Kapitel 17

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Schauerwind sah sich mit großen Augen um. Was auch immer er erwartet hatte, dieses Bild übertraf seine Vorstellungen. Sonnenherz bemerkte plötzlich, dass sich die Umgebung verändert hatte. Sie waren nicht mehr auf der Versammlungswiese, sondern beim Baumgeviert. Die Eichen rauschten sachte und die Körper der anderen Katzen leuchteten. Sonnenherz hatte bemerkt, dass ihre Pfoten geleuchtet hatten, als sie Efeudunst getroffen hatte, doch jetzt leuchteten die Pfoten und Augen sämtlicher Sternenclankatzen. Auch waren nun ihre Gerüchte nicht mehr die der eigenen, sondern die vier Blattwechsel vermischt. Sonnenherz fragte sich, warum sich das alles plötzlich verändert hatte und sie nicht mehr normal waren, wie sonst im Sternenclan. Blütenblatt beugte sich zu ihr hinüber. „Wenn der Sternenclan auf eine lebende Katze trifft, verändert sich das Aussehen und der Geruch der einzelnen Katzen. Wir wirken nun mehr wie ein Clan. Mehr wie die Harmonie und der Zusammenhalt alles vier Clans. Wenn wir alle sprechen, ertönt unsere Stimme als eines. Das ist die Macht des Sternenclans." Sonnenherz staunte. Sie hatte immer gedacht, der Sternenclan würde alles übernatürliche selber machen, aber anscheinend passierte auch vieles, ohne dass sie etwas machen konnten. So entstanden wahrscheinlich auch die Prophezeiungen, einfach aus dem Übernatürlichem, aus etwas, das keine Katze erreichen konnte und von dem auch keine Katze etwas wissen konnte. Nun begannen alle Katzen des Sternenclans zu sprechen und Instinktiv wusste Sonnenherz, was zu sagen war und sprach mit. „Willkommen Schauerwind." Wie Blütenblatt gesagt hatte, klang alles gleichzeitig wie von einer Katze gesprochen. Schauerwind neigte sprachlos den Kopf. Nun trat Blütenstern vor. Anders als vorhin war sie nun ruhig und ging gelassen zu Schauerwind. Sie berührte seine Nase und Schauerwind zuckte zusammen. Blütenstern murmelte ihm etwas zu, dennoch konnten es alle Katzen verstehen. „Mit diesem Leben gebe ich dir Ausdauer, nutze sie um weiterzumachen, egal was auch im Weg liegt." Schauerwind verneigte sich und flüsterte Blütenstern etwas zu. Diese nickte langsam und antwortete etwas. Blütenblatt neigte sich wieder zu Sonnenherz. „Weshalb Blütenstern Ausdauer gibt, muss ich dir ja wohl kaum erklären. Sie kann reden wie ein Wasserfall, aber auch im Kampf hat sich ihre Ausdauer bezahlt gemacht. Als ehemalige Anführerin gibt sie das erste Leben an Schauerwind. Das ist immer so, jetzt verabschieden sie sich wahrscheinlich." Kaum hatte sie das gesagt, drehte Blütenstern sich um und ging zurück zu ihrem Platz. Schauerwind wirkte zwar etwas mitgenommen, aber von Blütensterns abschließende Worten gestärkt. Nun trat Forellenstern vor. „Forellenstern war vor Blütenstern Anführer. Schauerwind hat ihn persönlich nie getroffen, aber viel von ihm gehört. Er war dafür bekannt, viel Mitgefühl zu anderen Katzen zu haben und hat viele Fremde wie Freunde behandelt, wenn sie verletzt oder krank waren. Deshalb gibt er Schauerwind auch diese Eigenschaft." Forellenstern trat nun zu Schauerwind und berührte seine Nase. Wieder zuckte dieser zusammen und Forellenstern sprach. „Mit diesem Leben gebe ich dir Mitgefühl, nutze es, um verletzte, kranke oder verloren gegangene Katzen wieder aufzubauen, egal woher sie kommen." Schauerwind verneigte sich und Forellenstern ging wieder zu seinem Platz. Blütenblatt schaute Sonnenherz mit einem Was-Habe-Ich-Dir-Gesagt-Blick an und Sonnenherz musste unwillkürlich schnurren. Nun trat ein kleiner, goldbrauner Kater vor und ging zu Schauerwind. „Das ist Honigpfote. Er hat damals zusammen mit Schauerwind trainiert. Die beiden waren praktisch eins und haben viele Blödsinn angestellt. Einer ihrer Streiche ging aber schief, als sie aus Spaß das Territorium verlassen haben und einem Dachs begegnet sind. Honigpfote starb bei dem Kampf und Schauerwind konnte nur knapp entkommen. Er hat sich nie verziehen, dass Honigpfote durch seinen Vorschlag, die Aussenwelt zu erkunden, gestorben ist. Danach ist er immer bei dem Clan geblieben." Honigpfote reckte nun den Kopf, um Schauerwinds Nase zu berühren. Dieser zuckte traurig zusammen. „Mit diesem Leben gebe ich dir Treue, damit du deinem Clan treu bleibst und deine Entscheidungen zugunsten von ihm getroffen werden." Schauerwind neigte den Kopf und sagte, diesmal konnten es alle verstehen. „Es tut mir so Leid." Honigpfote berührte ihn sachte und kehrte dann zu seinem Platz zurück. Nun trat eine graue Katze vor, die dieselben Fellzeichen hatte wie Schauerwind. „Das ist Schieferpelz, seine Mutter. Sie starb vor drei Blattwechseln an grünem Husten." Als Schieferpelz Schauerwind berührte, zuckte dieser nicht zurück, sondern nahm eine schützende Haltung ein. „Mit diesem Leben gebe ich dir Schutz, damit du deine Liebsten schützen kannst." Die beiden sahen sich tief in die Augen, dann trat Schieferpelz zurück. Schauerwind sah so aus, als wollte er sie nicht wieder verlassen. „Jetzt bist du dran." flüsterte Blütenblatt. Sonnenherz glättete ihr Fell und trat vor. Schauerwinds Augen leuchteten auf, als er sie sah. Plötzlich fühlte Sonnenherz ein Gewicht auf ihren Schulter, es war, als würde sie zerquetscht werden. Das ist bestimmt das neue Leben, dachte sie. Als sie bei Schauerwind ankam und seine Nase berührte, verschwand der Druck, Schauerwind dagegen zuckte wieder zusammen. Aber diesmal wirkte er gestärkt. „Mit diesem Leben gebe ich dir Mut. Mut um deinen Clan zu führen und Mut um ihn zu verteidigen." Miaute Sonnenherz. „Ich danke dir, dass du meinen Clan gerettet hast." murmelte Schauerwind. „Es war mir eine Ehre" antwortete Sonnenherz, dann drehte sie sich um und setzte sich wieder neben Blütenblatt, die ihr freundlich zuzwinkerte. Kaum hatte Sonnenherz sich hingesetzt, trat eine rot gefärbte Katze vor. „Das ist Schilfblatt. Sie war Schauerwinds Gefährtin, sie haben sogar Junge. Die zwei waren eine Seele, haben sich innig geliebt. Leider war das Schicksal ihnen nicht gnädig. Sie starb bei der Geburt ihrer zwei Jungen. Die wurden dann zu Himmelsraum gegeben, von deren drei Jungen zwei gestorben sind. Sie ist mit Plätscherjunges und Froschjunges manchmal überfordert, vor allem, weil diese viel mehr Blödsinn machen als Disteljunges. Das müssen sie wohl von ihrem Vater haben." Schilfblatt ging zu Schauerwind, der ihr entgegenkam. Die beiden waren immer noch verliebt, nicht einmal der Tod von Schilfblatt konnte das verhindern. Schilfblatt berührte Schauerwinds Nase, dieser zuckte nicht zusammen, sondern es schien so, als würde neu Kraft durch ihn fließen. „Mit diesem Leben gebe ich dir Liebe, Liebe deinen Clan, wie du nicht geliebt hast." „Das werde ich tun." „Ich weiß. Und ich werde immer bei dir sein." Dann drehte Schilfblatt sich um und nahm wieder ihren Platz ein. Nun trat ein dunkelgrauer Kater neben ihr vor, er sah bis auf die Färbung genau so aus wie Schauerwind. „Das ist Sturmnacht. Sein Bruder. Er starb in einem Kampf gegen den Windclan. Dieser Tod war so ungerecht, denn er hatte immer vertrauen gehabt, dass die Clankriege zu stoppen wären. Das er in genau so einem stirbt, konnte keiner ahnen." Sturmnacht ging zu seinem Bruder, berührte ihn und Schauerwind zuckte zusammen. „Mit diesem Leben gebe ich dir vertrauen. Vertraue darauf, dass sich alles zum Guten wenden wird und manchmal unvorhersehbare Dinge passieren werden." Schauerwind murmelte noch etwas, aber Sturmnacht drehte sich einfach um. „Die zwei haben sich schon früh zerstritten. Sturmnacht war immer gegen einen Kampf, während Schauerwind sein Territorium verbissen gegen jeglichen Eindringling verteidigte. Der Kampf, in dem Sturmnacht starb, war von Schauerwind verursacht worden, weil der dem Windclan eine Lektion erteilen wollte. Sturmnacht wollte ihn davon abbringen und ihn dazu bringen, an den Windclan zu glauben, doch Schauerwind ließ sich nicht abbringen und Sturmnacht hat ihm das bisher nicht verziehen." Sonnenherz nickte traurig. Schauerwind hatte kein leichtes Leben, seine Familie war zum Großteil gestorben. Nachdem Schauerwind seinen Platz neben Schilfblatt ein und ein schwarzer Kater neben Schieferpelz erhob sich. „Das ist Schauerwinds Vater, Lachsfang. Er starb in dem gleichen Kampf wie Sturmnacht. Er hat Schauerwind immer eingeprägt, loyal zu seinem Clan zu sein. Deshalb ist auch der Streit mit Sturmnacht entstanden, der die Meinung seines Vaters strikt abgelehnt hatte. Ich glaube, Lachsfang wäre mit seiner Machtgier und Meinung besser im Wald der Finsternis aufgehoben, aber er hat nie etwas sehr böses getan. Lachsfang stolzierte zu Schauerwind, der durch seine Anwesenheit zusammengeschrumpft schien. Ohne zu zögern berührte Lachsfang dessen Nase, der zuckte zurück und er sprach laut. „Mit diesem Leben gebe ich dir Loyalität. Bleibe deinem Clan loyal und kämpfe um sein Recht." Damit drehte er sich um und ging zurück zu seinem Platz. „Jetzt bin ich dran" murmelte Blütenblatt und erhob sich. Sie ging zu Schauerwind und nickte ihm zu. Dann berührte sie seine Nase und er zuckte zusammen. „Mit diesem Leben gebe ich dir Hoffnung. Glaube daran, dass dein Clan dir folgt und du ihn durch gute Zeiten führst. Auch andere Katzen können sich verändern, wenn du genug hoffst." Dabei schaute sie zum Sturmnacht und Lachsfang. Sonnenherz verstand, Schauerwind sollte hoffen, dass sein Bruder ihm verzeiht und sein Vater seine Meinung ändert. Nun hatte Schauerwind seine neun Leben. Blütenblatt trat zurück und wieder sprach der Sternenclan wie im Chor. „Nutze alle deine neun Leben für deinen Clan. Wir werden bei jedem Schritt bei dir sein. Du bist schon vor langer Zeit auserwählt worden und trotz vieler Umstände hat der Sternenclan seine Wahl nie bereut. Schauerstern, Schauerstern, Schauerstern!" Schauerwind neigte den Kopf, dann zuckte er wieder zusammen und fiel ohnmächtig auf den Boden. Langsam begann er sich aufzulösen. Auch die Sternenclankatzen lösten sich auf. Plötzlich änderte sich die Umgebung, die Bäum lösten sich auf und eine Wiese entstand. Sie waren wieder auf der Versammlungswiese. Sonnenherz suchte Blütenblatt noch einmal auf. „Ist Schauerwinds ganze Familie gestorben? Er muss sich doch einsam fühlen. Selbst Schilfblatt ist tot." Sonnenherz konnte einfach nicht fassen, wie viel Unglück einer Katze widerfahren konnte. „Ja, Schauerwind hat es wirklich nicht leicht. Aber er hat immer noch seinen Clan und die Jungen, außerdem ist er ein starker Kater, er wird sich nicht unterkriegen lassen. Aber wenigstens steht seine Familie noch zu ihm." Dabei schaute sie zu Sturmnacht, der gerade vorbeilief. „Sturmnacht hat es noch schwerer. Seine Familie sieht ihn als Verräter und seine Clangefährten glauben, er würde sich vor einem Kampf fürchten. Keiner versteht, warum er nicht kämpfen will. Er ist ganz alleine." Sonnenherz schaute Sturmnacht nach. Er hatte einen dunklen Pelz mit den Mustern seiner Mutter. Seine Muskeln hoben sich deutlich hervor und sein Kopf war geschmeidig. Würde er für seinen Clan kämpfen, wäre er bestimmt sehr beliebt. Doch Sonnenherz konnte ihn verstehen, damals hatte sie zwar für ihren Clan gekämpft, sich jedoch immer gefragt, ob dessen Opfer es wert wären. Sie wollte plötzlich dringend mit ihm sprechen, seine Ansichten verstehen und sein Leid verkleinern. Aber als sie sich auf den Weg machte, ihm zu folgen, hielt jemand sie fest. „Du kannst noch nicht gehen, Flammenstern möchte etwas sagen." miaute Blütenblatt. Und tatsächlich, Flammenstern hatte sich auf einen der Steine gestellt und schaute sich auf der Versammlung um. „Ich muss alle Donnerclankatzen bitten, zum kleinen Sternenteich im Wald zu kommen. Der Donnerclan hält bald eine Kriegerzeremonie ab." Rief er. Sofort machten sich alle Donnerclankatzen auf den Weg. Sonnenherz freute sich, endlich bekam sie wieder etwas von ihrem Clan zu hören. Plötzlich waren Morgenjunges und Lilienblatt wieder an ihrer Seite. „Wer wird denn zum Krieger ernannt?" fragte sie. „Na, deine Brüder. Mondpfote und Nachtpfote haben nun schon lange genug trainiert." Antwortete Lilienblatt. Sofort wurde Sonnenherz Stimmung besser. Sie durfte mit zusehen, wie ihre Brüder zu Kriegern wurden. Darauf hatte sie sich schon seit ihrer Ankunft gefreut. Welche Namen sie wohl von Himmelstern bekommen würden? Gespannt lief sie den anderen Donnerclankatzen hinterher. Sie überquerten wieder den Fluss und traten in das Dickicht des Waldes. Die Sonne schien durch die Blätter und malte Muster auf den Boden. Nachdem sie einen langen Weg gegangen waren, kamen sie an einem Teich an, der im Sonnenlicht funkelte. Und in seinem inneren konnte man die Donnerclan Lichtung sehen, auf der Mondpfote und Nachtpfote, umringt von ihren Clangefährten standen. Die Kriegerzeremonie begann gerade.

Warrior Cats - Der Ruf des SternenclanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt