Kapitel 72

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Am Samstagabend kann ich für fünfunddreißig Minuten unter Wasser bleiben. Am Sonntagnachmittag bin ich bei siebenundvierzig. Die Übung bringt was, auch wenn ich nicht das Gefühl habe, irgendetwas zu üben. Ich plansche nur im Wasser, halte den Atem an und werde dabei immer runzeliger. Ich ziehe die Schwimmflossen aus, die Fischbein mir mitgebracht hat, und werfe sie ans Ufer. Während er sich in seine Shorts manövriert, wende ich ihm den Rücken zu.
"Bist du vorzeigbar?", rufe ich nach einigen Sekunden. Ganz gleich, wie oft ich ihn auch sage, dass ich noch nicht ins Wasser sehen kann, er glaubt felsenfest, dass ich versuche, einen Blick auf seinen 'Aal' zu werfen. Du lieber Himmel.
"Oh, ich bin mehr als vorzeigbar. Ich bin sogar ein ziemlich guter Fang."
Da bin ich ganz seiner Meinung. Fischbein sieht gut aus, ist witzig und aufmerksam - sodass ich Heidruns Einstellung nicht wirklich nachvollziehen kann. Ich beginne zu verstehen, warum Grom ihn mit Heidrun verbunden hat. Wer würde besser zu ihr passen als Fischbein?
Aber wenn ich das zu Fischbein sagen würde, wäre es ein klarer Verstoß gegen unseren stillschweigenden Pakt: kein Wort über Heidrun und kein Wort über Hicks. Seit Freitagnacht haben wir über alles gesprochen, nur nicht über die beiden. Über Grom und Nalia. Über den Friedensvertrag, den die Generäle Triton und Poseidon nach dem Großen Krieg geschlossen haben. Über den Geschmack von Meeresfrüchten - okay, da haben wir gestritten.
Aber meistens üben wir einfach. Ich halte den Atem an und Fischbein stoppt die Zeit. Er kann allerdings auch nicht besser als Hicks erklären, wie man sich in einen Fisch verwandelt. Er sagt genau wie Hicks, dass es sich wie ein überwältigender Drang anfühlt, sich zu strecken.
Fischbein watet zu der Stelle, an der ich in der Flut stehe.
"Ich kann nicht fassen, dass die Sonne schon untergeht", meine ich.
"Ich schon. Ich bin am Verhungern."
"Ich auch." Das müssen die vielen zusätzlichen Kalorien sein, die ich im Wasser verbrenne.
Er zuckt die Achseln. "Ich weiß nur...." Sein Kopf bewegt sich ruckartig zum Wasser herum und dann zu mir zurück. Er packt mich an den Schultern und zieht mich an sich. Und dann bricht er unseren stillschweigenden Pakt. "Erinnerst du dich an das, was du über Heidrun gesagt hast? Darüber, dass sie die Unnahbare spielt?" Er wirft einen Blick auf das offene Meer hinaus und reißt den Kopf wieder zu mir herum. Seine Augenbrauen verschmelzen miteinander, als er die Stirn runzelt.
Ich nicke, verblüfft über seine Kehrtwende. "Ich habe darüber nachgedacht. Lange. Und ich werde es tun. Aber.... aber ich brauche deine Hilfe."
"Natürlich werde ich dir helfen. Bei allem", sage ich. Aber irgendetwas fühlt sich seltsam an, als er mich näher an sich zieht.
"Gut", antwortet er und späht wieder in den Sonnenuntergang. "Hicks und Heidrun sind in der Nähe."
Ich schnappe nach Luft. "Woher weißt du das? Ich kann sie nicht spüren." Mein Herz wird zum Verräter und hämmert, als sei ich gerade fünf Meilen hügelaufwärts gerannt. Und alles nur, weil er Hicks' Namen erwähnt hat.
"Ich bin ein Fährtensucher, Astrid. Ich kann sie an jedem Flecken Meer auf der ganzen Welt spüren. Vor allem Heidrun. Und so, wie sich die Sache anfühlt, lässt Hicks seine hübsche Flosse ganz schön flattern, um zu dir zurückzukommen. Heidrun muss auf seinem Rücken reiten."
"Du kannst erkennen, was sie tut?"
"Ich kann erkennen, wie schnell sie sich bewegt. Niemand kann so schnell schwimmen wie Hicks, Heidrun eingeschlossen. Er muss wirklich darauf brennen, dich zu sehen."
"Yeah. Er brennt darauf, dass ich mich verwandele, damit er noch einen königlichen Untertan hat,den er herumkommandieren kann."
Fischbeins Gelächter erschreckt mich, nicht weil es laut ist, sondern weil seine Stimmung sich um huntertachtzig Grad zu drehen scheint. "Das ist es, was du denkst?", fragt er.
Plötzlich trifft Hicks' Puls meine Beine wie ein körperlicher Schlag. Fischbein zerrt mich aus dem Wasser und auf das Haus zu. "Er hatte genügend Gelegenheiten, mich davon zu überzeugen, dass es anders ist", sage ich, und meine Worte holpern bei jedem hastigen Schritt, der im Sand versinkt. Hinter uns höre ich Hicks und Heidrun über irgendetwas lachen. Das schwappende Geräusch bringt mich auf die Idee, dass sie einander nass spritzen.
An dem kleinen Lattenzaun, der unscheinbaren Grenze, die Hicks' Sandstrand vom öffentlichen Sandstrand trennt, hält Fischbein an. "Also gut, ich möchte diesen verzogenen Königskindern eine Lektion erteilen. Vertraust du mir, Astrid?"
Ich nicke, aber irgendetwas sagt mir, dass ich das nicht hätte tun sollen. Das Gefühl bestätigt sich, als Fischbein mich an seine Brust zieht und seinen Mund auf meinen senkt.
Als ich versuche, mich von ihm zu lösen, greift er mir ins Haar, um meinen Kopf festzuhalten. Das plötzliche Schweigen hinter uns ist lauter, als das Gelächter es jemals hätte sein können.
Ich stelle fest, dass Fischbein ein guter Küsser ist. Er bewegt den Mund genau richtig, sanft und energisch zugleich.
Und obwohl er ständig Meeresfrüchte isst, schmeckt er nicht danach.
Trotzdem ist alles an diesem Kuss falsch, falsch, falsch. Wenn ich einen Bruder hätte, würde es sich genauso anfühlen, ihn zu küssen. Und dann spüre ich etwas anderes. Ein haarsträubendes Prickeln überall. Als würde ich gleich vom Blitz getroffen werden.
Dann schlägt Hicks - kein Blitz - auf Fischbein ein und reißt unsere Lippen auseinander. Eins muss ich ihm lassen, Fischbein lässt mich sofort los, statt mich mit sich hinunterzureißen. Sie krachen in den Sand und Hicks' Fausthiebe prasseln auf Fischbein ein wie die Geschosse eines Maschinengewehrs. Aber ich bin viel zu perplex, um mich zu rühren.

- - - - - - - - - H I C C S T R I D - - - - - - - - -

Vielleicht kommt heute noch eines. Wer weiß😊😊🤔🤔😏😏

Aber wie findet ihr dieses Kapitel. Hätte sicher keiner gedacht dass Fischbein Astrid küsst oder ?😂😏

Blue Secrets / HiccstridWo Geschichten leben. Entdecke jetzt