Kapitel 50

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"Omeingott, Hicks, warum führen wir dieses Gespräch überhaupt? Du kennst mich nicht mal.
Was geht es dich denn an, wenn ich meinen Stundenplan ändere?"
Ich weiß, dass ich grob bin. Der Typ hat angeboten, meine Sachen zu tragen und mich zum Unterricht zu begleiten. Und je nachdem, welche Version der Geschichte ich glaube, hat er mich entweder schon am Montag auf ein Date eingeladen oder aber indirekt vor ein paar Sekunden. Aber so oder so ergibt das alles keinen Sinn.
Warum ich ?
Mir fallen auf Anhieb mindestens zehn Mädchen ein, die in puncto Aussehen, in puncto Persönlichkeit und in puncto Foundation besser abschneiden als ich. Und Hicks könnte jede von ihnen haben.
"Hey, hast du keine Gegenfragen mehr auf Lager?", erkundigte ich mich nach einigen Sekunden.
"Ich finde es einfach nur bescheuert, dass du deinen Stundenplan wegen einer dummen Meinungsverschiedenheit über die Titanic ändern willst...."
Ich werfe die Hände hoch. "Kapierst du denn nicht, wie seltsam das alles für mich ist ?"
"Ich versuche es, Astrid. Ich versuche es wirklich. Aber ich denke, du hattest zwei hatte Wochen und die fordern ihren Tribut. Du hast gesagt, dass immer etwas Schlimmes passiert, wenn du in meiner Nähe bist. Aber ob das stimmt, wirst du nur herausfinden, wenn du mehr Zeit mit mir verbringst. Das solltest du zumindest zugeben."
Irgendetwas stimmt nicht mit mir. Diese Cafeteriatür muss mich wirklich erledigt haben. Sonst würde ich Hicks niemals so barsch abweisen. Nicht wenn er mich geradezu anfleht, nicht wenn er sich so zu mir herüber beugt, nicht wenn er so gut duftet.
"Siehst du? Du nimmst es persönlich, obwohl es nichts Persönliches ist", flüstere ich.
"Für mich ist es persönlich, Astrid. Es stimmt, ich krnnr dich nicht gut. Aber es gibt ein paar Dinge, die ich über dich weiß. Und ich würde gern mehr wissen."
Selbst ein Glas Eiswasser könnte meine Wangen nicht mehr abkühlen.
"Alles, was du über mich weißt, ist, dass ich in Flipflops eine Gefahr für die Menschheit bin."
Dass ich ihm nicht in die Augen sehen will, stört ihn offenbar, denn er hebt mein Kinn mit einem gekrümmten Finger an.
"Das ist nicht alles, was ich weiß", erwidert er.
"Ich kenne dein größtes Geheimnis."
Dieses Mal wische ich seine Hand nicht weg. Durch meine Füße fließt elektrischer Strom und beweist, dass wir wirklich so nah beieinanderstehen, dass sich unsere Zehen berühren. "Ich habe keine Geheimnisse", sage ich wie gebannt.
Er nickt. "Das habe ich inzwischen auch verstanden. Du weißt tatsächlich nichts über dein Geheimnis."
"Du redest Unsinn." Oder ich kann mich einfach nicht konzentrieren, weil ich versehentlich seine Lippen angesehen habe.
Vielleicht hat er mich wirklich zum Schwimmen überredet....
Die Tür des Sekretariats schwingt auf. Hicks packt mich am Arm uns schleift mich um die Ecke. Er zerrt mich einfach weiter den Flur entlang, in Richtung Weltgeschichte.
"Das war's dann?", frage ich verärgert. "Dabei willst du es belassen ?"
Vor der Tür bleibt er stehen. "Das hängt von dir ab", sagt er.
"Komm nach der Schule mit mir an den Strand und ich werde es dir erzählen."
Er streckt die Hand nach dem Knauf aus, aber ich halte sie fest.
"Mir was erzählen? Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich keinr Geheimnisse habe. Und ich gehe nicht schwimmen."
Er grinst und öffnet die Tür. "Am Strand kann man noch andere Dinge tun als schwimmen." Dann zieht er mich so dicht an sich heran, dass ich denke, er wird mich küssen.
Stattdessen flüstert er mir ins Ohr; "Ich werde dir erzählen, woher deine Augenfarbe kommt."
Als ich nach Luft schnappe, legt er mir sanft eine Hand ins Kreuz und schiebt mich ins Klassenzimmer. Und dann lässt er mich einfach stehen.

Erzähler Sicht:

Die Glocke läutet zum letzten Mal und die Schüler strömen aus allen Ecken des roten Ziegelsteingebäudes.
In der Ferne zischen die Bremsen des Schulbusses und die jüngsten Schüler pferchen sich dicht gedrängt in die Oberstufe der Middle-Point-Hifhschool in einen stetigen Strom zum Parkplatz, wo sie sich um Hicks und sein nicht-ganz-so-bescheidenes Auto schart.
Er lehnt sich gegen den Kofferraum, nickt den Jungs zu, die den Wagen bewundern und meidet jeden Blickkontakt mit den Mädchen, die etwas anderes bewundern.
Die Welle von Schülern verwandelt sich in eine Blechlawine. Das obligatorische Hupen lässt etwas nach, als sich die Autos, vollbepackt mit menschlichen Teenagern, dem Highway nähern.
Hicks hört, wie hinter ihm jemand auf einem Skatebord Bekanntschaft mit dem Asphalt macht, gefolgt vom dazugehörigen Schmerzensschrei.
Er wirft einen Blick auf den Wagen, der neben seinem parkt.
Wo ist sie?
Als sie an der Doppeltür auftaucht, fängt die Luft zwischen ihnen an zu knistern.
Sie sieht ihm fest in die Augen.
Enttäuscht, als sie nicht lächelt, stößt er sich vom Auto ab und ist schon bei ihr, bevor sie auch nur zehn Schritte machen kann.
"Lass mich deinen Rucksack tragen. Du siehst müde aus. Alles okay bei dir ?"
Diesmal kämpft Astrid nicht um den Rucksack. Stattdessen überreicht sie ihn Hicks und streicht sich ihr weißblondes Haar auf die eine Seite des Gesichts.
"Ich habe nur Kopfschmerzen. Und wow. Du hast den ganzen Ta blaugemacht, nachdem du mit mir über die Änderung meined Stundenplans gestritten hast."
Er grinst. "So habe ich das noch gar nicht gesehen. Ich wusste einfach, dass du dich nicht auf den Unterricht konzentrieren würdest, wenn ich geblieben wäre. Du hättest mich den ganzen Tag wegen deines Geheimnisses genervt und du hast sowiso schon genug Stunden versäumt."
"Danke, Dad", sagt sie und verdreht die Augen. Als sie ihre Autos erreichen, wirft er ihren Rucksack auf den Rücksitz seines Cabrios.
"Was machst du da ?", fragt sie.
"Ich dachte, wir hätten Pläne geschmiedet und fahren an den Strand."
Sie verschränkt die Arme. "Du hast Pläne geschmiedet. Und dann bisg du verschwunden."
Er verschränkt ebenfalls die Arme. "Du hast am Montag zugestimmt, bevir du dir den Kopf angeschlagen hast."
"Yep, das behauptest du immer wieder."
Ohne nachzudenken, nimmt er ihre Hand. Astrids Augen weiten sich - sie isg genauso überrascht wie er.
Was tue ich da?
"Na schön, du erinnerst dich also nicht daran, dass ich dich gefragt habe. Aber ich frage dich jetzt.
Würdest du bittes mit zum Strand kommen?"
Sie entzieht ihm die Hand und beobachtet ein paar vorbeigehende Kids, die hinter einem gelben Aktenordner verstohlen miteinander tuscheln. "Was hat der Strand mit meinen Augen zu tun? Und warum trägst du Kontaktlinsen?"
"Punz..... ähm, meine Mum sagt, sie werden mir bei der Eingewöhnung hier helfen. Sie meint, die Farbe würde sonst einfach zu viel Aufmerksamkeit erregen."
Astrid schnaubt. "Oh, sie hat absolut recht. Blaue Augen lassen dich gleich viel durchschnittlicher aussehen. Ich hätte dich beinahe nicht bemerkt."
"Du verletzt meine Gefühle, Astrid." Er grinst.
Sie kichert.
Er sagt: "Ich würde dir eventuell verzeihen - wenn du mir an den Strand gehst."
Sie seufzt. "Ich kann nicht mitkommen, Hicks."
Er fährt sich mit der Hand durchs Haar. "Ehrlich, Astrid, ich weiß nicht, wie viel Zurückweisung ich noch ertragen kann", platzt er heraus.
Er kann sich in der Tat nicht daran erinnern, jemals zurückgewiesen worden zu sein, außer von Astrid. Natürlich könnte es daran liegen, dass königliches Blut in seinen Adern fließt. Oder vielleicht daran, dass er ohnehin nicht viel Zeut mit seiner Art verbringt, geschweige denn mit Frauen.
Eigentlich verbringt er mit niemanden viel Zeit, außer mit Rapunzel. Und Punzi würde ihm ihr schlagendes Herz geben, wenn er darum bäte.
"Es tur mir leid. Diesmal ist es nicht wegen dir. Na ja, oder vielleicht irgendwie doch. Meine Mom.... sie denkt, dass wir miteinander gehen." Ihre Wangen - und diese Lippen - werden dunkelrot.
"Miteinander gehen?"
Was soll das heißen? Zum Strand? Wo ist das Problem?
Doch dann fällt ihm ein, was Punzi gesagt hat.... miteinander gehen bedeutet fast das Gleiche wie sich miteinander verbinden. Sozusagen der Schritt davor.
Er blinzelt Astrid an. "Deine Mom denkt, dass wir uns.... ähm, dass wir miteinander gehen?"
Sie nickt und beißt sich auf die Lippe.
Aus unerklärlichen Gründen gefällt ihm das. Er lehnt sich an die Beifahrertür ihres Wagens.
"Oh. Okay. Aber was spielt es für eine Rolle, wenn sie das denkt?"
"Ich habe ihr gesagt, dass wir nicht miteinander gehen. Erst heute Morgen. Wenn ich jetzt mit dir an den Strand gehe, hält sie mich für eine Lügnerin."
Er kratzt sich den Nacken.
"Verstehe ich nicht. Warum sollte sie denn denken, dass wir miteinander gehen, wenn du ihr gesagt hast, dass wir es nicht tun?"
Sie lässt sich gegen die Fahrertür seines Autos fallen.
"Also, das ist jetzt wirklich deine Schuld, nicht meine."
"Offensichtlich stelle ich nicht die richtigen Fragen...."
"Es liegt an der Art, wie du dich mir gegenüber verhalten hast, als ich mir den Kopf angeschlagen habe, Hicks. Einige Leute habe das beobachtet. Und meiner Mom davon erzählt. Jetzt glaubt sie, ich hätte dich vor ihr versteckt, dich geheim gehalten. Sie denkt, dass wir.... dass wir...."
"Miteinander gehen?", hilft er aus. Er versteht nicht, warum sie solche Schwierigkeiten hat, es auszusprechen, wenn es bedeutet, was er denkt - nämlich mehr Zeit mit einem bestimmten Menschen zu verbringen als mit anderen, um zu sehen, ob sie oder er ein guter Gefährte wäre.
Die Syrena machen das auch, aber sie nennen es sichten - und Sichten dauert nicht annähernd so lange wie dieses Miteinander-Gehen.
Eine Syrena kann einen Gefährten in wenigen Tagen sichten. Er musste lachen, als Punzi gesagt hat, einige Menschen würden jahrelang miteinander gehen.
So was von unentschlossen.
Doch dann hört er Fischbeins Stimme in seinen Ohr, ein flüsterndes Echo, das ihn einen Heuchler nennt.
Du bist zwanzig Jahre alt. Warum hast du denn noch niemanden gesichtet ?
Aber das bedeutet noch lange nicht, dass er unentschlossen ist. Er hat einfach keine Zeit, weil er seine Aufgabe, die Menschen zu beobachten, ernst nimmt.
Wenn die nicht wären, hätte er sich längst niedergelassen. Wie kommt Fischbein bloß auf die Idee, dass Astrid der Grund dafür sein könnte, dass er bis jetzt noch keine gesichtet hat?
Bis vor drei Wochen hat er nicht einnal gewusst, dass sie existiert.
Astrid nickt. Dann schüttelt sie den Kopf. "Miteinander gehen, ja. Aber sie denkt, wir würden, ähm, mehr tun als das."
"Oh", sagt er nachdenklich. Dann grinst ern "Oh".
Ihre Lippen nehmen seine Lieblingsfarbe an, weil Astrids Mom denkt, sie würden miteinander gehen und sich paaren. Die Röte breitet sich über ihren ganzen Hals aus und verschwindet in ihren T-Shirt.
Er sollte jetzt wahrscheinlich irgendetwas sagen, damit sie sich wohler fühlt.
Aber es macht viel mehr Spaß, den Moment auszukosten.
"Tja, dann sollte sie uns wirklich etwas Privatsphäre lassen...."
"Omeingott!"
Sie reißt ihren Rucksack vom Sitz und marschiert auf die Fahrertür ihres Wagens zu.
Dich bevor sie die Tür aufschließen kann, reißt er ihr den Schlüssel aus der Hand und lässt ihn in seiner Hosentasche verschwinden.
Sie macht Anstalten, den Schlüssel zurückzuholen, hält aber inne, als sie begreift, wo sie danach fischen müsste.
Er hat sie noch nie so rot gesehen.
Er lacht. "Immer mit der Ruhe, Astrid. Ich mache nur Witze. Geh nicht."
"Aha, aber das ist nicht komisch. Du hättest sie heute Morgen sehen sollen. Sie hat fast geweint. Und meine Mom weint nicht."
Sie verschränkt die Arme wieder, lehnt sich jedoch entspannt gegen die Tür.
"Sie hat geweint? Das isg ziemlich beleidigend."
Sie lässt sich zu einem winzigen Grinsen hinreißen.
"Ja, es ist eine Beleidigung für mich. Sie denkt, ich würde.... würde...."
"Mehr tun, als mit mir zu gehen?"
Sie nickt.
Er tritt auf sie zu, stützt seine Hände links und rechts von ihr am Wagen ab und beugt sich vor.
Eine heiße Strömung scheint seinen Rücken hinaufzuschießen. Was tust du da
"Dann sollte sie aber wissen, dass du dir so etwas mit mir nicht vorstellen könntest. Dass du nicht einmal im Traum daran denken würdest", murmelt er.
Sie wendet den Blick ab und bestätigt damit seine unausgesprochene Frage - sie hat es sich schon vorgestellt.
Genauso wie er. Aber wie oft ?
Spürt sie die elektrisierende Spannung zwischen ihnen auch ?
Wen kümmert das, du Idiot? Sie gehört Grom. Oder wirst du etwa zulassen, dass dich ein paar Funken daran hindern, die Reiche zu einen ?
Er weicht zurück und beißt die Zähne zusammen.

Blue Secrets / HiccstridWo Geschichten leben. Entdecke jetzt