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Den ganzen restlichen Tag renne ich mit einem Dauergrinsen durch die Gegend.

"Alles klar bei dir?", fragt Raph und zieht eine Augenbraue nach oben.

"Alles super.", grinse ich zurück und stelle mir vor, wie ich in einem Monat mit Kiki auf der Bühne stehen werde, sie im Arm halten darf und sie...küssen werde. Ich werde sie küssen! Auf den Mund! Und das nicht nur einmal! In jeder Probe werde ich diese pfirsichrosa Lippen auf meinen spüren. Also ja, ich bin der glücklichste Junge der Welt.

"Klar, guck ihn dir an, Taylor ist dauergeil, nachdem die sexy Paige ihre Lippen auf seine gedrückt hat. Wer wäre das nicht Kumpel?", zwinkert Tim uns zu, als er Richtung Toilette schlendert.
Oh scheiße, Paige! Die habe ich völlig vergessen. Ihre Gedühle für mich! Sie ist bestimmt maßlos enttäuscht, weil Kiki ihre Rolle als Julia übernimmt.

"Raph, weißt du wo Paige steckt?"

Er nickt Richtung Mädchenumkleide und grinst mir dreckig ins Gesicht. Vielleicht habe ich es doch nicht ganz so eilig...

"Ty, Ty!", brüllt Kiki durch den Gang. Ihrer Stimmlage höre ich sofort an, dass etwas nicht in Ordnung ist. Auf ihrer Wange erkenne ich einen blutenden Striemen. Alle Allarmglocken fangen an zu schrillen und meine Sicherungen sind kurz davor, allesamt durchzubrennen.

"Kiki, was ist passiert?", presse ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor, aus Angst vor Anspannung los zu brüllen.

"Paige. Sie ist völlig durch den Wind und hat mich gekratzt, dann hat sie sich in die Mädchentoilette eingeschlossen und will nicht raus kommen. Ich mache mir echt sorgen um sie. Bitte hilf mir."

Sie macht sich Sorgen um Paige? Das Letzte was ich jetzt tun werde, ist nach ihr zu sehen, wenn sie gerade das Mädchen verletzt hat, dass ich am meisten Liebe! Doch ein Blick in ihre flehenden Augen und ich kann nicht anders als ihrer Bitte zu zu stimmen. Wie könnte ich ihr jemals irgendwas ausschlagen? Wohl niemals...

"Paige? Bist du da drin?", flüstere ich und klinge verständnisvoll, weil ich meine angestaute Wut runterschlucke. Das bringt jetzt nichts, außerdem kann ich ein Mädchen ja schlecht verprügeln, auch wenn ich es am liebsten tun würde. Keiner tut Kiki weh, außerdem tut sie indirekt damit auch mir weh. Ich empfinde Kikis Schmerz als den Meinen. So war es immer schon...seit ich ein kleiner Junge war.

Aus der Kabine höre ich nur ein Schniefen. Sie weint. Aber Mitgefühl habe ich immer noch nicht mit ihr.

"Paige ich bins Taylor. Mach bitte auf!", versuche ich es eindringlicher.

"Nein.", kommt es von der anderen Seite der Tür.

Ich stehe auf, zucke mit den Schultern und will mich gerade an Kiki vorbei nach draußen schieben, als sie meine Hand festhält. Sofort bin ich komplett willenlos und ich würde in diesem Moment alles tun was sie verlangen würde. Ich würde auf ihren Wunsch sogar aus dem Fenster springen, in den sicheren Tod.

"Ty, bitte."

Und schon knie ich wieder vor der Tür und klopfe leicht dagegen.

"Geh weg Taylor!", knurrt sie und drückt die Spülung. Mein Gott, Mädchen sind echt kompliziert.

"Paige, komm endlich raus. Ich will doch nur kurz reden."

Und endlich öffnet sie die Tür. Ihre Wimperntusche ist total verschmiert und ihre Augen rot geweint. Verdammte scheiße, ich bin überfordert! Wie geht man mit einem heulenden Mädchen um? Soll ich sie in den Arm nehmen? Sie versuchen aufzumuntern, indem ich ihr einen Witz erzähle? Andererseits kenne ich keine wirklich guten Witze? Braucht sie sowas wie ein Ablenkungsdings? Einen Lutscher? Eine Decke? Bitte, Hilfe!

Kiki nickt energisch und voller Ungeduld Richtung Paige. Ich entscheide mich für eine Mischung aus all meinen Ideen, nehme sie in den Arm, flüstere ihr irgendwelche sinnlosen Wörter ins Ohr und drücke sie fest gegen meinen Brustkorb, in der Hoffnung mein Shirt fungiert als Ersatzdecke...

"Tut mir leid. Ich war nur so verletzt, weil ich so gerne deine Julia gewesen wäre.", schnieft sie und krallt sich in meinem Shirt fest.

Die anderen Mädchen auf der Toilette lassen ihren total geschockten Blick zwischen mir und Paige hin und her wandern. Sie sehen mich alle mit verliebten Augen an und sabbern schon fast, als sie sehen, wie Paige sich in meinen Armen wiegt. Okay, ich habe wohl doch mehr weibliche Fans als Anfangs vermutet. Ist das jetzt gut oder schlecht? Ach bei dem ganzen Geheule kann sich eh niemand konzentrieren. Am liebsten würde ich ihr einfach einen Schnuler in den Mund stecken und sie zurück in die Kabine schubsen. Doch dann wäre Kiki keineswegs zufrieden. Und das will ich auch nicht.

"Schon okay Paige. Du bist doch die Ersatz Julia. Und Raph der Ersatz Romeo. Er ist auch ein total netter und heißer Typ."

Was laber ich hier eigentlich für einen Bullshit? Klar, unter Kumpels bezeichnet man sich immer als nett und heiß. Total normal. Andererseits könnte ich ihr auch einen Steckbrief schreiben, inklusive Länge seines Geschlechtsteils...
Andererseits juckt die Länge seines Pimmels bei diesem Theaterstück niemanden...
Ich bin wirklich überfordert!

"Ja, ich hab etwas überreagiert. Aber hey, ich hab meine Tags also darf ich das."

Heilige Mutter Gottes, was soll ich denn darauf antworten?

"Gute Besserung."

What. The. Fuck. Ganz große Klasse Ty, besser hätte man nun wirklich nicht reagieren können.

Kikis Kichern entgeht mir nicht und auch die andern Mädchen schauen jetzt eher verstört als verknallt. Paige lächelt ein letztes Mal in mein Shirt, sieht Kiki entschuldigend an und verschwindet dann schnell durch die Tür. Erleichtert atme ich aus. Das war zu viel. Viel zu viel...

"Danke Ty. Hast du gut gemeistert."

Ja, sicher doch. Wo bleibt meine Medaille?

Ich sehe Kiki mit hoch gezogenen Augenbrauen an und sie schlägt mir lachend gegen die Brust. Ich stimme in ihr Lachen ein und irgendwann liegen wir wie verreckte Karpfen auf dem Boden und wischen uns die Tränen aus den Augen. In diesem kurzen Moment sehe ich mich vor knapp 10 Jahren auf dem Rasen vor meinem Haus liegen. Kiki fängt an zu kichern, als sie mich mit ihrem rosa Blumenkranz auf dem Kopf sieht. Und so liegen wir dann hier im weichen Gras, ich, neben dem Mädchen das ich am aller liebsten von allen Mädchen auf der Welt habe. Genau wie jetzt, mit dem Unterschied, dass ich sie nicht mehr nur mag, sondern das ich sie mit jeder Faser meines Körpers liebe. Und das wird auch in weiteren 10 Jahren noch so sein, bis zum allerletzten Tag meines Lebens...

Bad Romeo and broken JuliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt