Kapitel 29 Teil 2

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Es sieht kalt aus, aber ich weiß, dass es das nicht ist.
Der Wind wispert durch das Dünengras hinter unserer Veranda, bis es sich bewegt wie eine Gruppe von Hula-Tänzerinnen. Ich frage mich, wie das Meer an diesem Morgen aussieht. Zum ersten Mal seit Raffs Tod beschließe ich nachzusehen.
Ich öffne die gläserne Schiebetür und werde von einer warmen Augustbrisr begrüßt.
Ich springe von der letzten kühlen Sand. Es ist ein Privatstrand. Ich schlinge die Arme um mich und schlage den Weg zwischen den beiden riesigen Dünen vor unserem Haus ein.
Dahinter liegt ein kleiner Hügel, gerade groß genug, um mir den Blick vom Wohnzimmer auf den Ozean zu versperren. Hätte ich letzte Nacht in meinem Zimmer geschlafen, hätte ich mich auf meinem Balkon im zweiten Stock im Sonnenaufgang wärmen können.
Aber mein Zimmer ist voller Dinge, due mich an Raff erinnern. Es gibt nichts auf meinem Regalen, auf meinem Schreibtisch oder in meinem Schrank, was nicht irgendwie mit ihr zu tun hätte.
Auszeichnungen, Bilder, Make-up, Kleider, Schuhe, Stofftiere.
Selbst mein Bettzeug ist eine gesteppte Collage von Bilderb aus unserer Kindheit, die wir gemeinsam für ein Schulprojekt gebastelt haben.
Würde ich allrs aus meinem Zimmer werfen, was mich an Raff erinnert, wärr das Zimmer ziemlich leer.
Genauso fühle ich mich jetzt.
Ich bleibe einige Schritte vor dem nassen Sand stehen, lasse mich fallen und ziehe die Knie an die Brust. Das Meer am Morgen ist ein großartiger Gefährte, wenn man allein sein will.
Es besänftigt und tröstet und stellt keine Fragen. Im Gegensatz zur Sonne. Je höher sie steigt, desto mehr erinnert sie mich daran, dass sich die Zeit nicht anhalten lässt. Man kann ihr nicht entfliehen.
Sie schleicht dahin, ganz gleich, ob man eine Standuhr aus Treibholz betrachtet oder die Sonne.
Mein erster Schultag ohne Raffnuss ist angebrochen. Ich wische mir die Tränen aus den Augen und stehe auf.
Bei jedem Schritt zurück zum Haus krallr ich die Zehen in den Sand. Mom sitzt auf der Treppe der hinteren Veranda und wartet auf mich. Mit einer Hand streicht sie ihren Morgenrock glatt, in der anderen hält sie einen Becher mit Kaffee.
Vor dem Hintergrund des grau geschindelten Strandhauses wirkt sie in ihrer weißen Robe wie ein Gespenst - nur dass Gespenster kein langes, ebenholzschwarzes Haar und schockierend blaue Augen haben oder Espresso trinken.
Sie lächelt, wie eine Mutter ihre Tochter anlächeln sollte, die mit einem Verlust nicht fertig wird.
Grund genug für meine Tränen, umso größer und schneller hervorzuquellen.

Blue Secrets / HiccstridWo Geschichten leben. Entdecke jetzt