Kapitel 14

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Sonnenherz schloss die Augen, ihr war schwindelig geworden. Vor ihren Augen sah sie plötzlich Farbverläufe. Zuerst grau und braun, dann zunehmend grüner. Sie schlug die Augen auf und fand sich in einem Wald wieder. Sofort wusste sie, wo sie war. Sie war im Donnerclanterritorium nahe den Sonnenfelsen. Ein paar Schwanzlängen vor sich sah sie Efeudunst, die gerade interessiert an einer Pflanze roch. Sonnenherz näherte sich ihr und setzte sich dann auf den Boden. Nach einer Weile bemerkte Efeudunst sie, drehte sich um und setzte sich ebenfalls. „Hallo Sonnenherz. Wie schön dich zu sehen." Miaute sie. „Ich freue mich ebenfalls. Ich warte jetzt schon seit längerem auf ein Gespräch mit dir." „Das habe ich mir schon gedacht. Du willst bestimmt wissen, weshalb ich dir damals nichts von der Prophezeiung gesagt hatte, obwohl ich nach dem Hundeangriff wusste, dass du es bist und du nicht mehr viel Zeit hattest. Du fragst dich bestimmt, wie ich nur so ehrenlos sein konnte und einfach zugesehen habe, wie du gestorben bist. Die Antwort darauf ist, dass ..." „Ich will es gar nicht wissen. Du hast bestimmt deine Gründe gehabt und ich möchte sie nicht kennen, um dich dann dafür zu hassen. Ich glaube, dass es richtig war, was du getan hast. Auch wenn es sehr schade ist, dass ich mein Leben niemals ausleben konnte." Unterbrach Sonnenherz sie. „Du bist mir nicht sauer? Du akzeptierst meine Entscheidung?" Fragte Efeudunst ungläubig. Sonnenherz nickte nur. „Ich habe immer gedacht, dass du mir nie verzeihen könntest. Ich habe gedacht, dass du mich hasst und niemals wieder mit mir sprechen würdest. Ich war dumm. Ich habe unterschätzt, wie weise du schon in so jungem Alter warst." „Zuerst war ich sehr wütend auf dich, aber mittlerweile habe ich verstanden, dass manche sterben müssen, um anderen zu helfen. Und das andere schwere Entscheidungen treffen müssen, um die Mehrheit zu retten. Hättest du damals in den Kampf eingegriffen, hättest du getötet werden können und ein Clan ohne Heiler ist schlimmer als eine Kriegerin weniger. Und wahrscheinlich hätte es mir auch nicht mehr gebracht, wenn ich von der Prophezeiung gewusst hätte. Ich hätte Panik bekommen und anders gehandelt und das hätte euch in Gefahr gebracht." „Ich danke dir. Du kannst nicht glauben, wie sehr es mich freut, dass du mir nicht sauer bist. Ich konnte nicht mal deine Brüder ansehen, ohne Schuldgefühle zu bekommen." „Wie geht es ihnen?" fragte Sonnenherz nun eifrig. „Sie haben deinen Tod nur schwer überwunden. Doch dann sind sie wieder mit voller Kraft zurückgekehrt. Sie haben vieles gelernt und sind nun knapp vor der Kriegerzeremonie. Aber sie werden dich nie vergessen. Sie sind dir sehr dankbar und vermissen dich. Sie haben mich schon oft gefragt, ob ich was von dir gehört hätte oder ob sie mit dir sprechen könnten. Wenn ich sie dann ablehnen musste, waren sie immer bitter enttäuscht." „Und wie ist es mit Schneeblüte und Streifenfuß?" „Die waren schwer schockiert, aber sie wissen, dass es dir im Sternenclan gut geht und haben sich deshalb auf Mondpfote und Nachtpfote konzentriert. Auch die anderen Clankatzen waren schockiert. Sie trauern immer noch um dich, gehen aber den Pflichten nach und kümmern sich um die Grenze. Hast du die Versammlung gestern Nacht miterlebt?" Sonnenherz nickte. „Ja, ich war mit den anderen Katzen bei dem großen Sternenteich und habe euch zugesehen." „Es war schwer für uns. Besonders für Mondpfote und Nachtpfote. Sie mussten alles noch einmal durchleben." miaute Efeudunst traurig. Plötzlich spürte Sonnenherz einen Sog, so als würde sie jemand am Schwanz ziehen. Sie schaute nach hinten, aber dort war niemand. Nur der dunkle Wald mit seinen beruhigenden Geräuschen. Als der Sog immer stärker wurde, verstand Sonnenherz. Sie hatte ihre Zeit langsam beendet. Ihr kam das Gespräch zwar sehr kurz vor, aber als tote Katze vergeht die Zeit für einen deutlich schneller. Sie drehte sich wieder zu Efeudunst. „Ich muss jetzt wieder gehen. Mache dir keine Schuldgefühle." „Das werde ich nicht. Und nochmal danke für das Gespräch." „Ich habe noch eine bitte" „Ja?" „Sag bitte meinen Brüdern, dass es mir gut geht und dass ich sie vermisse. Aber sie sollen nicht versuchen, mit mir Kontakt aufzunehmen. Dies werde ich zum gegebenen Zeitpunkt machen." „Ich werde es ihnen ausrichten." „Danke. Auf Wiedersehen, Efeudunst." „Auf Wiedersehen, Sonnenherz." Sonnenherz dachte nun an die Höhle im Sternenclan. An das Nest und Silberstern. Sie sah an sich runter und bemerkte, dass sie sich auflöste. Auch bemerkte sie zum ersten Mal den Sternenglanz in den Pfoten und ihr fiel ein, dass sie seit ihrem Tod nie außer Atem war, nie Hunger oder Durst hatte und noch keine Schmerzen gefühlt hatte. Vielleicht ist es doch nicht so schlecht, eine Sternenclankatze zu sein, dachte sie sich noch, dann wurde ihr schwarz vor Augen.

Warrior Cats - Der Ruf des SternenclanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt