Kapitel 2

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Am nächsten Morgen wachte Sonnenpfote erst sehr spät auf. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und auf der Lichtung herrschte ein reges Treiben. Neben Sonnenpfote schliefen noch Mondpfote und Nachtpfote. Ansonsten war der Bau leer, die anderen Schüler waren schon unterwegs. Plötzlich tauchte ein Schatten vor dem Eingang auf und Rotherz steckte ihren Kopf in den Bau. "Ah, du bist schon wach. Flammenherz und Sandhauch warten schon. Wir wollen alle zusammen auf die Jagd gehen. Wecke bitte deine Brüder und komm dann raus." Sonnenpfote streckte sich, wilde Freude flammte in ihr auf, wenn sie an das Jagen dachte. Schon seit sie die erste Frischbeute gegessen hatte, wollte sie unbedingt mal jagen gehen. Nachdem sie ihre Brüder aufgeweckt hatte, schlüpfte sie aus dem Bau und schaute sich auf der Lichtung um. Ihr Mentor saß schon mit Rotherz und Sandhauch am Eingang des Lagers. Auf der Lichtung unterhielten sich Himmelsstern, Nebelstreif und Efeudunst angeregt miteinander. Es wirkte so, als hätte Efeudunst den anderen etwas sehr Wichtiges erzählt. Plötzlich drehten sich die drei Katzen um und schauten direkt zu Sonnenpfote und ihren Brüdern, die gerade aus dem Bau schlüpften. Sonnenpfote fühlte sich unwohl bei diesen Blicken, deshalb sprang sie schnell zu Flammenherz und ignorierte sie. Ihre Brüder hatten die Blicke nicht mitbekommen und sprangen heiter hinter ihr her. "Ok, sind alle da?" fragte Sandhauch. "Ja, lass uns gehen" antwortete Flammenherz. Die drei Mentoren drehten sich um und gingen aus dem Lager. Nachtpfote und Mondpfote folgten ihnen. Sonnenpfote drehte sich noch einmal zu Himmelstern, Nebelstreif und Echodunst um, aber die waren mittlerweile wieder ihren Pflichten nachgegangen. Deshalb drehte sie sich wieder um und lief den anderen hinterher. Während sie durch den Wald gingen, erklärte Flammenherz ihnen die Aufgabe: "Also, hört zu. Zuerst gehen wir zur Trainingskuhle und üben das Anschleichen. Dann geht jeder Schüler mit seinem Mentor und versucht, die gelernten Schritte an echter Beute auszuüben. Vielleicht fangt ihr ja was." Sie näherten sich der Sandkuhle, in der die Trainingseinheiten immer stattfanden. Auf der Lichtung kämpften Rauchpfote und Weißpfote in einem Übungskampf gegeneinander. Ihre Mentoren Morgenfuß und Kieselbauch saßen am Rand der Kuhle und gaben ihnen Tipps. Die ankommende Gruppe schaute ihnen kurz zu, dann gingen sie zu einer anderen Ecke und stellten sich auf. Flammenherz erklärte die wichtigsten Punkte, die man beim Anschleichen beachten musste, während Sandhauch das Schleichen vorzeigte und Rotherz noch genauere Tipps gab. Danach sollten die drei Schüler sich an ein Blatt anschleichen, das mehrere Schwanzlängen entfernt lag und sich auf dieses stürzen, sobald sie nahe genug dran waren. Zuerst versuchte es Nachtpfote. Er ging in die Kauerstellung, pirschte vor und hielt die Augen fest auf das Blatt gerichtet. Allerdings vergaß er dadurch, auf seine Pfoten zu achten und streifte mehrere trockene Blätter. Als er nah genug an dem Blatt dran war, kauerte er sich zusammen und sprang. Er landete genau auf dem Blatt und schaute sehr zufrieden drein. "Sehr gut gemacht. Aber achte beim nächsten Mal mehr auf deine Pfoten. Mäuse schrecken schon bei dem kleinsten Geräusch auf." sagte Sandhauch. Als nächstes kam Mondpfote an die Reihe. Er machte es wie sein Bruder, nur achtete er mehr auf seine Pfoten. Als er zu dem Sprung kam, zielte er nicht sorgfältig genug und sprang eine Schwanzlänge neben das Blatt. "Das war schon sehr gut. Die Koordination kommt dann mit der Zeit. Übe am besten nachher im Lager mit deinem Bruder, dann werdet ihr schon bald sehr viel fangen." lobte Rotherz. Nun kam Sonnenpfote an die Reihe. Sie kauerte sich nieder, zog die Pfoten unter den Körper und hielt den Schwanz dicht bei diesem. Dann zog sie sich langsam Stück für Stück vorwärts. Dabei dachte sie an etwas, was ihr Streifenfuß einmal erzählt hatte. "Wenn du später mal Jagen gehst, musst du immer genau darauf achten, aus welcher Richtung der Wind kommt. Eine Maus kann dich riechen, wenn er falsch steht. Deshalb musst du immer so Jagen, dass der Wind von der Beute zu dir weht." Nach dieser Erinnerung hockte sich Sonnenpfote noch einmal hin und prüfte die Luft. Hinter ihr hörte sie Mondpfote mit Rotherz reden, er verstand nicht, was sie machte. Sonnenpfote ignorierte es. Sie ging einen Bogen um das Blatt herum, bis ihr der Wind in das Gesicht blies. Dann pirschte sie wieder auf das Blatt zu und sprang schließlich elegant darauf. "Ausgezeichnet" lobte Flammenherz, "ihr habt jetzt gerade gesehen, was auch sehr wichtig für eine erfolgreiche Jagd ist. Ihr müsst immer gegen den Wind jagen, sonst wird die Beute euch riechen. Sonnenpfote, ich bin mir sicher, dass du einmal eine sehr gute Jägerin sein wirst. Nun gut. Jetzt teilen wir uns auf und jeder Mentor jagt alleine mit seinem Schüler. Ich gehe mit Sonnenpfote zu der großen Eiche." "Ok, Mondpfote und ich gehen zu den Sonnenfelsen" sagte Rotherz. "Dann gehen Nachtpfote und ich zum Eulenbaum, vielleicht schauen wir auch bei dem Bach vorbei" miaute Sandhauch als letzte. "Viel Glück" schnurrte Sonnenpfote zu ihren Brüdern. "Dir auch", antworteten diese. Dann gingen sie jeweils mit ihren Mentoren.

Flammenherz führte Sonnenpfote einen Pfad entlang, bis vor ihnen eine große Eiche auftauchte. Neben dieser standen ein paar Büsche. Unter diese schlüpften die beiden Katzen und spähten auf den Baum. "Jetzt musst du sehr ruhig sein und auf die Umgebung achten. Sobald du etwas erspähst, kannst du deine Jagdkünste mal ausprobieren." erklärte Flammenherz. Sonnenpfote nickte und spähte heraus. Nach einer Weile hörte sie ein Eichhörnchen, das auf der Lichtung vor der Eiche herumwuselte. Sonnenpfote prüfte die Windrichtung, welche Ideal zu ihnen stand. Dann schleichte sie ganz langsam heran, dabei achtete sie genau auf Gräser oder trockene Blätter, die sie verraten könnten. Sie war schon fast dran, als plötzlich eine Krähe auf einem Holunderbusch landete und laut krächzte. Das Eichhörnchen schaute auf und sprang über den Waldboden zu der Eiche. Hinter sich hörte Sonnenpfote Flammenherz aus dem Busch treten. "Das war schon wirklich gut. Das mit der Krähe kannst du ja nicht verändern." Aber Sonnenpfote beachtete Flammenherz nicht. Sie setzte zum Spurt an und sprang in großen Sätzen dem Eichhörnchen hinterher. Als dieses auf die Eiche kletterte, wurde Sonnenpfote noch schneller und sprang in einem gewaltigen Satz diese herauf. Mit den Krallen erreichte sie gerade noch den Schwanz des Eichhörnchens, zog dieses herunter und tötete es mit einem schnellen Biss. Mit dem Eichhörnchen im Maul kletterte sie die Eiche wieder herunter und tappte zu Flammenherz, der total erstaunt dastand. "Wow, so etwas habe ich noch nie gesehen. Du bist wirklich sehr talentiert. Es würde mich nicht wundern, wenn du einmal die beste Jägerin im ..." Flammenherz konnte seinen Satz nicht beenden, denn Sonnenpfote war wieder in die Hocke gegangen und fing mit einem weiteren gewaltigen Sprung die Krähe, die soeben wegfliegen wollte. Diese zappelte noch kurz, wurde aber sofort von Sonnenpfote getötet. Nun saß sie da, ein Eichhörnchen und eine Krähe vor ihren Pfoten. Sie war überglücklich und wusste, dass sie am liebsten endlos weiter jagen würde. Flammenherz lobte sie noch eine Weile, dann meinte er, sie sollten nach Hause gehen. Er nahm sich die Krähe, da Sonnenpfote unmöglich beide Tiere tragen konnte und ging voran. Sonnenpfote nahm das Eichhörnchen und folgte ihm. Als sie wieder im Lager ankamen, waren Nachtpfote und Mondpfote schon da. Nachtpfote hatte eine Wühlmaus, während Mondpfote eine Amsel im Maul hielt. Beide sprangen erstaunt auf und beglückwünschten ihre Schwester. Nun kamen alle anderen auch und waren sehr erstaunt, dass eine Schülerin bei ihrer ersten Jagd schon zwei große Beutetiere gefangen hatte. "Da hast du aber wirkliche Jäger für den Clan geboren, Schneeblüte." miauten einige Katzen anerkennend. Diese wirkte so, als würde sie vor Stolz platzen. "Meinen größten Glückwunsch" miaute nun auch Himmelstern, die mit Efeudunst zu der Gruppe stieß. Efeudunst allerdings wirkte mehr nachdenklich als erfreut. Wieder betrachtete sie die drei Geschwister mit ihrem seltsamen Blick. Dann neigte sie den Kopf und miaute: "Heute Abend wird keine Katze hungern müssen." Die übrigen Katzen stimmten ihr zu und so entstand ein riesiges Festmahl, an dem sich alle Katzen die Mägen vollschlugen. Danach gaben sie sich noch lange die Zunge, bis es schon nach Mondhoch war. Müde und erschöpft gingen Sonnenpfote und ihre Brüder in den Schülerbau, legten sich hin und schliefen fast sofort ein. Der letzte Gedanke von Sonnenpfote war, dass die Schülerzeit gar nicht so schlecht sei.

Warrior Cats - Der Ruf des SternenclanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt