Mysteriöses Mädchen

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Sam P.o.V.

Am nächsten Morgen ist ausnahmsweise das ganze Rudel gemeinsam auf Patrouille, um die Grenze schneller abzulaufen. Es ist ruhig im Wald, bis ich überraschenderweise jemanden summen höre. Es ist nur ganz schwach, trotz meines starken Gehöres. Ich mache die anderen darauf aufmerksam. Neugierig  nähern wir uns der Richtung, aus der das Summen kommt. 'Wahrscheinlich hat sich ein Wanderer verirrt. In diesen Teil des Waldes kommen eigentlich nie Menschen und Vampire hätten wir schon längst gerochen', schallt Jakes Stimme in unseren Gedanken und die anderen nicken zustimmend. Ich antworte: 'Ich weiß es nicht. Aber wir werden es raus finden.' Das Summen wird lauter, desto näher wir kommen. Wir verstecken uns hinter ein paar Büschen. Wir schauen uns um, bis wir schlussendlich ein Mädchen entdecken.  Sie sitzt auf einem Baum und summte vor sich hin. Sie hat dunkel braune Haare die zu einem Zopf gebunden sind. Ihr Gesicht können wir nicht sehen, da sie uns den Rücken zugekehrt hat. Sie trägt einen kakifarbenen gecropeden Hoodie, eine schwarze Sportleggins und dazu eine paar schwarze Converse. 'Fragen wir, was sie hier will und wer sie ist' , teile ich den anderen über Gedanken mit. Wir verwandeln uns hinter verschiedenen Bäumen wieder in Menschen und versammeln uns vor dem Baum, auf welchem sie sitzt. Sie scheint uns noch nicht bemerkt zu haben. "Hey, wer bist du und was machst du hier?", ruft Embry ihr zu.

Seth P.o.V.

"Hey, wer bist du und was machst du hier?", ruft Embry ihr zu. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor. Andererseits bin ich mir auch sicher, sie noch nie zuvor gesehen zu haben. Sie seufzte und sieht zu uns runter. Dann steht sie auf. Sie ruft uns zu: "Bin ja schon weg!" Sie balanciert mit Leichtigkeit den Ast entlang. Wir tauschen bloß irritierte Blicke und Jake ruft: "So war das nicht gemeint." "So hab ich es aber verstanden!", ruft sie zurück. Die letzten zwei Meter rennt sie den Ast entlang. Am Ende springt sie ab, machte einen Salto und stößt sich dann am Nachbarbaum wieder ab. Sie schwingt sich wie ein Äffchen durch den Wald. In mir steigt eine unerklärlich große Panik auf. Sie könnte sich ernsthaft verletzen. "Wir sollten ihr hinter her. Nicht auszudenken, was ihr alles passieren könnte!", sage ich schließlich mit panischer Stimme. Die anderen sehen mich etwas verwundert an, nicken dann aber. Wir rennen ihr hinter her. Natürlich nur auf zwei Beinen, da wir uns schlecht vor ihr verwandeln können. Sie würde dann mit Sicherheit Angst bekommen und erst Recht weglaufen. Sie ist ganz schön schnell und wir haben doch etwas zu tun, mit ihr Schritt zu halten und gleichzeitig nicht gegen einen Baum zu krachen.

Sie springt weiter von Baum zu Baum. Aber wenn sie nicht bald anhält, würde sie runter fallen. Sie nähert sich geradewegs einer kleinen Lichtung. Folglich gibt es keine weiteren Bäume zum drauf springen. Paul ruft: "Halt an! Sonst fällst du hinten runter!" Sie schaut kurz zu uns runter. Überraschenderweise scheint sie kaum außer Atem zu sein. Sie ignoriert uns und bremst auch nicht ab. "Los wir müssen sie am Ende auffangen!", sagt Sam. Wir beschleunigen unser Tempo und kommen gerade noch vor ihr an, bereit sie aufzufangen. Doch als sie auf dem vorletzten Baum ankommt, springt sie ab und greift nach einem langen, dünnen, biegsamen Ast. Sie schwingt an ihm wie Tarzan. Als sie so weit wie möglich in die Lichtung geschwungen ist, lässt sie los. Wieder macht sie einen Salto und landet dann auf einem Vorsprung der Felswand auf der anderen Seite der Lichtung. Erstarrt und irritiert sehen wir zu ihr. Dennoch atme ich erleichtert aus, genau wie die anderen. Sie scheint unversehrt zu sein.

Sie dreht sich noch einmal zu uns um und sieht uns eine ganze Weile einfach nur an. Wir rühren uns nicht und starren zurück. Doch dann dreht sie sich um und verschwindet aus unserem Sichtfeld. "Was war das denn?", fragt Quil noch immer sichtlich verwirrt von der Situation. Wir zucken alle nur mit den Schultern. Dann fragt Embry mich: "Was war eigentlich gerade mit dir los? Du bist überraschend besorgt gewesen. Also, so richtig besorgt." Alle sehen mich fragend an. Ich antworte: "Ich... ich weiß es nicht. Ich hatte das Gefühl sie schon mal irgendwo gesehen zu haben. Sie hat mein Beschützerinstinkt geweckt." Jacob nickt verstehend: "Ja, mir auch." Wir machen uns auf den Heimweg und diskutieren weiter über das mysteriöse Mädchen.

Jacob P.O.V.

"Ja, mir auch", stimme ich Seth zu. Sie erinnert mich an irgendwen, aber an wen? Es liegt mir auf der Zunge. Ich überlege die ganze Zeit, komme aber nicht darauf. Ihre Haare und diese Gesichtszüge. Wer ist sie? Was will sie hier? Und vor allem, wieso kommt sie mir so bekannt vor?

Seth P.o.V.

"Sie muss ganz schön stark sein, wenn sie sich einfach mal so von Baum zu Baum schwingt. Auf den ersten Blick würde man es auf jeden Fall nicht denken.", merkt Jared an. Embry fügt hinzu:" Und sie ist schnell. Dazu auch noch echt hübsch." Er kassiert von Leah einen Schlag auf den Hinterkopf. Wir anderen lachen ihn dafür nur aus. Aus einem mir unbekannten Grund verspüre ich auch den Drang ihn zu schlagen, als er sie hübsch nennt. "Alles okay bei dir?", fragt Leah mich besorgt. Sie hat wohl bemerkt, wie sich mein Körper angespannt hat. Augenblicklich  entspanne ich mich wieder und antworte: "Ja, klar. Alles super." Ich lächel sie an und sie belässt es zum Glück dabei. In meinem Kopf ist allerdings gar nichts ok! Warum habe ich mich in ihrer Nähe so komisch gefühlt? Ich bin doch schon auf meine geliebte weiße Wölfin mit den klaren blauen Augen geprägt. Bei dem Gedanken an sie muss ich sofort lächeln. Doch es vergeht genau so schnell, wie es gekommen ist, wenn ich daran denke, dass ich sie fort ist.

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Überarbeitet: 25.09.2020

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