
Meine Oma nickte und sah mich an. In ihren Augen war ein leuchten zu sehen, wie immer wenn ich ihr Hamlet vorlas.
,,Man muss dieses Stück mehrmals lesen um es richtig zu verstehen. Wenn du älter wirst, wirst du es auch merken. Aber es freut mich, dass dich Hamlet so interessiert. Ich hab das Gefühl, heutzutage würde man solche Sachen nicht mehr freiwillig lesen. Vor alldem in deinem Alter" sagte sie, lächelte mich weiterhin freundlich an.
Ich nickte nachdenkend.
,,Omi, wie fühlst du dich?" fragte ich sie und sah sie an. Sie schaute nachdenklich kurz weg, doch kaum war ein Moment vergangen sah sie mir wieder in die Augen.
,,Ganz gut. Ich bin nur müde. Ich glaub ich werde jetzt erst mal schlafen" sagte sie entschlossen und lächelte mich herzlich an.
Wie ich dieses ehrliche Lächeln liebte. Egal wie schlecht ich mich fühlte, verschwand jegliches traurige Gefühl wenn ich bei ihr war. Sie war meine Inspiration, meine Omi, die mir liebste Person auf Erden.
,,Okay, dann schlaf gut. Ich geh dann mal nach Hause. Hab noch Hausaufgaben. Ich komme vielleicht am Mittwoch wieder, also in vier Tagen. Und wenn nicht dann sehen wir uns sowieso am Samstag" flüsterte ich nochmal ihr zu, bevor ich einen leichten Kuss auf ihre Stirn platzierte. Dann drückte ich nochmal ihre Hand, die ich anschließend unter ihre Decke legte, und deckte sie zu.
,,Tschüss Liebling. Lass die Kinder auf deiner Schule dich nicht unterkriegen. Du bist so viel besser als sie alle zusammen. Das Leben ist nicht immer leicht, aber Erfahrungen machen uns zu den Menschen der wir letztendlich sind " sagte sie nochmal leise als ich grad an der Tür ankam. Ich musste noch mehr Lächeln.
,,Danke. Tschüssi" ich verließ den Raum und machte mich auf dem Weg nach Hause.
Sie ist leider verstorben.----------
Ich wachte auf.
Meine Sicht war verschwommen, durch die Tränen in meinen Augen. Mit dem Handrücken wischte ich sie weg und sah auf mein Handy, um nach der Uhrzeit zu sehen. 6:28 Uhr. In zwei Minuten klingelte mein Wecker. Ich schaltete ihn aus, stand langsam auf und ging in das Bad. Das Licht, das ich dort anmachte blendete meine Augen die ich zukneifen musste. Als ich wieder normal sehen konnte ging ich zum Waschbecken und putzte mir die Zähne und machte mich allgemein fertig. Ich machte mir nicht einmal die Mühe Make Up aufzutragen. Meine dunklen Augenringe waren doch eh nicht zum übersehen.
Als ich das Bad grade verlassen wollte kam mir grad Clara entgegen. Sie sah auf jeden Fall viel besser aus als ich. Im Gegensatz zu mir kam sie mit Omas Tod irgendwie schneller klar als ich. Nicht das sie nicht trauern würde, aber sie konnte den Kapitel mit der Trauer schneller abschließen.
,,Essen wir zusammen Frühstück? Mama schläft noch, da sie Spät Schicht hatte, also... ja" fragte mich meine kleine Schwester. Kurz sah ich nachdenklich zu Boden. Ich hatte seid zwei Wochen nicht wirklich normal gegessen, Hunger hatte ich also nicht. Aber anderseits wollt euch nicht meine Schwester allein essen lassen.
,,Ja ok. Ich mach dann mal ein paar Toasts" sagte ich schließlich und ging Richtung Küche, wo ich das Essen vorbereitete.
Nach etwa zehn Minuten kam Clara aus dem Bad, und wir setzten uns an den kleinen Küchentisch. Clara legte ich zwei Toasts auf den Teller in packte auch einen in ihre Brotbox für später in der Schule.
,,Heute zum ersten Mal zur Schule seid zwei Wochen, oder?" sah sie mich fragend an.
Ich nickte.
,,Du solltest mal etwas essen. Sonst kippst du ja noch um. Ah, und eine das Entschuldigungsschreiben für die Schule liegt auf deinem Bett. Hab ich dir am Freitag besorgt" erklärte sie mir. Clara hatte sich nämlich mit unserem Nachbarn angefreundet, der 27 Jahre alt und seid kurzem ein Kinderarzt ist. Er hatte uns vor einer Woche kurz besucht, um hauptsächlich nach mir zu sehen. Er hatte dann auch wahrscheinlich mir das schreiben ausgestellt.
,,Okay, naja ich muss dann mal los. Und du isst schön etwas. Okay?" sagte sie noch kurz bevor sie die Küche verlassen hatte und sich in ihr Zimmer begab.
Ich stand auch auf und zog mich in meinem Zimmer um. Während ich grad ein Shirt anzog hörte ich die Tür ins Schloss fallen.
Und plötzlich fühlte ich mich wieder so allein. Mein Zimmer schien noch einzuengen, der alte Geruch von Zigaretten war erstickend und die Lampe leuchtete kränklich.
Sie ist verstorben.
Ich glaube ich werde über diese Tatsache nie hinwegkommen.Ich schüttelte diese Gedanken weg und machte mich für die Schule fertig.
Das Leben ist nicht immer leicht, aber Erfahrungen machen uns zu den Menschen der wir letztendlich sind.
***********
Sorry, dass diese Woche die Kapitel so unregelmäßig kamen, aber ich hatte viel um die Ohren.
Hoffe euch hat das Kapitel gefallen.
Bis nächstes mal.
(^-^)
Antxnina
![](https://img.wattpad.com/cover/95901553-288-k907275.jpg)
DU LIEST GERADE
Broken Faces
Teen FictionKennst du das Gefühl, wenn deine Welt sich zu Teilen scheint? Wie genau durch die Mitte eine Grenze gezogen wird, und du dann zwischen den beiden Welten rumwanderst, nur um die andere nicht zu verlieren? Tabea ist in der Zwischenwelt. Zwischen Verga...