Kapitel 9

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Jeremy bringt mich die Treppe nach oben in mein besagtes neues Zimmer. Umständlich öffnet er die Türe und betritt den warmen Raum mit den blauen Tapeten. Er trägt mich an einem Schrank vorbei und lässt mich schließlich auf einem weichen Bett nieder.

Er setzt sich neben mich und wendet sich der Wunde an meinem Kopf zu. Seufzend nimmt er ein Taschentuch und tupft vorsichtig an der Wunde herum. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche keinen Laut von mir zu geben.

,,Ich könnte dir auch anderes helfen", flüstert Jeremy und entfernt das Taschentuch von meinem Kopf.

Fragend drehe ich meinen Kopf zu ihm. ,,Ach ja?"

,,Wie ich dir vorhin erzählt habe hat unser Blut eine gewisse Wirkung bei euch. Es kann all deine Wunden heilen", erklärt er stolz.

,,Und du willst das ich dein Blut schlucke?", frage ich angeekelt. Er ist hier doch der Vampir und nicht ich. Ich werde garantiert nicht sein Blut schlucken. Das ich einfach nur ekelhaft. Allein der Gedanke daran ich schon schlimm genug.

,,Damit würden die Schmerzen und auch die Wunde weg gehen. Willst du lieber die Schmerzen aushalten?"

,,Ich finde den Gedanken daran dein Blut zu trinken nicht wirklich ansprechend. Tut mir leid, aber da wird mir ganz schlecht!"

,,Es wird nicht so schmecken wie Blut. Der erste Vampir wurde von einer Hexe geschaffen und diese hat einige magische Eigenschaften an uns hinterlassen. Unter anderem hat sie unser Blut verändert. Es ist mutiert und schmeckt auch nicht wie normales Blut. Also wenn das dein einzigste Problem ist...", lacht er.

Zögerlich sehe ich zu wie er ein Messer aus seiner Hosentasche zieht und sich damit in seine Handfläche schneidet. Rotes Blut fließt heraus, als er es mir hin hält und mir dann wieder in die Augen sieht.

Ich schließe kurz die Augen und atme tief durch, bevor ich schließlich seinen Arm ergreife und tatsächlich meinen Mund zu der Wunde führe. Ich kneife die Augen zusammen, als die Flüssigkeit in meinen Mund rinnt.

Mein Verstand kann gar nicht glauben was er hier gerade tut. Ich sitze tatsächlich neben einem Vampir auf dem Bett und trinke sein Blut. Das ist sowas von absurd. Aber er hat Recht, es schmeckt nicht nach Blut, sondern nach etwas anderem. Im Gegenteil, es schmeckt sogar irgendwie gut. Aber allein das Wissen, dass dies sein Blut ist lässt mich trotzdem erschauern.

Ich lasse von seinem Arm ab und schaue ihm wieder ins Gesicht. In dem Moment öffnet er seine Augen und sein Blick wandert zu meinem rechten Mundwinkel. Er hebt seine Hand und fährt dann mit seinem Daumen über darüber. Seine wunderschönen Augen sehen in meine.

Doch der Moment vergeht schnell, als er sich räuspert und dann meinen Kopf begutachtet. ,,Es ist alles verheilt. Das Bad ist rechts hinter der Türe und im Kleiderschrank sind Klamotten. Du solltest jetzt schlafen"
Mit den Worten lässt er mich alleine im Zimmer zurück. Alleine mit der erdrückenden Stille, die ich so gefürchtet habe. Denn jetzt bin ich dazu gezwungen über alles nachzudenken was passiert ist. Dieses Unmögliche, kaum zu glaubene Zeug welches plötzlich in mein Leben getreten ist.

Seufzend schleppe ich mich zu dem Kleiderschrank und öffne ihn. Ein Lavendelduft kommt mir entgegen als ich mich auf die Suche nach einem Schlafanzug mache. Unten links finde ich schließlich einen kleinen Stapel, von dem ich mir eine schwarze Jogginghose und ein weites blaues T-Shirt nehme.
Damit gehe ich ins Bad, wo ich eine Zahnbürste finde, die Jeremy mir wohl zurecht gelegt hatte.

Als ich schließlich aus dem Bad komme nehme ich mir die Decke von Bett und laufe auf das große Fenster zu. Die breite Fensterbank lässt mir genug Platz um mich darauf zu setzen. Ich lasse mich auf ihr nieder und lege die Decke über meine Beine.
Müde starre ich nach draußen in die Dunkelheit.

Wie soll das hier nur weiter gehen? Ich muss wieder nach Hause, also was wenn Jeremy keine Lösung finden wird, sodass ich nie wieder nach Hause komme? Werde ich dann für immer hier fest sitzen? In einem Land voller Vampire, die nur nach meinem Blut lechzen? Wie soll ich denn da ein Leben führen? Ohne meine Familie und meine Freunde? Das ist für mich keine Option. Ich muss hier einfach weg kommen, denn ich kann nicht bis ich alt und grau bin hier bleiben. Denn die andere "Möglichkeit" ist das ich umgebracht werde, weil ich zu viel weiß oder weil jemand mein ganzes Blut aussaugt.
Verdammt ich hoffe das Jeremy schnell eine Lösung findet, denn hier bleiben möchte ich garantiert nicht.

Ich lehne meinen Kopf gegen die kühle Fensterscheibe und schließe meine Augen. Es ist alles viel zu viel und noch alles viel zu unwirklich für meinen Kopf. Das ganze nachdenken bereitet mir Kopfschmerzen, weshalb ich versuche meine Gedanken zu verbannen und eine Stille in meinen Körper hervor zu rufen, was allerdings unmöglich erscheint bei all dem was hier läuft.

Doch auch nach einer Stunde in der ich nur hier herum sitze kann ich immer noch nicht einzuschlafen. Die Angst sitzt noch immer tief in meinen Gliedern. Die Angst, das jeden Moment jemand rein kommen könnte um mich töten. Wer könnte in diesem Moment auch alles loslassen und einfach friedlich schlafen gehen? Dafür wurde ich von meiner besten Freundin schon zu zu vielen Horrorfilmen gezwungen. Man denkt man ist sicher und im nächsten Moment wird man im Schlaf ermordet. Und das will ich nicht unbedingt herausfordern, vor allem weil dies kein schlechter Film ist, sondern die Wirklichkeit. Zwar macht Jeremy einen wirklich sympathischen und auch ehrlichen Eindruck, aber man soll niemals zu schnell urteilen und vorzeitige Entscheidungen treffen. Er kann mich immer noch umbringen.

Mittlerweile zittere ich am ganzen Körper. Mein Kopf will einfach nur eine Pause von all dem und endlich einschlafen, aber mein Verstand hält weiter die Ohren gespitzt und ist auf's höchste Aufmerksam, um die Gefahren rechtzeitig zu erkennen.

Vorsichtig gehe ich auf den CD-player zu und schalte ihn an. Die leisen Töne eines Klaviers mit der Melodie von Beethoven erklingt aus den Lautsprechern und lässt mich ein wenig wohler fühlen. Seine Musik hat schon immer eine ganz besondere Wirkung auf mich gehabt und lässt mich auch in dieser Situation ruhiger werden.

Ich nehme die Decke und lasse mich auf dem Bett nieder. Und während Beethovens Mondscheinsonate finde ich dann endlich meine Ruhe.

MalumerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt