Das Lagerfeuer

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"Also, es fing alles vor ein paar Monaten an. Ich habe bei meinem Vater, meinem Bruder und unserem Rudel in Minnesota gelebt. Mein Vater ist der Leitwolf. Wir sind eigentlich immer eine glückliche Familie gewesen. Allerdings ist mir schon früh aufgefallen, dass ich... anders bin, als die anderen. Ich kann es nicht wirklich beschreiben. Die anderen Rudelmitglieder haben mich eher gemieden und desto älter ich wurde, desto mehr fielen mir auch die rein äußerlichen Unterschiede zwischen mir und meiner Familie auf. Mein Vater und Bruder haben beide sehr hellblondes Haar, ich braunes. Sie haben eine recht helle Hautfarbe, ich eher eine bronzefarbene. Sie haben blaue Augen, ich braune. Irgendwann habe ich mein Vater gefragt, wie das sein kann. Man muss ja nicht zwingend alle äußerlichen Merkmale seiner Eltern erben, aber ich habe ja gar nichts bekommen, wie es schien. Mein Bruder und ich sehen aus wie Tag und Nacht nebeneinander. Mein Vater hat es nur abgewinkt und gesagt, ich solle so einen Unsinn nicht fragen. Natürlich wäre ich seine Tochter und ich habe mein Aussehen von meiner Mutter geerbt. Sie sei bei meiner Geburt verstorben.
Es hat mit einfach keine Ruhe gelassen. Ich hatte einfach dieses... dieses Gefühl, dass da mehr ist, als mein Vater mir glauben machen will. Also habe ich selbst etwas nachgeforscht. Im Büro meines Vaters habe ich ein Buch mit dem Stammbaum meiner Familie gefunden. Aber in diesem bin ich gar nicht verzeichnet gewesen. Ich bin sicher, dass das Buch uptodate ist, da einige meiner jüngeren Cousins auch drinnen stehen. Ich habe nie ein Bild meiner Mutter gesehen. Mein Vater und Bruder meinten, sie hätten alle Bilder entfernt, da es für sie eine schmerzhafte Erinnerung ist. Doch beim Stammbaum war ein Bild von ihr. Sie war wirklich bildhübsch, aber auch sie ist äußerlich, das komplette Gegenteil von mir gewesen und was noch viel wichtiger ist, in dem Buch ist vermerkt, dass sie bereits zwei Jahr vor meiner Geburt verstorben ist. Spätestens da wusste ich, dass etwas gewaltig nicht stimmt. Leider hat mich mein Bruder Andy im Büro erwischt. Da hat er mich zum ersten Mal zusammengeschlagen und ab da immer öfter, wann immer ich in seinen Augen, etwas falsch gemacht habe. Er sagte, dass ich mir das selbst zuzuschreiben und nicht anders verdient hätte. Irgendwann habe ich den Mut aufgebracht, zu meinem Vater zu gehen und ihm von Andys Taten zu erzählen. Doch anstatt mir zu helfen, befürwortete er Andys Verhalten. Ich machte es noch einige Wochen mit. Ich war verzweifelt. Sie sind doch meine Familie gewesen oder zumindest haben sie mich großgezogen. Aber dann bin ich zu dem Punkt gelangt, wo ich es einfach nicht mehr ausgehalten habe. Ich verkündete meinem Vater, dass ich das Rudel verlassen würde. Sagen wir, er hat es nicht sonderlich gut aufgenommen. Er ist dieses Mal derjenige, der mich zusammengeschlagen hat. Ich solle nie wieder so etwas sagen und ich würde für immer dortbleiben, schrie er, während er auf mich einprügelte. Ich habe ihn nicht wiedererkannt.
Noch in derselben Nacht bin ich abgehauen. Das ist jetzt ungefähr sechs Wochen her. Seitdem bin ich quasi auf der Flucht. Ich weiß, dass sie mich suchen. Einige Male hätten sie mich sogar fast gefunden. Ich bin ihnen nur knapp entwischt. Ich bleibe meist nur wenige Tage, eine Woche maximal, in der gleichen Gegend, bevor ich weiterziehe. Euer Reservat ist auch nur eines meiner Durchzugsgebiete. Als ich noch ein Kind gewesen bin, haben wir öfter hier in der Nähe Urlaub gemacht. Mein Vater besitzt eine kleine Hütte etwa 15 km südlich von hier. Als Wolf ist sie gut zu erreichen. Dort habe ich Unterschlupf gefunden. Ihr seid tatsächlich die ersten Wölfe, die mir auf meiner Reise begegnen und der Wolf von früher heute... Er ist ein Mitglied meines alten Rudels. Sie wissen wo ich bin, darum muss ich auch heute Nacht noch weiterziehen", beende ich meine Geschichte. Sie haben mich nicht einmal unterbrochen und auch jetzt herrscht weiterhin Stille. Doch Jake bricht sie: "Aber, wo ist dann deine richtige Familie? Hast du irgendwelche Anhaltspunkte?" Ich zucke nur unwissend mit den Schultern. Ich habe im Büro meines vermeintlichen Vaters nichts darüber gefunden. Ich bemerke, wie angespannt Seth neben mir ist. Ich schenke ihm ein beruhigendes Lächeln und er entspannt sich tatsächlich langsam wieder, bis er mir auch ein kleines Lächeln zeigt.

Seth P.O.V.

Ich werde immer wütender, je mehr sie erzählt. Wie können diese Leute es nur wagen, meinem Wölfchen so etwas  antun. Sie hat so viel Besseres verdient! Ich werde nicht zulassen, dass sie nochmal so etwas erleben muss! Mein ganzer Körper spannt sich automatisch an. Hedda scheint es bemerkt zu haben, denn sie schenkt mir ein Lächeln, dass mich dahin schmelzen lässt. Ich beruhige mich wieder und lächle zurück. Ich würde sie beschützen!

Hedda P.O.V.

"Was wäre, wenn du dich unserem Rudel anschließt? Wir könnten dich bestimmt beschützen", äußert Leah ihre Gedanken laut. Ich schaue sie überrascht an, sowie die meisten der Jungs. "Ist das euer Ernst?", frage ich irritiert. Das ist das letzte, mit dem ich gerechnet habe. Sie lächelt und nickt, ebenso die anderen. "Also, ich weiß nicht. Ich möchte euch wirklich nicht in diese Sache mit reinziehen", sage ich zögerlich. Das Reservat ist sehr schön, perfekt für Wölfe und die Leute sind auch alle wirklich sehr nett, aber ich möchte nicht, dass sie sich meinetwegen in Gefahr begeben. "Schlaf doch einfach eine Nacht drüber und dann sehen wir morgen weiter", sagt Seth dann. Doch ich schüttle meinen Kopf. "Ich muss heute Nacht unbedingt weiter. Desto länger ich bleibe, desto höher ist die Chance, dass sie mich finden.", erkläre ich mit einem traurigen Lächeln. Ich wäre gerne noch länger hiergeblieben. Doch Emily protestiert: "Du solltest diese Nacht noch hierbleiben. Du kannst auch in unserem Gästezimmer schlafen, wenn du dich dann sicherer fühlst. Dein Rudel wird bestimmt nicht angreifen, wenn du bei Fremden übernachtest. Das wäre zu auffällig. Außerdem sind die Jungs sofort zur Stelle, wenn doch etwas passieren sollte!" Ich sehe sie überlegend an, lehne dann aber doch ab: "Danke, aber das kann ich nicht annehmen. Ich komme schon klar." Ich lächle sie beruhigend an, doch davon möchte sie wohl nichts hören. "Keine Wiederrede, du schläfst diese Nacht hier! Ich werde es nicht verantworten, dass du bei Nacht alleine durch die Wälder schleichst", sagt Emily ohne Raum für Widerspruch.  Ich gebe also seufzend nach und stimme zu für die Nacht noch zu bleiben.
Wir bleiben noch etwa eine Stunde am Strand, ehe Emily und ich uns bereits auf dem Weg zu ihrem kleinen Haus machen. Wir verstehen uns wirklich gut und lachen viel miteinander. Die Jungs werden später nachkommen. Sie stellen sicher, dass das Feuer aus ist und räumen noch etwas auf.  Am Haus angekommen, zeigt Emily besagtes Gästezimmer und wir wünschen uns gegenseitig eine gute Nacht. Das Zimmer ist klein, aber gemütlich eingerichtet. Ich stelle mich ans Fenster und beobachtete die Sterne noch ein bisschen.

Seth P.O.V.

Hedda und Emily sind schon mal vor gegangen. Es ist schon ziemlich spät geworden. "Du solltest es ihr sagen, heute, jetzt!", sagt Leah plötzlich, während sie einiges an Müll zusammensammelt. Meine Schwester ist heute ungewöhnlich gesprächig. Ich frage unsicher: "Meinst du? Was ist, wenn sie nicht so für mich empfindet, wie ich für sie?" - "Du bist auf sie geprägt, das wird schon!", versucht Sam mir Mut zu machen. Ich seufze, stehe auf und mache mich auf den Weg zu Sam's Hause. Dort angekommen, frage ich Emily direkt, wo Hedda ist. Dann gehe ich hoch zu dem kleinen Gästezimmer. Ich klopfe und gehe rein, nachdem sie mir die Erlaubnis gibt. Sie steht am Fenster und beobachtet den Sternenhimmel. Sie dreht sich um und wirkt überrascht, mich zu sehen. "Können wir reden?", frage ich vorsichtig. Sie setzt sich lächelnd auf das Bett und klopft auf den Platz neben sich. Ich komme ihrer Aufforderung nach. "Also, was gibt's?", fragt sie neugierig. Sie ist so süß! "Äh... Ich weiß nicht wirklich, wie ich dir das sagen soll... ich... ähm... Naja, ich habe mich auf dich geprägt", stottere ich los und komme irgendwann aber doch noch zum Punkt. Ich nehme ihre Hand in meine und fahre fort: "Hedda, ich liebe dich, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Ich kann mir eine Zukunft ohne dich nicht mehr vorstellen." Hedda schaut mich überrascht, vielleicht auch geschockt an und scheint nachzudenken. Ich lasse ihr alle Zeit, die sie braucht, um es sacken zu lassen. Nach einer Weile beugt sie sich plötzlich vor. Sie drückt mir einen sanften Kuss auf die Wange und ich sehe sie hoffnungsvoll an. "Ich kann deine Worte leider noch nicht erwidern. Aber, ich würde dich gerne näher kennenlernen und denke, dass ich mich dann wahrscheinlich auch dich verlieben werde.", sagt sie mit einem entschuldigenden Lächeln. Aber ich freue mich einfach nur riesig. Sie möchte uns eine Chance geben! "Das ist kein Problem. Nimm dir alle Zeit der Welt. Ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen!", sage ich mit einem breiten, glücklichen Grinsen auf den Lippen, was sie erwidert.
"Ich möchte dich wirklich nicht rauswerfen, aber ich bin verdammt müde. Es war ein langer Tag.", sagt sie mit einem Gähnen und ich nicke verstehend. Zum Abschied umarmen wir uns und ich vergesse fast, sie wieder los zu lassen. Fröhlich tanze ich schon fast auf dem Weg nach Hause. Endlich habe ich mein Wölfchen gefunden und ich werde sie nie mehr gehen lassen.

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Überarbeitet am: 30.12.2020

THE WHITE WOLFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt