Kapitel 22

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Sonnenherz sprang zuerst in den Weltenteich. Es war ein seltsames Gefühl, denn seit ihrer Ankunft im Sternenclan war sie nicht mehr hier durch gegangen. Zuerst hatte sie angst, einfach in das Wasser zu springen, doch dann drückte Sturmnacht sich ermutigend gegen sie und gab ihr Mut. Sie sprang. Es war, als würde sie ganz langsam hinab gleiten. Zuerst wurde alles schwarz, doch dann wurde es heller, bis es schließlich hellgrau war und Sonnenherz plötzlich aus einer Wolke schwebte. Ganz langsam sank sie auf eine der Eichen vom Baumgeviert und hielt sich an einem der oberen Zweige fest. Sofort ließ das schwerelose Gefühl und das leichten Sinken nach und sie musste sich festhalten, um nicht herunterzufallen. Sie begann schon einmal, den Baum hinabzuklettern, hinter sich hörte sie Sturmnacht, der im Baum landete. Die Wolke stieg kaum bedenklich höher, bis sie auf einer Höhe mit den übrigen Wolken war und verschwand. Der Himmel hier war total zugezogen, in der Ferne hörte man sogar Donnergrollen. Sonnenherz wollte sich beeilen, denn sie wusste nicht, ob Sternenclankatzen nass würden, würde es anfangen, zu regnen. Außerdem wollte sie Mondfleck nicht länger warten lassen. Als sie auf die Wurzel sprang, wartete sie kurz, bis Sturmnacht ebenfalls unten war, dann sprang sie los. Instinktiv wusste sie, wo sie hin musste. Lilienblatt hatte nur gesagt, dass Mondfleck an der Grenze nahe dem Baumgeviert war, aber sie wusste trotzdem genau, wo ihr Bruder sein würde. Sonnenherz wusste nicht, woher sie dieses genaue Wissen hatte, aber wahrscheinlich war das ein weiterer Vorzug einer Sternenclankatze. Hinter ihr lief Sturmnacht, der ihr vertraute, dass sie den schnellsten Weg laufen würde. Die beiden Katzen durchfragen Büsche, aber sie merkten diese nicht. Sie liefen schnell, spürten aber keinen Gegenwind. Es war herrlich. Nicht einmal im Sternenclan konnten sie so schnell und ohne Mühe rennen. Schließlich kamen sie in der Nähe einer Lichtung an und Sonnenherz stoppte. Wieder wusste sie genau, was zu tun war. Ihr war klar, dass auf dieser Lichtung ihre Brüder sein würden. So nah an ihnen, wie lange nicht, war Sonnenherz ganz aufgeregt. Sie und Sturmnacht schauten sich noch einmal an und Sturmnacht nickte ermutigend. Dann traten die beiden auf die Lichtung. Was sie dort vorfanden, war schrecklich. Mondfleck lag auf der Seite und blutete aus einer Wunde in der Kehle. Direkt neben ihm kauerte Nachtstreif und hatte seine Nase in seinem Fell versteckt. Er war total zerzaust und hatte mehrere kleine Wunden. Nicht weit von ihm entfernt lag ein brauner Kater mit struppigem Fell und einer riesigen Wunde an dem Bauch. Sonnenherz lief ein Schauer über den Rücken. Dies war Braunfuß, der Kater, der sowohl Sturmnacht als auch Mondfleck getötet hatte. Vielleicht waren es sogar noch mehr Katzen, von denen sie nicht wusste. Sie hatte ihn im Sternenclan gesehen, im Gespräch mit Silberstern, sie hatte ihm das alles aufgetragen. Sonnenherz wurde übel, hoffentlich würden sie nicht auf seinen Geist treffen. Sturmnacht, der hinter Sonnenherz stand, schaute kurz böse zu dem Leichnam von Braunfuß und tippte dann Sonnenherz an. Als sie sich fragend umdrehte, deutete er auf Mondfleck. Sonnenherz verstand. Damals, als sie gestorben war, hatte Morgenjunges nach ihr gerufen. Nun musste sie nach Mondfleck rufen. „Mondfleck! Mondfleck, wach auf!" Zuerst passierte gar nichts, doch dann stand aus dem Körper von Mondfleck ein Kater aus, der dem Leichnam gleich aussah, nur hatte er Sternenlicht um die Pfoten und in den Augen. Sonnenherz schaute kurz zu sich hinunter und bemerkte ebenfalls Sternenlicht an sich. Wahrscheinlich hatten sie dieses wieder, weil sie in der Welt der Lebenden waren. Mondfleck's Geist stand nun neben seinem Körper und starrte diesen verwundert an. Dann viel sein Blick auf Sonnenherz und er schaute zugleich verwirrt und erfreut. „Hallo Mondfleck. Es ist schön, dich wiederzusehen. Komm doch her." miaute Sonnenherz. Mondfleck zögerte, doch dann trat er zu ihr. „Hallo Sonnenherz, Hallo...?" „Sturmnacht. Ich bin ein guter Freund von Sonnenherz" „Hallo Sturmnacht. Was ist passiert? Warum kann ich dich endlich wiedersehen?" „Mondfleck." miaute Sonnenherz leise und legte ihren Schwanz auf Mondflecks Schulter. Mondfleck schaute sie an und dann fiel sein Blick nochmal auf seinen Leichnam. „Ich bin tot, nicht wahr?" fragte er leise. „Ja, es tut mir Leid." antwortete Sonnenherz. „Aber warum? Warum jetzt, warum so plötzlich?" Diesmal antwortete Sturmnacht. „Das Schicksal ist manchmal ein mieser Verräter. Du bist unglücklicherweise in Braunfuß's Visier gekommen." Es war kein Schicksal. Mein Tod war Schicksal. Mondfleck musste nur sterben, weil ich zu viel zu Silberstern gesagt habe, dachte Sonnenherz verbittert. „Ist das der braune Kater?" „Ja, er war ein Mörder. Ein böser Kater, der vor nichts zurückschreckte. Er hat nicht nur dich getötet, auch ich bin ihm damals zum Opfer gefallen." „Das tut mir Leid. Aber wenigstens hat Nachtstreif dem ein Ende gesetzt. Er ist so tapfer, es ist schade, dass ich nun nicht mehr dabei sein kann, wenn er weiter im Clan aufsteigt. Er wird mir fehlen" „Du wirst ihn beobachten können. Du wirst wissen, was passiert. Und wenn die Zeit reif ist, kannst du über verschiedene Wege mit ihm in Kontakt treten." miaute Sonnenherz. „Aber wird er denn wissen, dass ich über ihn wache?" „Davon bin ich überzeugt." „Lass uns gehen. Wenn wir noch länger hierbleiben, könnte das schlecht sein." Miaute Sturmnacht und schaute zu. Braunfuß's Leiche. „Kann ich mich noch kurz verabschieden?" fragte Mondfleck. „Natürlich." sagte Sonnenherz verwundert. Mondfleck trottete zu Nachtfleck und lief kurz an ihm vorbei, dann drückte er sich noch kurz an ihn. Nachtfleck schaute kurz auf, denn vergrub er seine Nase wieder in Mondfleck's Leichnam. Mondfleck kam zurück zu Sonnenherz. „Als du gestorben bist, haben Nachtstreif und ich einen Windhauch gespürt und wussten, dass du zum Sternenclan gehst. Ich finde, Nachtstreif sollte wissen, dass ich jetzt denselben Weg antrete." „Das ist sehr edel von dir. Die meisten Katzen müssen erst mal ihren Schock überstehen und kommen nicht auf die Idee, sich so zu verabschieden." miaute Sturmnacht anerkennend. So wie ich, dachte Sonnenherz. Sie war viel zu überrascht gewesen, um Nachtstreif oder Mondfleck ein Zeichen zu geben. „Na los, dann können wir ja jetzt zum Sternenclan." miaute Mondfleck. Die drei gingen los und wollten gerade von der Lichtung, als Sonnenherz plötzlich etwas sah und sofort stehenblieb. Mondfleck und Sturmnacht liefen gegen sie. Zuerst beschwerten sie sich, doch dann sahen sie, was auch Sonnenherz sah. Auf der anderen Seite der Lichtung saß der riesige Geist von Braunfuß. Er schaute spöttisch auf die Szene und wirkte überhaupt nicht bedauernd, dass er tot war und Mondfleck getötet hatte. Sonnenherz wurde wütend. „Hau ab und komme nie wieder hier her! Und wehe, du folgst uns!" brüllte sie zu ihm, aber er lachte nur schnurrend und sah Sonnenherz herausfordernd an. Wahrscheinlich wusste er, dass er für ihren Wunsch gestorben war und war wütend, griff aber durch Silberstern's Befehl nicht an. Da er nur ruhig sitzenblieb und Sonnenherz ununterbrochen anschaute, trieb Sturmnacht sie schließlich nach vorne. Dann gingen sie weiter. Aber kurz bevor die Lichtung außer Sehweite war, drehte Sonnenherz sich noch einmal um und warf einen Blick zurück. Und was sie dort sah, ließ ihr das Blut gefrieren. Neben Braunfuß saß Silberstern und lobte ihn erkenntlich. Dann schaute sie zu Sonnenherz, ihre Blicke kreuzten sich und Sonnenherz schaute schnell wieder nach vorne. All die Katzen, die sie vor Silberstern gewarnt hatten oder nur Andeutungen gemacht hatten, lagen richtig. Silberstern war genau wie Braunfuß von Grund auf böse. Und Sonnenherz hatte ihr vertraut. Nun hatte sie angst vor ihr. Was konnte Silberstern noch anrichten, wenn sie es schon schaffte, dass eine ihrer Katzen sich selbst und eine andere Katze auf ihren Wunsch umbrachte?

Warrior Cats - Der Ruf des SternenclanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt