Kapitel 11

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Sonnenherz lief durch das Gebüsch und über die Wiese. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie weit sie zuvor gelaufen war und wie riesig das Territorium des Sternenclans ist. Schließlich kam sie an den Bach, wo sie Lilienblatt und Morgenjunges das letzte Mal gesehen hatte. Doch die waren nicht mehr da. Nur Blütenblatt, die ehemalige Flussclan Heilerin saß auf einem Stein und schaute auf das Wasser. Um sie nicht zu stören, setzte sich Sonnenherz leise daneben und wartete, dass Blütenblatt einen Fisch fangen würde. Kurz darauf erschien ein Schatten unter der Wasseroberfläche und mit einem geschmeidigen Schlag holte Blütenblatt den Karpfen an Land und biss ihm schnell in den Körper, damit er nicht zurück ins Wasser springt. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte der Fisch auf zu Zappeln und Blütenblatt konnte ihn aus dem Mund nehmen. „Möchtest du einen Bissen?" fragte sie. „Nein danke, ich habe keinen Hunger. Ich suche Lilienblatt und Morgenjunges, weißt du zufällig, wo sie gerade sind?" Antwortete Sonnenherz. Allerdings wurde sie für ihre Lüge sofort bestraft, denn ihr Bauch knurrte laut. „Ich glaube, dein Bauch verlangt etwas anderes." Schnurrte Blütenblatt. „Morgenjunges und Lilienblatt sind auch gerade auf der Jagd, sie wollten dir etwas Zeit geben und kommen bald wieder hierher. Bis dahin solltest du den Fisch mal probieren. Er schmeckt wirklich lecker. Nur zu schade, dass ihr Donnerclankatzen nie so richtig auf den Geschmack gekommen seid." murmelte Blütenblatt mit nun vollem Mund. Sonnenherz fasste sich zusammen und nahm einen Bissen von dem Fisch, den ihr Blütenblatt zuschob. Zuerst fand sie ihn schrecklich. Er war sehr glitschig und schmeckte nach Schnecke, doch nach einer Weile kam ein saftiger Geschmack hinzu und Sonnenherz nahm sich noch einen Bissen. Während sie aßen, kamen auch Lilienblatt und Morgenjunges hinzu. Sie wirkten erleichtert, dass Sonnenherz nun so gut drauf war. Die Katzen unterhielten sich lange, redeten über die Beute und das Verhalten von bestimmten Katzen. Sonnenherz kam es so vor, als würden sie absichtlich das Thema Sternenclan vermeiden, aber damit kam sie klar. Sie hatte im Moment auch keine große Lust, sich wieder darüber aufzuregen. Schließlich stand sie auf und sagte: „Ich würde mich hier gerne mal umschauen. Kommst du mit, Morgenjunges?" Diese sprang auf und nickte eifrig. Dann stürmten die zwei los, während Blütenblatt und Lilienfuß ihnen schnurrend und kopfschüttelnd nachsahen. „Hast du schon einen der kleinen Sternenteiche gesehen?" fragte Morgenjunges, die für ihre Größe sehr gut mit Sonnenherz mithalten konnte. „Wenn du den Teich meinst, durch den man auf die Welt der Lebenden schauen kann, dann ja. Silberstern hat ihn mir gezeigt." Antwortete Sonnenherz. Morgenjunges schien kurz so, als wolle sie etwas erwidern, doch dann schüttelte sie den Kopf und sagte stattdessen: „Und hast du schon den großen Sternenteich gesehen? Oder den Sternensee?" Sonnenherz verneinte. „Ok, dann gehen wir dort hin und ich erkläre dir, wofür wir sie benutzen. Nach einer Weile kamen sie an einen großen Teich. Er war dem ersten Sternenteich, den Sonnenherz gesehen hatte, sehr ähnlich. „Das hier ist der große Sternenteich. Hier versammeln sich die Katzen, wenn es eine große Versammlung gibt oder jemand einen Traum an alle Katzen weiterleiten muss. Von hier aus schaut man immer auf das Baumgeviert und wenn die Clans etwas machen, was uns nicht als richtig erscheint, dann können wir ihnen hier Zeichen schicken, wenn wir wollen. So können wir zum Beispiel Wolken aufkommen oder einen Blitz einschlagen lassen. Aber wir können nicht alles bestimmen, deshalb können wir zum Beispiel auch nichts gegen Schnee machen, der die Beute im Wald verringert." Erklärte Morgenjunges. Sonnenherz schaute eine Weile auf das Wasser und konnte nun das Baumgeviert erkennen. Es war nun Tag, aber es waren keine Katzen zu sehen. Nur in dem einen Baum saß ein Bussard, der gerade eine Maus gefangen hatte. „Komm lass uns weitergehen. Ich möchte dir noch den Sternensee zeigen." miaute Morgenjunges ungeduldig. Die beiden Katzen liefen weiter, bis sie in eine hügelige und felsenreiche Umgebung kamen. Hier war mitten in einem tief nach unten ragenden Steinbecken ein Teich. „Das hier ist der Sternensee. Diese Felsformationen sind denen gleich, die bei dem Mondstein sind. Wenn also eine Katze einen Traum am Mondstein hat, dann können wir uns hier auf diesen Steinen versammeln und für die Katze wirkt es, als stünden wir neben ihr in der Mondsteinhöhle." Miaute Morgenjunges. „Und was ist mit neuen Anführern, ich habe gehört, sie kommen zum Sternenclan und sind nicht in der Mondhöhle, obwohl sie dort einschlafen." sagte Sonnenherz. „Gut erinnert. Ja, allerdings kommen die neuen Anführer in den Sternenclan, aber nur für eine kurze Zeit, in der sie ihre Leben bekommen. Dafür gehen wir auf die Wiese neben diesem Gebiet. Aber das wäre jetzt ein Umweg. Ich möchte dir nämlich noch etwas anderes zeigen. Komm mit" Und wieder stürmten die beiden Katzen los. Sie rannten über mehrere Hügel, bis sie schließlich auf einer großen glatten Fläche ankamen. Hier sonnten sich viele Katzen. Mitten auf der Wiese waren immer wieder vereinzelte Felsen, die flach aus dem Boden ragten. „Hier werden Sternenclan Versammlungen abgehalten. Dies kommt zwar nur selten vor und wir sonnen uns hier meistens nur, aber wenn etwas wichtiges zu besprechen ist, versammeln sich hier alle. Früher haben wir uns immer bei dem großen Sternenteich getroffen, aber mittlerweile sind wir einfach zu viele. Nur bei Angelegenheiten, die unter sehr wichtigen Katzen besprochen werden, geht man zum Sternenteich, um dessen Oberfläche zu nutzen, den anderen Katzen die Umstände genauer zu erklären. Wenn nun also eine große Versammlung hier ist, kommen alle Katzen vom Sternenclan. Jeder kann sprechen, wenn er will. Er muss sich nur auf einen Felsen stellen, damit ihn alle hören. Ich war aber noch nie bei so einer Versammlung, es muss wirklich sehr selten sein." miaute Morgenjunges. Zusammen gingen sie über die Wiese. Überall waren Katzen, die sich sonnten, putzten oder sich die Zunge gaben. Manche von ihnen waren so blass, dass man nur noch einen Umriss erkennen konnte. „Warum sind hier manche Katzen schon fast verschwunden?" fragte Sonnenherz. „Weil sie schon sehr sehr alt sind. Sie waren sogar schon vor den ersten Clananführern hier. Sie haben nichts besonderes gemacht, wofür sie geehrt oder gehasst werden. Sie werden schlicht und ergreifend einfach vergessen. Vergessen von den Lebenden und von den Toten. Irgendwann werden sie komplett verschwunden sein." antwortete Morgenjunges leise. Sonnenherz wollte nicht fragen, was danach mit diesen Katzen passieren würde. Zu schlimm fand sie die Vorstellung, irgendwann vergessen zu werden und sich dann einfach aufzulösen. Also ist der Sternenclan doch für keine Katze die Ewigkeit. Irgendwann werden wir alle vergessen sein und fristen den Rest unseres Daseins alleine. 

Warrior Cats - Der Ruf des SternenclanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt