Kapitel 1

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,,Also was soll ich heute zu essen machen?"

,,Pizza."

,,Och nein! Nicht schon wieder."

,,Warum nicht?"

,,Weil wir Pizza erst gestern hatten und vorgestern und all die anderen Tage davor auch!"

Beleidigt verschränkte ich meine Arme vor der Brust und schob meine Unterlippe etwas vor.
,,Dafür kann ich doch nichts."

,,Du könntest ja auch mal etwas machen, außerdem wirst du sonst noch fett."

,,Bitte was?"

Ich schnaubte empört.
,,Mach dir mal nicht ins Hemd Tantchen, ich habe eine Bombenfigur."
,,Jetzt übertreib mal nicht, ich seh besser aus."

Ich hob mein Shirt hoch, um meinen Bauch mit ihrem zu vergleichen. Sie verstand und zog ihr Top ebenfalls hoch.

,,Äh, also siehst du einen Unterschied?", fragte ich sie, nach einer kurzen Stille.
,,Nein. Nein eigentlich nicht."
,,Das ist jetzt doof", stellte ich fest.
,,Definitiv, denn es gibt wieder Pizza."

Ich musste lachen. Was gabs besseres als Pizza?
,,Welchen Film dazu?", grinste sie.
,,Iron Man, aber nur den ersten Teil, ich bin nämlich noch mit Quinn verabredet."
,,Quinn? Diese kleine schwarzhaarige die gar nicht zu ihrem Namen passt? Was sich ihre Mutter wohl bei ihrem Namen gedacht hat...", murmelte Maura.

Ich musste wieder lachen, in welches meine Tante mit einstieg.

Tja, so war halt meine Tante. Frisch und knackig wie ein Apfel. Erste gute 25 Jahre jung.
Ich glich ihr mehr als meiner Mom, also vom Charakter her, fand ich.
Obwohl ich mich an diese betrinkende psychopatische Schlampe kaum mehr erinnern konnte, oder eher wollte. Allerdings war es gar nicht so einfach, immerhin sah ich sie jeden Tag, wenn ich in den Spiegel schaute. Ich war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, leider.

Da ich bis zum Abend nix mehr zu tun hatte, legte ich mich auf eine unbequeme Liege in den Garten um so zu tun als würde ich diese knallige Sonne genießen und meinen Körper bräunen, statt mir einen derben Sonnenbrand zu zuziehen.
Ich setzte meine Sonnenbrille auf, obwohl ich meine Augen geschlossen hatte.
Sah einfach stylischer aus.
Eine Weile, die gerade mal fünf Minuten lang war, spürte ich überraschende Kälte an meinen Fingerkuppen und griff reflexartig zu. Erst dann öffnete ich meine Augen und betrachtete die Schüssel mit Schokoladeneis in meiner Hand.
Musik wurde angemacht und dann warf mir Maura einen Löffel zu, um mein Eis zu essen, der auf meinem Bauch landete.

Mit guter Laune löffelte ich genüsslich mein Eis und summte die Lieder mit, die der Reihe nach ertönten.
Meine braunhaarige Tante machte es sich nun endgültig auf einer Liege bequem, die neben meiner stand. Dazwischen war noch ein kleiner weißer Plastiktisch, auf dem die Musikbox ihre Lieder abspielte.

Als ich die Melodie vom nächsten Song erkannte, bekam ich fast einen Herzstillstand.
Ich musste automatisch grinsen und sang sofort laut und schief mit, worauf auch Maura wieder dazu kam.
,,I got a pocket, got a pocketful of sunshine
I got a love and I know that it's all mine, oh, ooh oh oh
Do what you want, but you're never gonna break me
Sticks and stones are never gonna shake me, oh, ooh oh oh.
..."

Uns war es egal wie laut wir waren, in diesem Kaff störte es eh keinen, außer vielleicht die mürrische Nachbarsfrau, die aber Gott sei Dank im Krankenhaus lag. Die Alte hatte nen Herzstillstand, den sie leider überlebte.
Im Ernst jetzt.
Keiner interessierte sich für sie und wenn mal jemand nett zu ihr war, motzte sie einen gleich wieder an.
Mich zumindest.
Aber mal im Ernst, die Schreckschraube konnte mir doch nicht ewig sauer sein, dass ich ihre schönen Rosen zertrampelt hab. Hat ja keiner gesagt das sie diese dummen Pflanzen unbedingt dahin pflanzen musste, wo ich stand. Außerdem hat es mich eine wunderschöne Hose gekostet, die durch die Dornen kaputt ging.
Bis heute hatte sich diese verdammte alte Frau nicht bei mir entschuldigt, für meine Hose.
Tante Maura meinte, ich solle ihr die grünen Scheissdinger ersetzen und in Zukunft netter zu ihr sein. Ihr Verhalten mir gegenüber, läge bloß an meiner Einstellung.
Ich dachte nicht mal dran.

**

,,Trish? Schiebst du mal bitte die Pizzen in den Ofen? Ich muss ans Telefon", rief meine Tante gestresst von drinnen. Ich sah sie durch das Terassenfenster, durchs Wohnzimmer hasten, von der einen Ecke in die andere, während sie ihre Haare trocken rubbelte.
Sie ging wieder aus. Anscheinend hatte sie wieder einen neuen Typen, von dem Letzten wurde sie ja eiskalt abserviert.
Ich lächelte leicht, denn ich gönnte ihr das kurze Glück, obwohl Maura eigentlich den katastrophalsten Männergeschmack besaß, den man bloß haben konnte, erinnerte mich dann aber wieder an die Pizzen.
Tante Maura fand dann schließlich das Telefon und nahm aufgeregt ab.
Ich schob die Pizzen in den Ofen, bedachte aber, Maura nicht aus den Augen zu lassen.
Ihre Gesichtszüge wurden härter und sie sah mich mit einem Blick an der soviel hieß wie "Du bist gleich sowas von tot."
Das war gar nicht gut.

Ich setzte ein unschuldiges Lächeln auf und flüsterte: ,,Ich gehe dann mal zu Quinn."
,,Oh nein, du wartest jetzt hier lieb und brav bis ich fertig bin mit telefonieren, damit ich dich dann in kleine Stücke reißen kann", zischte sie und schmiss mit dem feuchten Handtuch nach mir.

Ich ta so, als ob ich bleiben würde, was ich aber nicht tun wollte, sonst überlebte ich den heutigen Tag wahrscheinlich nicht mehr.

Langsam und ohne hektische Bewegungen, schritt ich nach hinten, um zur Haustür zu gelangen und dann unbeschadet davon kommen.
Maura bemerkte noch nichts von meinem Fluchtversuch, denn sie war zu sehr darauf konzentriert, sich bei dem Direktor für meine Taten zu entschuldigen und sich eine Strafe für mich auszudenken.

Als ich den kühlen Griff der Türklinge zu fassen bekam, ging alles ganz schnell.
Ich riss die Tür auf, rannte raus, schnappte mir mit einem geübten Griff mein Longboard und fuhr eilig weg.
Das wars dann aber wohl mit Pizza. Ich konnte von Glück sprechen, dass ich den Backofen noch nicht angemacht hatte, ansonsten würde Maura die Pizzen vergessen und am Ende stünde das anze Haus in Flammen.

Als ich schon am Ende der Straße angelangt war, hörte ich Tante Maura noch schreien dass ich hierbleiben sollte.
Allerdings verzichtete ich liebend gern darauf.





07.05.17
überarbeitet am 12.07.17

Walking Disaster ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt