Kapitel 10

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Sonnenherz wich erstaunt zurück. Dann trat sie vorsichtig wieder nach vorne. Die Donnerclan Lichtung war fast komplett leer. Nur Schattenschwinge saß am Eingang und bewachte das Lager. Sonnenherz schaute von oben auf die Lichtung, allerdings erkannte sie an der dunklen Umgebung und der Stille, dass es Nacht war. Sonnenherz erinnerte sich daran, dass Flammenstern gesagt hatte, dass es im Sternenclan immer Tag sei. Aber wie viel Zeit war bei den Lebenden vergangen? Es musste schon mindestens die nächste Nacht sein, da keine Katzen mehr die Todeswache für sie hielten. Das Gefühl war sehr seltsam. Allein der Gedanke, dass die Katzen eine Nacht um ihren Körper gesessen und sie es nicht einmal gewusst hatte, machte ihr eine Gänsehaut. Eine Weile schaute sie nur auf die Lichtung. Dann drehte sie sich zu Silberstern um. „Wie viel Zeit ist vergangen, seit ich hier bin?" fragte sie. „Zwei Mondhochs sind nun vergangen. Aber die Katzen trauern immer noch um dich. Ich habe sie beobachtet. Vor allem deine Brüder haben sich bis jetzt geweigert, ihren Pflichten nachzugehen. Sie finden es unehrenhaft, nun die Pflichten zu machen, wo du eigentlich bei ihnen sein müsstest. Der ganze Clan ist wie betäubt, sie können es immer noch nicht fassen, wie so etwas passieren konnte." antwortete Silberstern. Sonnenherz drehte sich wieder zum Wasser hin. „Wie kann ich meine Brüder sehen?", fragte sie. „Stell dir nur vor, du würdest zu ihnen in den Bau gehen." Sonnenherz stellte sich vor, wie sie in den Schülerbau schlüpfte. Kurz darauf veränderte sich die Wasseroberfläche und sie schaut nun in den Schülerbau. Ihre Brüder lagen dich zusammengerollt nebeneinander und zuckten im Schlaf, als hätten sie einen Albtraum. Sonnenherz konnte ihren Blick nicht von ihnen wenden. „Ich lasse dich jetzt alleine. Such mich auf, wenn du meinst, du musst mehr erfahren." miaute Silberstern und verschwand wieder in den Büschen. Sonnenherz hatte es kaum mitbekommen. Nach einer Weile stellte sie sich vor, wie sie von dem Schülerbau aus zu dem Kriegerbau gehen würde und kurz darauf änderte sich auch das Bild. Vor sich sah sie mehrere Katzen zusammengerollt in Nestern liegen. Nach einer Weile entdeckte sie Streifenfuß und Schneeblüte, ihre Eltern, die sich in einem Nest zusammengerollt hatten. Auch sie wirken unruhig im Schlaf. Allgemein wirken alle Katzen unruhig. Als würde der ganze Clan im Schlaf gequält werden. Sonnenherz ging in Gedanken zum Heilerbau. Hier schliefen Efeudunst und Silberblatt. Während Silberblatt wie alle anderen im Schlaf zuckte, wirkte Efeudunst sehr gelassen. Es war, als sei für sie die Welt in Ordnung. Als hätte sie alles richtig gemacht. Als wäre die Prophezeiung nur eine Nebensache gewesen und niemand wäre gestorben. Plötzlich fühlte Sonnenherz eine unbeschreibliche Wut auf Efeudunst. Diese Katze hatte einfach tatenlos zugeschaut, wie sie gestorben war, obwohl sie schon die ganze Zeit wusste, dass dies passieren würde. Sonnenherz sträubte sich das Nackenfell und sie krallte Graßfetzen. Sie war kurz davor, sich auf das Wasserspiegelbild von Efeudunst zu stürzen, doch plötzlich fühlte sie einen Schwanz auf der Schulter. Als sie sich umdrehte, sah sie Salbeisee. Er war auf der Lichtung gewesen, als Flammenstern ihr von der Prophezeiung erzählt hatte. Er war der Mentor von Efeudunst und ehemaliger Heiler gewesen, bis er schließlich gegen einen starken Ausbruch von grünem Husten im Clan gekämpft hat und schließlich selbst daran gestorben war. Nun sah er ihr tief in die Augen und sprach mit ruhiger Stimme: „Gib Efeudunst nicht die Schuld an deinem Tod. Sie hätte nichts dagegen tun können oder dürfen. Es war eine Prophezeiung und Prophezeiungen darf man sich nicht widersetzen. Genauer gesagt hat sie genau dies versucht. Als du schon im Sterben lagst, hat sie alles versucht, um dich zu retten, obwohl sie wusste, dass du sterben würdest. Deinen Tod wird sie sich niemals verzeihen. Ich kenne sie, sie hat immer versucht, allen Katzen zu helfen und hat sich bei Fehlern immer selbst die Schuld gegeben. Sie hat gemacht, was sie konnte und musste dennoch hilflos dabei zusehen, wie du in ihrer Obhut gestorben bist." Sonnenherz schaute Salbeisee lange an. „Ich glaube, du hast recht. Ich war nur so aufgewühlt, wollte anderen die Schuld geben, wegen dieser blöden Prophezeiung. Sie hat alles zerstört. Aber jetzt habe ich erkannt, dass sich nicht einmal die besten Katzen gegen die Macht einer Prophezeiung widersetzen können. Aber dennoch würde ich gerne einmal mit Efeudunst reden, wäre dies möglich? Ich möchte ihr sagen, dass ich ihr keine Vorwürfe mache und mir wünsche, dass sie sich um jede Katze so sehr kümmern soll, wie sie sich um mich gekümmert hat." „Alles zu seiner Zeit. Du bist noch nicht bereit, mit einer lebenden Katze Kontakt aufzunehmen. Wenn eine Katze in den Sternenclan kommt, dann darf sie die ersten zwei Monde keinen Kontakt zu den Lebenden haben, da sie nicht in Versuchung kommen soll, diese zu lenken oder ihr Leben zu führen. Du darfst danach gerne in einem Traum von ihr Kontakt aufnehmen, aber bist dahin musst du leider nur zusehen, wie sie selbst zurechtkommen." Antwortete Salbeisee. „Darf ich bei den großen Versammlungen zusehen? Oder bei dem Halbmondtreffen der Heiler?" fragte Sonnenherz. „Bei der nächsten großen Versammlung darfst du gerne zusehen. Aber von dem Halbmondtreffen solltest du dich vorerst fern halten. Wir treffen uns dort mit den Heilern und geben ihnen Nachrichten. Du bist hier noch zu neu, um bei so etwas teilzunehmen. Allerdings wird sich Blütenstern bald zu uns gesellen. Sie lebt ihr letztes Leben und auch wenn sie noch kräftig ist, wird sie bald an einem Hundeangriff sterben. Sie hat in ihrer Zeit zu viel riskiert. Sicher, sie ist eine gute Anführerin, aber auf ihre Leben hat sie nie so sehr geachtet. Auch ihr Tod wurde uns prophezeit. Nach ihr wird dann Schauerwind der Anführer. Bei seiner Namensgebung wirst du ihm ein Leben geben, da du als Retterin der Clans auch für den Flussclan eine wichtige Rolle spielst. Aber Genaueres werde ich dir dann erklären, oder wahrscheinlich macht das Forellenstern. Bis dahin dauert es aber noch drei Monde, in der Zeit kannst du dich ja an den Sternenclan gewöhnen. Du kannst dich hier vorstellen, dich einleben und ab und zu deinem Clan zuschauen. Ich bin mir sicher, wenn du dich erst einmal an das Leben hier gewöhnt hast, wird es dir sehr gefallen. Du wirst auch eine größere Rolle hier im Sternenclan spielen als normale Krieger, da du als mutige Retterin viel Respekt bekommst und du, wenn du hier älter wirst, auch viele Entscheidungen treffen kannst. Jetzt such am besten mal nach Morgenjunges. Sie war ganz besorgt, als du einfach ohne ein Wort weggelaufen bist." Sonnenherz nickte und fühlte sich plötzlich schuldbewusst, dass sie ihre kleine Schwester ignoriert hatte, die doch so sehr versucht hatte, ihr einen schönen Empfang zu machen. Deshalb drehte sie sich um, bedankte sich noch einmal bei Salbeisee und machte sich auf die Suche nach Morgenjunges und Lilienblatt. 

Warrior Cats - Der Ruf des SternenclanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt