Kapitel 13

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Silberstern führte Sonnenherz in den Wald hinein, dabei nahm sie allerdings keine Pfade, sondern schlug sich durch das Gebüsch. Auch wichen sie anderen Katzen aus. Der Wald wurde immer dichter und es drang mit der Zeit auch immer weniger Sonnenlicht durch die Blätter. „Bist du sicher, dass wir hier sicher sind? Für mich sieht es nicht so aus, als wären hier oft Katzen." Miaute Sonnenherz. „Wir sind hier völlig richtig. Es sieht hier so dunkel aus, damit nicht irgendwelche Katzen herkommen. Das sprechen mit lebenden Katzen ist nicht sehr häufig. Die meisten Katzen würden es nur für ihren eigenen Gebrauch nutzen und die lebenden Katzen kontrollieren. Deshalb kommen nur sehr wenige Katzen hier her." „Was ist, wenn ein Katze die lebenden kontrollieren möchte oder es ihr sogar gelingt?" „Das ist natürlich auch schon passiert. Hierbei kommt es darauf an, ob es eine tote Katze ist oder eine Lebende, die stirbt. Eine schon tote wird von uns in den Wald der Finsternis vertrieben, wir löschen ihr Gedächtnis an den Sternenclan und sie irrt durch den grausamen Wald. Eine Katze, die bereits zu Lebzeiten böse war, kommt auf direktem Wege zum Wald der Finsternis. Ihre Seele muss den Weg dorthin selber finden, denn sie werden nur selten von anderen bösen Katzen abgeholt. Diese Katzen sind für den Sternenclan mit am gefährlichsten, denn sie können den Weg zu unserem Reich noch finden. Auch wenn wir uns die größte Mühe geben und Katzen, die von dort kommen, wieder zurücktreiben." „Was ist denn der Wald der Finsternis?" Fragte Sonnenherz schreckenserfüllt. „Das ist ein grausamer Ort. Die Bäume sind so hoch und kahl, dass man deren Ende kaum sehen kann. Überall wabert Nebel durch die Bäume und kein Sonnenstrahl ist bisher durchgedrungen. Die Bäche sind alle salzig und verdorben, keine Beute läuft durch den Wald und alle Katzen dort kämpfen mit Blut. Es sind schon viele Katzen dort ein zweites Mal durch so einen Kampf gestorben." „Ein zweites Mal gestorben? Ich dachte man kann nur ein mal sterben." „Nein, du kannst ein zweites Mal sterben. Bei deinem ersten Tod stirbt der Körper, die Seele wandert zum Sternenclan oder zum Wald der Finsternis und nimmt dort wieder einen Körper an, welcher allerdings aus der Seele gebaut wurde und nicht aus Fleisch besteht. Wenn man im Sternenclan vergessen wird, dann wird dieser Körper immer blasser, bis er schließlich unsichtbar ist. Die Seele lebt aber weiter. Sie ist nun zu schwach, um wieder sichtbar zu werden oder mit etwas zu interagieren. Für immer wird diese Seele nun durch unser Reich oder den Wald der Finsternis wandern. Sie hat keinen Halt mehr, kann nur noch beobachten. Auch geht sie häufig in die Welt der Lebenden und beobachtet dort. Aber mehr kann sie nicht machen und so bleibt es bis zur Unendlichkeit. Wir kennen diese Katzen nicht mehr und wissen nicht, dass sie noch existieren. Wir wissen über das Fortleben der Seele durch einen Traum einer Heilerkatze. Allerdings kann es auch passieren, dass die Seele nach dem ersten Tod verletzt wird. Da der zweite Körper aus der Seele besteht, kann man ihn angreifen und verletzen. Wird der Körper sehr schwer verletzt, kann es passieren, dass die Seele stirbt. Es ist, als ob man vergessen wird. Der Körper löst sich auf und man verschwindet. Keiner kann sich nun an einen erinnern, der Mörder weiß vielleicht noch, dass er jemanden umgebracht hat, aber nicht, wen. Wenn diese Katze ein Held war, werden alle ihre Taten für immer vergessen. Es ist, als wäre sie nie da gewesen. So einen Tod kann man sich keiner Katze wünschen. Es ist noch nie im Sternenclan vorgekommen, dass eine Katze ein weiteres Mal stirbt. Aber im Wald der Finsternis ist es Alltag. Hier sterben so viele, dass niemand weiß, wer schon mal dort gelebt hat und wie viele es insgesamt waren. Aber es gibt eine Prophezeiung, dass Katzen, die so böse sind wie kein anderer, selbst wenn sie im Wald der Finsternis sterben, nicht vergessen werden. Sie sind wie eine Warnung an andere Katzen. Aber so etwas ist noch nie vorgekommen und die Prophezeiung wird mittlerweile auch immer mehr verdrängt. Der Wald der Finsternis beherbergt nur böse Katzen, die am liebsten jede andere Katze umbringen würden. Deshalb ist es auch absolut verboten, dort hin zu gehen. Bisher war noch nie jemand aus dem Sternenclan dort, weil die Grenze gut überwacht wird. Aber es könnte sein, dass sich das bald ändert, wenn wir einer der neueren Prophezeiungen glauben schenken können." Damit lief Silberstern schneller. Sonnenherz brauchte eine Weile, um das gehörte zu verarbeiten. Dann kam ihr ein Gedanke: Woher wusste Silberstern so viel über den Wald der Finsternis, wenn es jeder Katze verboten war, dort hinzugehen? Warum konnte sie die Umgebung dort so sehr beschreiben, als wäre sie selber einmal dort gewesen? Sonnenherz wollte Silberstern gerade diese Fragen stellen, doch da waren sie auch schon am Ziel und Sonnenherz verwarf die Gedanken. Sie musste sich nun auf das vor ihr liegende vorbereiten. Auf ihr Gespräch mit Efeudunst, welches sie sich schon so lange ersehnt hatte.

Sie waren auf eine Lichtung gekommen, die von Sonnenlicht bestrahlt wurde. Durch die Dunkelheit des Waldes wurde Sonnenherz bei dem Licht leicht schwindelig. Als sich ihre Augen mehr gewöhnten, sah sie, dass sie und Silberstern alleine waren. Die Lichtung war leer, nur am anderen Ende waren mehrere Felsen. Sie ähnelten den Schlangenfelsen vom Donnerclanterritorium sehr. Am Fuß der Felsen war ein Eingang zu sehen. Eine Höhle, vielleicht aber auch nur ein Durchgang. Sie liefen darauf zu und traten ein. Durch die plötzliche Dunkelheit konnte Sonnenherz nun nichts mehr außer weißen Flecken sehen, die vor ihren Augen tanzten. Silberstern ging weiter. Mit den Schnurrharen tastend folgte Sonnenherz ihr. Es war ein Tunnel, der nach unten führte. Die Wände waren sehr nah dran und Sonnenherz erinnerte sich an den Weg zum Mondstein, den sie als eine Schüleraufgabe bestritten hatte. Als sie schließlich am Ende des Tunnels waren, traten sie in eine große Höhle. Von der Decke fiel ein Sonnenstrahl auf ein Nest aus Moos und Farn. Silberstern begann flüsternd zu erklären: „Wir sind jetzt da. Wenn eine Katze mit einer lebenden Katze sprechen möchte, dann legt sie sich in dieses Nest. Es ist einer der wenigen Augenblicke, dass du als Sternenclankatze schlafen wirst. Du wirst bei der dir gewünschten Person auftauchen, wenn diese schläft. Dann kann sie dich sehen, mit dir interagieren, dich sogar fühlen. Wenn du den Traum beenden möchtest, dann musst du dir vorstellen, wie du wieder hier her kommst. Wenn du danach wieder mit einer Katze interagieren willst, musst du einen Mond in der Zeit der lebenden Warten. Egal, mit welcher Katze du Kontakt aufnimmst. Und du musst wieder in diesem Nest sein. Es wird behauptet, dass es Heilerkatzen gibt, die nach einiger Zeit sogar ohne das Nest mit lebenden Katzen interagieren können. Sie sollen auch oft hintereinander mit denselben Katzen sprechen können. Manche glauben, sie müssen nur an die Katze denken, mit dem Wunsch, sie zu sprechen und sie schlafen ein. Allerdings konnten wir bisher keine Katze finden, die das beherrscht, deshalb heißt es weiter in dem Nest schlafen und einen Mond warten. Aber es gibt auch andere Wege, wie man mit Lebenden sprechen kann. Das was du jetzt machst, ist der erste Weg. Du gehst sozusagen in die Welt der Lebenden und in den Traum einer Katze. Allerdings kann dich nur diese sehen und du kannst auch nicht ewig bleiben. Nach einer Nach wirst du dazu gezwungen, zurückzukehren. Es gibt aber weitere Wege. Wenn eine lebende Katze stirbt, kannst du durch den Weltenteich, durch den du gekommen bist, auch wieder zurück und eine Katze abholen. Ein weiterer Weg ist eine Versammlung. Wenn viele tote Katzen sich versammeln, dann können sie, wie du gleich, in die Welt der Lebenden kommen und dort eine Botschaft aussprechen. Das ist sehr praktisch, wenn eine Botschaft an viele Katzen klar gemacht werden soll. Diesen Weg haben die Katzen auch nach der ersten großen Schlacht benutzt. Damals, als Grauer Flug, Windläufer und die anderen noch lebten. Er hilft bei Warnungen und Mahnungen gleichsam. Noch ein Weg besteht darin, eine lebende Katze in den Sternenclan zu holen. So zum Beispiel bei einer Anfährerzeremonie oder bei dem Halbmondtreffen der Heiler. Allerdings braucht man dafür einen besonderen Ort wie den Sternensee. Es gibt natürlich noch andere Wege, aber das sind die am meisten benutzten. Hast du alles verstanden?" „Ich glaube schon. Ich muss mich also in das Nest legen und an Efeudunst denken, dann werde ich bei ihr im Traum auftauchen und kann mit ihr sprechen. Wenn ich zurück möchte, muss ich es mir nur wünschen, oder?" „Genau so ist es. Viel Glück." Damit ging Sonnenherz nach vorne, legte sich ins Nest und dachte fest an Efeudunst.

Warrior Cats - Der Ruf des SternenclanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt