Wiedersehen

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Seth P.o.V.

Am nächsten Morgen versuchen die anderen mich aufzumuntern, da ich immer noch wegen meinem weißen Wölfchen niedergeschlagen bin. "Was hältst du davon, wenn wir in den Wald gehen und sie suchen? Vielleicht ist sie ja noch in der Gegend.", schlägt Sam mit einem mitleidigen Ton vor. Sofort springe ich motiviert auf und renne hecktisch Richtung Tür. "Na los, worauf wartet ihr denn?!", die anderen folgen mir lachend und kopfschüttelnd. Schnell verschwinden wir im Unterholz des Waldes. Ich bin ganz hippelig und hoffe so sehr, das ich mein weißes Wölfchen wieder finde. Leah sagt lachend: "Du bist ja ganz hippelig! Hoffentlich finden wir sie auch." Ich ignoriere es jedoch. "Hört ihr das auch?", fragt plötzlich Jake. Wir sehen ihn fragend an und spitzen die Ohren. Es ist nur ganz leise, aber entfernt ist leises Gemurmel zu hören. Es ist zu weit weg, um genau auszumachen, was gesagt wird. "Da ist schon wieder jemand", stellt Embry fest. Es ist das zweite Mal in zwei Tagen, dass sich jemand in diesen Teil des Waldes verirrt. Sam deutet uns an ihm zu folgen. Wir tun, wie uns befohlen und verstecken uns hinter ein paar Bäumen.

Als wir hervor lunzen sehen wir, Sie! Das Mädchen von gestern! Sie hockt auf dem Boden und hält einen Ast mit Eichenblättern und Eicheln dran vor sich ausgestreckt. Nicht weit von ihr entfernt liegt ein Reh auf dem Boden. Diese leckt einen komischen Haufen aus Fell, Blut und Schleim. Allerdings entpuppt sich der Haufen nur wenige Minuten später, als neugeborenes Rehkitz. Es hebt langsam seinen Kopf und öffnet seine großen Augen zum ersten Mal. Es ist wirklich ein berührender Moment! Das sehen wir wirklich nicht alle Tage.

"Na komm, Kleines. Trau dich!", murmelt das unbekannte Mädchen sanft. Sie wippt den Ast leicht hin und her. Das Rehkitz beobachtet sie neugierig, während seine Mutter es noch immer putzt. Es ist interessant, dass die Mutter in ihr keine Gefahr zu sehen scheint. Mucksmäuschen still beobachten wir, wie das Rehkitz nach einigen weiteren Minuten das erste Mal versucht aufzustehen. Bevor es seine kleinen, wackeligen Beine ganz durchstrecken kann, bricht es wieder zusammen. Es gibt einen Laut von sich, der wahrscheinlich seiner Verzweiflung Ausdruck verleihen soll. "Nicht schlecht. Probier es nochmal!", kichert das Mädchen und wedelt wieder mit dem Ast, um das das Kleine zu motivieren. Das Jungtier versucht es noch einige weitere Male mit etwas Hilfe seiner Mutter. Als es sicher stehen kann, versucht es zu dem Eichenast zu gehen, bricht aber nach zwei Schritten wieder zusammen. Selbst wir müssen uns ein Lachen verkneifen, um nicht bemerkt zu werden. Aber es ist einfach süß, wie tollpatschig und schwach das Kleine zu sein scheint. Wiederum einige Versuche später, funktioniert auch das wackelige Laufen. Wieder gibt das Rehkitz einen Laut von sich, als es endlich den Ast erreicht hat und neugierig an den Blättern zieht. "Sehr gut!", lobt sie es, auch wenn es sie natürlich nicht versteht. Langsam frisst das Kleine alle Blätter ab. Als keine mehr übrig sind, trottret es wieder zurück zu seiner Mutter. Mit einem zufriedenen Lächeln erhebt sich das Mädchen und verschwindet auf einem Pfad zwischen den Bäumen.

Wir starren ihr kurz hinterher, bis wir uns schließlich hinter den Büschen an den Rehen vorbei schleichen und ihr folgen. "Hey, warte mal", rufe ich, als ich sie wieder in unser Blickfeld kommt. Doch sie reagierte nicht. Wir erhöhen unser Tempo zu einem leichten Joggen, um sie schneller einzuholen. Sie scheint nicht wieder wegzurennen. Schlussendlich holen wir sie auf einer Lichtung ein. Warte mal... Das ist die Lichtung, auf welcher Sam und Emily's Haus steht und tatsächlich erblicken wir jenes rechts von uns. In der Mitte der Lichtung bleibt sie stehen und drehte sich zu uns um. Sie lächelt uns an. Ihr Lächeln ist wirklich süß.

Wir gehen langsam auf sie zu. Wenig vor ihr kommen wir zum stehen. Keiner sagt etwas, bis ich die Stille nicht mehr aushalte und frage: "Wer bist du?" Sie antwortet lächelnd: "Mein Name ist Hedda!" Hedda, was für ein wundervoller Name. Sam stellt uns vor: "Mein Name ist Sam und das sind Leah, Paul, Embry, Quil, Jared, Brady, Collin, Seth und Jacob." Er zeigte auf jeden einzelnen von uns und sie mustert jeden von uns kurz. Nur bei Jacob bleibt ihr Blick etwas länger hängen. Als sich ihr Blick wieder zu Sam wendet, sagt sie: "Freut mich euch kennenzulernen!" - "Was machst du hier?", fragt Paul nun. In ihre Augen blitzt kurz etwas auf, aber es ist so schnell wieder verschwunden, dass ich es mir auch nur eingebildet haben könnte. Schnell setzt sie das kurz vergangene Lächeln wieder auf. Sie räuspert sich: "Es ist eine lange Geschichte. Man könnte sagen, ich bin auf der Flucht." Sie lächelt zwar, aber es erreicht nicht ihre Augen. Leah hakt mit mitfühlender Stimme nach: "Erzählst du sie uns?" - "Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist. Ich möchte niemanden in irgendwas mit rein ziehen", sagt sie zögernd. Die anderen reden etwas auf sie ein, es uns doch zu erzählen. Plötzlich dreht sich ihr Blick misstrauisch zu unserer linken.  Verwirrt tun wir es ihr gleich und mustern den Busch, in welchen sie versucht, mit ihren Blicken Löcher zu brennen. Im Busch bewegt sich etwas und plötzlich springt ein Junge auf, dreht sich um, verwandelte sich in einen Wolf und läuft davon.

"Wer ist das gewesen und was wollte er hier?", fragt Sam irritiert. Wir sind noch nie anderen Wölfen begegnet. Gestaltwandler gibt es ja auch nicht, wie Sand am Meer... Plötzlich rennt Hedda los, dem Fremden hinterher. Bevor sie zwischen den Bäumen verschwindet, verwandelt sie sich allerdings in einen schneeweißen Wolf. Warte, was?

Geschockt von unserer neuen Entdeckung blicken wir ihr hinterher. "Wie schon gesagt, hast ne gute Wahl getroffen, was das prägen angeht. Aber wir sollten ihr definitiv hinterher. Das sollte eine interessante Show werden.", sagt Paul freudig grinsend. Für einen guten Kampf ist er immer zu haben. Wir verwandeln uns und laufen ihnen hinterher.

Hedda P.O.V.

Ich habe den Eindringling fast eingeholt. Er ist schnell, aber ich bin schneller. Das sind die Weibchen meistens, da wir einfach schlanker gebaut sind verglichen mit den teilweise schrankartigen Männchen. Als ich nah genug dran bin, springe ich auf ihn. Wir gehen zu Boden und ringen miteinander, versuchen gegenseitig den anderen zu beißen. Ich stoße ihn mit meinen Beinen von mir runter und verwandele mich zurück, glücklich darüber, dass ich etwas an habe. "Was tust du hier?!", fauche ich ihn an. Auch er verwandelt sich schweratmend zurück. Ich ignoriere seinen entblößten Körper so gut es geht. "Was glaubst du, was ich hier tue? Dachtest du wirklich, dass du einfach weg laufen kannst?", er lacht spöttisch auf. "Sie werden dich nie gehen lassen und sie werden keine Ruhe geben, bis sie dich wieder haben.", er sieht sie amüsiert an. Wie krank kann man sein, so etwas witzig zu finden?

"Sag ihnen, sie können bleiben wo der Pfeffer wächst. Ich werde nie freiwillig mit euch zurück kommen!", fauche ich. Er sieht mich herausfordernd an. Wieder gehen wir aufeinander los, dieses Mal in Menschenform. Gerade als ich die Oberhand erlange, brechen weitere Wölfe aus dem Wald heraus. Die eine Sekunde Ablenkung reicht jedoch aus, damit er mir einen gezielten Tritt verpassen kann. Ich fliege im hohen Bogen nach hinten und treffe nicht gerade sanft auf dem Boden auf. Das Arschloch verliert keine Zeit, verwandelt sich und verschwindet von hier. Die anderen kommen zu mir stupsen mich vorsichtig an. Murrend setze ich mich auf. "Mir geht's gut, keine Sorge.", murmel ich. "Lasst uns zurück gehen.", sage ich mit einem letzten Blick in die Richtung, in die er verschwunden ist. Ich verwandele mich wieder in einen Wolf. Im gemächlichen Tempo kehren wir zurück zu der Lichtung mit dem kleinen, süßen Häuschen. Wir verwandeln uns hinter Bäumen zurück und stoßen wieder vor dem Haus aufeinander.

Es herrscht eine bedrückende Stille. "Hey, wir machen heute Abend ein Lagerfeuer unten am Strand. Komm doch auch! Dann kannst du uns dort deine Geschichte erzählen und was es mit dem fremden Wolf auf sich hatte. Jake's Vater erzählt auch Legenden unseres Stammes und es gibt etwas zu essen?", bricht überraschenderweise Leah die Stille. Ich überlegt kurz. Ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, noch länger hier zu bleiben. Sie wissen, wo ich bin. Aber ich habe auch schon seit einigen Tagen nichts Richtiges mehr gegessen. Sich von Beeren und gejagtem Fleisch zu ernähren, ist nicht gerade sättigend. Ich könnte in der Nacht immer noch einige Stunden weiterziehen...

Ich stimme also zu, zu kommen. Bis dahin, vertreiben wir uns die Zeit auf Sam und Emilys Terrasse. Emily ist wirklich nett und wir verstehen uns sehr gut, auch wenn mich ihre Narben kurz erschrocken haben. Es dämmert bereits, als wir zum Strand aufbrechen. Dort werde ich Billy, Jakes Vater, Sue, Leah und Seths Mutter und Old Quil, Quils Opa, vorgestellt. Sie sind alle sehr warmherzig und offen. Billy erzählt viele Legenden von Werwölfen und Vampiren. Als er seine letzte Geschichte beendet, richten sich die Blicke gespannt auf mich. "Was ist?", frage ich verwirrt in die Stille. "Jetzt würden wir gerne deine Geschichte hören", antwortet Embry neugierig. Ach stimmt, da war ja was. Ich nicke und atme tief durch, ehe ich beginne zu erzählen: "Also es fing alles vor ein paar Monaten an. Ich...

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Überarbeitet am: 17.12.2020

THE WHITE WOLFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt