42. Kapitel

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Marcos P.O.V:

Ich schaute ihr hinterher, so wie ich es die letzten Male auch immer gemacht habe. Wir beide waren gereizt, überfordert und agressiv. Dann musste nur ein Windstoß kommen und der nächste Streit stand vor der Tür. Dann schrien wir uns an, sie fing an zu heulen, einer von uns verließ den Raum, wir sprachen mehrere Stunden nicht miteinander, rauften uns dann zusammen. Trotzdem gab es seit Wochen keinen Kuss, keinen Sex, kein Kuscheln. Diese Kälte zwischen uns glich der Arktis. Ich wollte daran was ändern, aber ich konnte einfach nicht. Sie nervte mich, auch wenn sie es nicht wollte. Ich merkte, wie sehr sie sich bemühte, ruhig zu bleiben. Sie wollte keinen Streit, sie provozierte mich nicht. Meistens war sie einfach still und ließ meine Motzerein über sich ergehen, weil sie keine Kraft und Energie mehr hatte und genau dafür hasste ich mich. Ich hasste mich dafür, dass ich all meinen Frust an ihr ausließ. An der Person, die ich doch eigentlich über alles liebte. An der Person, die meine Kinder austrug, an der Person, für die ich alles tun wollte. Die ich eigentlich so doll liebte, dass es mir teilweise weh tat.

Doch trotz alledem schaffte ich es problemlos, meinen Frust an ihr auszulassen. Sie zu verletzen, dass sie heulte und sich unwohl fühlte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, ja. Aber ich konnte meinen Frust nicht stoppen. Wieso ich gefrustet war? Na, weil unsere Liebe nicht mehr die war, die sie mal war. Weil nichts mehr so war, wie vor einigen Wochen. Das ist nur eine Phase, die geht vorüber, hatte Marcel mir gesagt. Auch Ben meinte zu mir, dass ich nicht so hart zu ihr sein darf, aber ich kam mit der Situation nicht zurecht und ab und zu zweifelte ich daran, ob es richtig gewesen war, mich auf eine Schwangerschaft einzulassen. Sie war noch so jung und das merkte ich vor allem jetzt. Sie war frustriert, weil sie nicht mehr studieren konnte. Frustriert, weil sie nicht auf alberne Studentenpartys gehen konnte, weil sie keinen Alkohol trinken durfte. Sie war über die ganze Situation frustriert. Das war auch mehr als verständlich, aber genau deswegen fühlte ich mich schlecht. Weil ich ihr diese Phase genommen hatte. Ich gab mir die Schuld für ihr Leiden und weil ich mich selbst so sehr hasste und diesen Hass nicht an mir auslassen konnte, ließ ich ihn an ihr aus, was dazu führte, dass es ihr noch schlechter ging.

Eigentlich hatte ich nie an unserer Beziehung gezweifelt, aber gerade jetzt ertappte ich mich öfters dabei, dass ich diese Beziehung hinterfragte. Wir waren an ganz anderen Lebenspunkten angekommen. Ich stand mitten im Leben, hatte eine super Karriere hinter mir und noch mindestens 6 Jahre, in denen ich meine Profikarriere ausleben konnte. Klar, in den nächsten 6 Jahren wollte ich eine Familie. Ich wollte heiraten und Kinder. Aber Felicia war 20. Sie war gerade mal ausgezogen, studierte gerade mal ein Jahr und war jetzt schwanger. Sie wollte auch heiraten, auch Kinder, aber viel später. Sie war noch nicht soweit wie ich. Ich konnte ihr nichts vorwerfen, sie konnte ja nichts dafür. Es musste sich also was ändern und zwar schleunigst. Ich atmete tief ein und aus und öffnete die Küchentür. Mit schnellen Schritten lief ich ins Wohnzimmer, aber Felicia war nirgends zu sehen.

Ich rannte die Treppen zum Schlafzimmer hoch, wo ich sie fand. Sie saß auf dem kleinen Balkon unseres Schlafzimmers und starrte in den klaren Himmel. Ich öffnete die Tür zum Balkon, sie drehte sich erschrocken um und ihre Augen weiteten sich. Ihre Augen waren verqwollen, ihre Schminke verschmiert. Es tat mir weh, sie mal wieder zu sehen. Wegen mir. Es war meine Schuld.

"Darf ich mich setzen"?, fragte ich sie und zeigte mit meiner Hand auf den freien Stuhl neben ihrem. Sie nickte leicht und schaute dann wieder auf den See, auf den man von unserem Balkon schauen konnte. Einige Minuten saßen wir schweigend nebeneinander, bis ich meinen ganzen Mut zusammennahm und das erste Wort ergriff:

"Es muss sich was ändern".
Sie nickte nur, ohne mich anzuschauen. Wahrscheinlich konnte sie mich gar nicht anschauen, weil sie viel zu verletzt war.
"Vielleicht brauchen wir mal Abstand", murmelte sie dann.
"Du meintest doch selbst, dass ich nie da bin", flüsterte ich.
"Ja, weil du nicht da sein willst, Marco. Du willst nicht bei mir sein und das ist das, was mich so verletzt. Ich will, dass du wieder bei mir sein willst. Dass du mich vermisst und mich schätzt. Mich nicht immer gleich ankeifst, all deinen Frust und deine Wut an mir auslässt. Ich kann auch nichts dafür, dass ich schwanger geworden bin oder dass ich zu jung für dich bin oder was weiß ich. Ich habe es mir auch nicht ausgesucht und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man über Kinder in 5 Jahren sprechen können. Aber es ist jetzt nun mal so"
Ihre Stimme war brüchig und ich merkte, wie schwer es ihr fiel, diese Sätze zu sagen.
 

Ich konnte darauf kurze Zeit nichts sagen. Sie hatte Recht, mit dem was sie sagte, was mir schon wieder zeigte, wie reif sie war. Sie war doch so reif für ihr Alter und so erwachsen.

"Du weißt, dass ich dich liebe, Feli. Du weißt es und ich weiß es auch. Genauso liebst du mich"
"Und wieso bist du dann so kalt, so emotionslos? Wieso habe ich das Gefühl, dass deine Liebe nicht mehr so stark ist wie meine? Was habe ich getan, dass du mich so verabscheust und meidest"?

Schon wieder fing sie an zu heulen, was mir das Herz aus der Brust riß. Erst jetzt realisierte ich, wie hart ich zu ihr war. Wie sehr sie leidet. Wie sehr ich sie durch meine Emotionen zerstöre.

"Ich habe das Gefühl, dass ich dein Leben zerstört habe und dieses Gefühl frisst mich auf. Ich habe dir wichtige Erfahrungen genommen, die du irgendwann nachholen möchtest. Während deine Freunde auf Partys gehen und sich betrinken, sitzt du zuhause und hütest Kinder. Während deine Freunde studieren, sitzt du hier rum und musst darauf hoffen, dass ich nach Hause komme"

"Aber du schätzt gar nicht, was ich stattdessen habe..ich habe dich und zwei wundervolle, hoffentlich gesunde Kinder. Das ist das, was ich momentan will. Ich will dich in meinem Leben, solange du es mit mir aushälst" Ihre Stimme war leise und sie schaute auf den Boden, während sie das sagte.

Eine Träne bildete sich in meinem Auge, weil mich die ganze Situation so fertig machte. Ich hatte sie einfach nicht verdient. Ich war so gehässig, so gemein und trotzdem legte sie mir ihr Herz in meine Hände. Trotzdem gab sie nicht auf.

Ich nahm all meinen Mut zusammen, stellte mich hin, kniete mich vor ihr nieder, lächelte sie leicht an und nahm sie in den Arm.


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Ich musste fast selbst weinen, als ich das geschrieben habe...kann dazu gar nicht viel sagen...aber ich dachte, ich bringe noch ein zweites Kapitel heute raus.. wie denkt ihr, geht es weiter? Kriegen die beiden das wieder in den Griff oder wird alles kaputt gehen? Schreibt mir eure Vorschläge und Ideen gerne in die Kommentarbox :)!!

Meine Nummer 11 (Fortsetzung von Die Nummer 11)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt