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Als alle fertig sind, startet der zweite Durchgang. Wir brauchen immer noch einen Ersatz Romeo und eine Ersatz Julia. Kiki hat wunderbar für die Julia gespielt nur Jack hat nicht den Hauch eines Gefühls gezeigt und Kiki die Chance ordentlich vermasselt.

"Sollen wir Ty?"

Ob wir.. da fragt sie noch? Noch bevor sie noch etwas sagen kann, nicke ich. Ohne es zu wollen werfe ich Jack einen hasserfüllten Blick zu, den er trotzig erwidert. Ich werde ihm zeigen, wie man das wunderbarste Mädchen auf diesem Planeten richtig küsst!

Mit festen Schritten betrete ich nach Kiki die Bühne. Ein Blick in ihre Augen genügt, um alles um mich herum zu vergessen und mich ganz in ihnen zu verlieren. Gefühle, die ich tief in meinem Inneren unterdrückt hatte, sprudeln mit jedem Wort weiter an die Oberfläche. Es scheint als wäre eine Schleuse in mir zerbrochen und nun werde ich von Gefühlen überschwemmt und getragen. Mein Innerstes zieht sich zusammen und ich merke, wie ich erweiche. Unter ihren Worten spüre ich eine Sehnsucht, eine Sehnsucht die ich nicht verstehe. Es scheint als erleide sie schrecklichen Qualen, von denen sie niemand befreien kann. Ich höre es in der Art und Weiße wie sie spricht, wie sie mich ansieht und wie ihre Pupillen sich weiten. Mein Gott, ich begehre sie so gnadenlos, dass ich dazu bestimmt bin, verdammt zu sein. Ich lege es darauf an, mir das Herz brechen zu lassen, doch wenn ich das muss, um für immer in diese leuchtenden Augen zu sehen, in denen ich immer den Sternensee erkenne, dann darf sie mir mein Herz so oft brechen wie sie möchte. Und ich werde mit schmerzverzerrtem Gesicht zusehen, mir einbilden wie die Sterne in ihren Augen nur für mich leuchten und für niemand anders.
Ich bin so in meine Rolle vertieft, dass ich nicht merke, wie die Mädchen anfangen zu weinen, als wir zu der berührensten Stelle des Stücks kommen.

JULIETTE.
Und was für eine Befriedigung kanst du noch verlangen?
ROMEO.
Die Auswechslung des Gelübds deiner treuen Liebe gegen das Meinige.
JULIETTE.
Das that ich schon, eh du mich darum batest, und ich wollte lieber ich hätt' es nicht gethan.
ROMEO.
Möchtest du dein Herz wieder zurüknehmen? Warum das, meine Liebe?
JULIETTE.
Nur damit ich dir's noch einmal geben könnte - - und doch, was wünsch' ich mir damit, als was ich schon habe? Meine Zärtlichkeit ist so grenzenlos als die See, meine Liebe so tief; je mehr ich dir gebe, je mehr ich habe, denn beyde sind unerschöpflich - - Ich höre ein Getöse - - Lebe wohl, mein Geliebter - -

Ihre Worte sind wie kühles Wasser, dass meine blutenden Wunden reinigt. Sie betäubt den allmächtigen Schmerz in mir, weil ich mir so sehr einbilde, das hier wäre echt. Das jedes gesagte Wort die absolute Wahrheit ist, dass sie jedes Wort genauso meint wie sie es sagt. Mit der gleichen Leidenschaft und der gleichen atemberaubenden Sehnsucht. Doch es ist nur ein Theaterstück, eine Möglichkeit, Gefühle zu zeigen, die nicht existieren. Doch wie sehr wünsche ich mir ich wäre wirklich Romeo, der diese bezirzenden Worte von seiner Julia hört. Wie sehr würde ich mir wünschen, es wäre mehr als nur ein Theaterstück. Ich würde dafür sogar den Ausgang des Stücks in Kauf nehmen. Den Tod...

Wir meistern jede Stlle, betonen jedes noch so kleine Wort und es fließen mehr und mehr Tränen. Sogar die ersten Jungs wenden ihre Köpfe ab, um nicht schwach werden zu können, denn sogar ich vergieße eine kleine Träne als Julia die nächsten Worte spricht. Vielleicht weil es Kiki ist die diese Worte zu mir sagt, oder vielleicht weil ich mir so sehr wünsche, dass die gesagten Worte echt seien. Oder alles Beide...

ROMEO
Ach, willst du lassen mich so ungetröstet?

JULIA
Welch Tröstung kannst du diese Nacht begehren?

ROMEO
Gib deinen treuen Liebesschwur für meinen!

JULIA
Ich gab ihn dir, eh du darum gefleht;
Und doch, ich wollt, er stünde noch zu geben.

ROMEO
Wolltst du mir ihn entziehn? Wozu das, Liebe?

JULIA
Um unverstellt ihn dir zurückzugeben.
Allein ich wünsche, was ich habe, nur.
So grenzenlos ist meine Huld, die Liebe
So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe,
Je mehr auch hab ich: beides ist unendlich.
Ich hör im Haus Geräusch; leb wohl. Geliebter!
Gleich, Amme! Holder Montague, sei treu!

Und dann ertönt die Schulglocke und alle Schüler reißen die weit aufstehen den Augen noch weiter auf.

"Vergesst was ich gesagt habe Kinder, hier seht ihr euren Romeo und eure Julia. Herzlichen Glückwunsch ihr Beiden, das war eine Glanzleistung, wirklich exzellent!"

Kiki wischt sich die Tränen aus dem Augenwinkel und sieht zu Boden. Doch ihr Blick umhüllt mich immer noch wie eine wärmende Decke, wie eine trostspendende Kuscheldecke...

"Respekt, du Lusche. Wer hätte gedacht das du noch eine Stufe absteigen kannst.", flüstert mir Jack ins Ohr und geht lachend mit Kiki nach draußen. Doch bevor sie zur Tür hinaus gehen, wendet Kiki leicht den Kopf und schenkt mir das strahlendste Lächeln, dass ich je gesehen habe. Es ist kein trostspendendes, kein mitfühlendes oder aufmunterndes Lächeln. Nein, es ist ein verliebtes Lächeln. Und endlich mal hat es mir gegolten, mir ihrem besten Freund. Ihrem neuen Romeo...

Bad Romeo and broken JuliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt