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Ich erwache, weil sich neben mir jemand bewegt. Es ist Paige. Verschlafen lächelt sie mich an.

"Hey, gut geschlafen?", fragt sie und drückt mir einen schnellen Kuss auf die Wange. Obwohl ich es mir streng verbiete, stelle ich mir vor es wären Kikis Lippen, die sanft meine Wange berühren. Wohlig seufze ich und befreie mich aus meinem Schlafsack. Die Sonne geht gerade erst auf, es ist also noch recht früh.

Als ich einen Blick aus dem Zelt werfe, sehe ich Kiki, wie sie vor dem plätschernden Bach steht und sich die Zähne putzt. Ich sauge diesen Anblick in mich auf. Wie sie dort steht, in einem blauen Sommerkleid, vor dem türkisblauen Wasser. Sie sieht fast aus, als wäre sie aus einem Märchen entsprungen. So wunderschön.

"Guten Morgen", lächel ich und Geselle mich zu ihr.

Sie nickt mir kurz zu, da sie den Mund voller Zahnpasta hat. In unseren eigenen Gedanken versunken starren wir aufs Wasser. Das Wasser fließt in gemächlichem Tempo an uns vorbei, ab und zu schießt ein kleiner Schwarm Fische vorbei.

"Gut geschlafen?", fragt Kiki und spritzt sich etwas Wasser ins Gesicht.

"Ja und du?"

Sie nickt und blickt sehnsuchtsvoll zurück zum Zelt. Genau in dem Moment klettert Jack heraus und läuft so lässig wie eh und je auf uns zu. Instinktiv rücke ich ein Stück näher, als könnte ich nur mit dieser kleinen Geste signalisieren, dass er weg von ihr bleiben soll. Doch ihm fällt es nicht einmal auf. Er küsst sie hart auf den Mund und würdigt mich keines Blickes. Besser so, sonst würde er womöglich an dem Hass in meinem Blick ersticken.
Wütend stapfe ich davon und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bringen. Ich darf so nicht fühlen! Damit mache ich alles nur noch schlimmer!

"Na, hast du meine Schwester ordentlich gefickt?", lacht Blaire, die mit einem Stock in den Überresten des Feuers herumstochert. Sie bekommt keine Antwort von mir, da ich vor Wut jetzt schon schäume.

"Sind sie nicht süß?", schwärmt Paige und deutet in Jacks Richtung. Ohne zu überlegen drehe ich mich um und sehe wie er Kiki leidenschaftlich auf den Mund küsst und seine Hände auf ihren Hintern legt. Die Wut verpufft und wird von maßlosem Entsetzen vertrieben. Es sieht nicht süß aus, es sieht FALSCH aus. So unglaublich falsch und entsetzlich.
Bin ich denn der Einzige der das sieht? Vielleicht, aber mit Sicherheit bin ich der einzige den es kümmert das es falsch aussieht.

Nach wenigen Minuten, nachdem sich alle frisch gemacht und pinkeln gegangen sind, sitzen wir alle zusammen beim Frühstück. Kiki und Jack teilen sich ein Croissant und ich zähle jedes Mal mit, wenn sich ihre Lippen erneut beabsichtigt oder unbeabsichtigt berühren. Hilflos zähle ich weiter, immer weiter und mit jeder Zahl wird der Schmerz und die Hilflosigkeit noch größer.

Als dieses beschissene Croissant endlich aufgegessen ist, sieht mich Jack an. Er entblößt seine perfekten weißen Zähne, die für mich wie messerscharfe Rasierklingen aussehen und belächelt mich von oben herab. Dabei streicht er mit voller Absicht über Kikis Hüfte, immer weiter nach oben. Ich verspanne mich mit jedem Zentimeter mehr, bis ich meine zerplatzen zu müssen, als er bei ihren Brüsten ankommt. Er grinst mir noch ein letztes Mal ins Gesicht, bevor er seine Hand endlich von ihr nimmt und ich endlich wieder Luft schnappen kann.

Wir brechen den Blickkontakt keine Millisekunde ab. Ich kann sogar mit Sicherheit sagen, dass keiner von uns beiden auch nur einmal blinzelt. Doch keinem der Mädchen scheint aufzufallen, wie geladen die Luft ist, wie es vor Anspannung schon heftig knistert. Sie unterhalten sich ohne zu bemerken, wie dünn die Luft auf einmal ist.

"Jungs, kommt ihr?", ruft Kiki und winkt uns von den Autos aus zu. Jack wendet den Blick endlich ab und meine Muskeln hören auf vor Spannung zu zucken.

Wir verabschieden uns und ich halte Kiki länger als nötig im Arm. Vielleicht um Jack ein klein wenig von dem Schmerz fühlen zu lassen, den ich den ganzen gestrigen Tag fühlen durfte. Oder vielleicht doch nur, weil Kiki die einzige ist, die diesen Schmerz in meiner Brust mit einer ihrer Umarmungen etwas lindern kann. Oder vielleicht auch wegen Beidem.

"Es war echt schön. Müssen wir wiederholen.", flüstert mir Paige ins Ohr und streicht mir mit oder ohne Absicht kurz über den Oberarm. Ich nicke und zwinkere ihr zu, um meinen verbissenen Gesichtsausdruck etwas verbergen zu können.

Als ich endlich zu Hause im Bett liege und aus dem Fenster auf die Fassade von Kikis Haua starre, komme ich endlich zur Ruhe. Dieses Haus, dass mir so vertraut ist wie mein eigenes, dieses Haus in dem ich als Kind jeden Tag gespielt und gelacht habe, dieses Haus, dass für mich wie ein zweites Zuhause scheint, dieses Haus, dass mich beruhigt. Doch gleichzeitig ist es das Haus, indem das Mädchen lebt, dass ich begehre, aber nicht begehren darf, das Haus, in dem das Mädchen lebt, dass mein Herz besitzt, doch ihr Herz einem anderen gehört, das Haus indem das Mädchen lebt, dass mir seelische Quälen zufügt und es nicht einmal weiß.

Mit Tränen in den Augen wende ich mich ab. Neben meinem Bett steht eine Schüssel mit Obst, die mir meine Mum vor wenigen Minuten ins Zimmer gestellt hat. Neben den Äpfeln und Birnen liegen Himbeeren, große rote Himbeeren. Sofort katapultiert es mich 10 Jahre zurück, zu dem Tag als ich mit Kiki im Baumhaus kauerte und solche Himbeeren zwischen meinen Händen zerdrückte.

"Beste Freunde für immer, ich verspreche es", wiederhole ich die Worte von damals mit zitternder Stimme und kann nicht verhindern, dass mir eine einzelne heiße Träne über die Wange tropft und auf das Kissen tropft, indem vorgestern noch Kiki ihr Gesicht vergraben hatte. Ich vergrabe mein Gesicht auch tief in dem Stoff und sauge den Geruch in mich auf. Ihr Duft ist mir mehr als vertraut und sofort beruhige ich mich etwas. Fast meine ich, ihre zärtliche Berührungen zu spüren, ihre weichen Lippen auf meiner Schläfe und ihre kleinen Hände in meinem Haar.

Und mit dieser Vorstellung schlafe ich ein und nehme mir fest vor, von den selben Berührungen zu träumen...

Bad Romeo and broken JuliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt