Kapitel 71

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Wir tauchen in den Nachthimmel auf. Ich sehe lauter Sterne, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie echt sind oder eine Nebenwirkung von Sauerstoffentzug. Fischbein gibt ein bisschen an, indem er seinen Körper aus dem Wasser schießen lässt und mit der Spitze seiner Flosse die Wellen durchschneidet wie ein Delfin in SeaWorld. "Lass den Quatsch", ermahne ich ihn. "Wie war ich diesmal? Gib mir die Uhr."
"Siebenundzwanzig Minuten, neunzehn Sekunden", sagt er und legt sie in meine ausgestreckte Hand. Schnappt nach Luft. "Woah. Was ist mit deinen Händen los?"
"Was meinst du?" Ich drehe sie hin und her und versuche, im Mondlicht etwas zu erkennen. Kein Blut, keine Schnitte, keine Kratzer. Während ich mit allen zehn Fingern wackle, sage ich: "Nichts ist los damit, siehst du?"
Seine Augen sind immer noch so weit aufgerissen, dass ich noch einmal hinsehe. Immer noch nichts.
"Fischbein, wenn das wieder ein Witz sein soll...."
"Astrid, es ist kein Witz. Sieht dir deine Hände doch an! Sie sind.... sie sind.... runzelig!"
"Ja. Das liegt daran...."
"Auf keinen Fall. Das werde ich nicht auf meine Kappe nehmen. Das ist nicht meine Schuld."
"Fischbein...."
"Aber Hicks wird einen Weg finden, mir die Verantwortung in die Schuhe zu schieben. Das tut er immer. 'Du wärst nicht gefangen worden, wenn du nicht so nah an dieses Boot herangeschwommen wärst, Kaulquappe.' Nein, es war natürlich nicht die Schuld des Menschen, weil er überhaupt gefischt hat...."
"Fischbein."
"Oder wie wäre es damit: 'Wenn du nicht mehr versuchen würdest, meine Schwester zu küssen, würde sie vielleicht aufhören, dir Steine an den Kopf zu schlagen.' Was haben meine Küsse damit zu tun, dass sie mir mit einem Stein auf den Kopf schlägt? Wenn du mich fragst, ist das eine Erziehungsfrage...."
"Fischbein"
"Oh, und das ist mein absoluter Lieblingsspruch: 'Wenn du mit einem Rotfeuerfisch spielst, wirst du gestochen.' Ich habe nicht mit ihn gespielt! Ich habe ihm nur geholfen, schneller zu schwimmen, indem ich seine Flossen gepackt habe...."
"FISCH-BEIN."
Er hört auf, im Wasser auf und ab zu gleiten und scheint sich sogar daran zu erinnern, dass ich existiere.
"Ja, Astrid? Was hast du gesagt?"
Ich atme ein, als würde ich für eine halbe Stunde untertauchen. Während ich langsam wieder ausatmen, antworte ich: "Niemand ist daran schuld. Meine Haut wird einfach ganz runzelig, wenn ich zu lange im Wasser bleibe. Schon immer."
"So etwas wie Zu-lange-im-Wasser-Bleiben gibt es nicht. Nicht für Syrena. Außerdem, wenn deine Haut so runzelig wird, wirst du dich niemals tarnen können." Er hält mir seine Hand hin und zeigt mir seine Finger, die so glatt wie die einer Statue sind. Dann taucht er die Hand unter und sie verschwindet. Getarnt. Triumphierend verschränkt er die Arme vor der Brust. Der Vorwurf ist angekommen.
"Oh, du hast recht. Ich bin nur ein Mensch mit dicker Haut, violetten Augen und harten Knochen. Und das bedeutet, dass du nach Hause gehen kannst. Richte Hicks einen schönen Gruß von mir aus."
Fischbein öffnet und schließt den Mund zweimal. Beide Male scheint es, als wolle er etwas sagen, aber sein Gesichtsausdruck verrät mir, dass sein Gehirn nicht ganz mitkommt. Als sein Mund ein drittes Mal zuklappt, spritze ich im Wasser ins Gesicht.
"Willst du etwas sagen, oder versuchst du nur, Wind aufzunehmen und davonzusegeln?"
Ein Grinsen, so breit wie der Horizont, erscheint auf seinem Gesicht. "Das gefällt ihm an dir, weißt du. Dein Temperament."
Ja klar, sicher. Hicks ist der klassische Typ A - und der Typ A hasst Klugscheißerei. Da muss man nur mal meine Mom fragen. "Nichts für ungut, aber du bist nicht gerade ein Experte, wenn es darum geht, die Gefühle anderer Leute zu beurteilen."
"Ich bin mir nicht sicher, was du damit meinst."
"Und weißt ganz genau, was ich meine."
"Wenn du von Heidrun sprichst, dann irrst du dich gewaltig. Sie liebt mich. Sie will es nur nicht zugeben."
Ich verstehe die Augen. "Natürlich. Sie spielt nur die Unnahbare, ist es so? Deshalb schlägt sie dir mit einem Stein auf den Kopf, spaltet deine Lippe und nennt sich die ganze Zeit Tintenschnaufer."
"Was bedeutet das? Sie spielt die Unnahbare?"
"Es bedeutet, dass sie dich zappeln lässt, damit du sie am Ende nur noch mehr magst. Und dich noch stärker ins Zeug legst, um ihre Aufmerksamkeit zu erringen."
Er nickt. "Genau. Das ist genau das, was sie tut."
Ich kneife mir in den Nasenrücken. "Das glaube ich nicht. Während wir uns hier unterhalten, lässt sie euer Verbindungssiegel annullieren. Das hat nichts damit zu tun, dass sie die Unnahbare spielt. Sondern vielmehr damit, dass sie für dich unerreichbar ist."
"Selbst wenn sie es schafft, die Verbindung auflösen zu lassen, liegt es nicht daran, dass ich ihr nichts bedeute. Sie spielt einfach gern Spielchen."
Der Schmerz in Fischbeins Stimme erschüttert mich. Sie spielt vielleicht gern Spielchen, aber seine Gefühle sind echt. Und kann ich das nicht allzu gut nachvollziehen?
"Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden", murmele ich.
"Was herausfinden?"
"Ob sie wirklich nur Spielchen spielt."
"Wie?"
"Du spielst den Unnahbaren. Du weißt schon, es heißt doch: 'Wenn du jemanden liebst, lass ihn sausen. Wenn er von allein zurückkommt, ist es Schicksal.'"
"Das habe ich noch nie gehört."
"Okay. Nein, natürlich nicht." Ich seufze. "Im Wesentlichen will ich damit Folgendes sagen: Du musst aufhören, Heidrun nachzulaufen. Weise sie zurück. Behandele sie so, wie sie dich behandelt."
Er schüttelt den Kopf. "Ich glaube nicht, dass ich das kann."
"Aber nur so wirst du deine Antwort bekommen", sage ich achselzuckend. "Man könnte glauben, dass du es gar nicht wirklich wissen willst."
"Ich will es wissen. Aber was, wenn die Antwort negativ ausfällt?" Sein Gesicht verzieht sich, als hätte er in eine Zitrone gebissen.
"Du musst bereit sein, damit klarzukommen, was auch immer dabei herauskommt."
Fischbein nickt mit angespanntem Kiefer. Die Möglichkeiten, die er abwägen muss, werden ihm eine ziemlich lange Nacht bescheren. Also beschließe ich, seine Zeit nicht länger in Anspruch zu nehmen.
"Ich bin ziemlich müde und schwimme zurück. Wir sehen uns morgen bei Hicks. Vielleicht kann ich dann die Dreißig-Minuten-Grenze knacken, hm?"
Ich stupse meine Faust gegen seine Schulter, mehr als ein schwaches Lächeln bekomme ich nicht als Antwort. Es überrascht mich, als er meine Hand nimmt und anfängt mich am Knöchel zu schleifen. Ich kann mich nicht gegen den Gedanken wehren, dass Hicks das Gleiche hätte tun können.
Warum legt er stattdessen die Arme um mich?

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Wie findet ihr das erste Kapitel für heute ? Bald kommt das Zweite😊😊

Schreibt mir doch eure Meinungen und Fragen zu der Story in die Kommis😊

Blue Secrets / HiccstridWo Geschichten leben. Entdecke jetzt