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Es ist mucksmäuschenstill. Außer meinem Herzschlag höre ich nichts. Mein Kopf ist wie leer gefegt und ich stolpere stöhnend zur Tür. Im Flur liegen die ersten Leute übereinander. Ein Pärchen, nackt. Na super...

Im Wohnzimmer angekommen stockt mir der Atem. Hier sieht es aus als wäre ein Wirbelsturm durch das Zimmer gefeht. Ein Schrank ist umgekippt, der Teppich ist mit einer Masse bekleckert, die ich auf die Schnelle nicht identifizieren kann. Das Sofa ist von Chipskrümeln und Pizzaresten gesprenkelt und an manchen Stellen mit Sabber vermischt. Eklig...

Auf dem Boden liegen haufenweiße betrunkene Teenager mit leeren Pappberchern in den Händen und Biertropfen auf den Wangen.

Die Musik läuft deutlich leiser als noch am Tag zuvor.

"Aufstehen!", brülle ich mit noch leicht verschlafener Stimme.

Stöhnend räkeln sich die ersten, andere schleppen sich über klebrige Masse zur Tür und die meisten zeigen keine Reaktion. Verdammter Mist, noch eine Stunde bis meine Mum von ihrem Wellnesstag zurück kommt. Bis dahin muss das Haus aussehen wie zuvor!

"Schwingt ihr jetzt eure Ärsche nach draußen?!", werde ich lauter und deutlich wütender.

Grummelnd und nuschelnd begeben sich die meisten Richtung Tür. Im Laufen sammeln sie ihre Klamotten ein, viele Mädchen gehen einfach nur in Unterwäsche. Verdammt wie konnte das alles so eskalieren und warum zum Teufel bin ich oben in meinem Zimmer eingeschlafen? Ich habe keinen Schimmer...

"Beste Party aller Zeiten!", jubelt Tim und stürzt sich kopfüber aus dem Fenster und landet mit einem dumpfen Aufprall im Gras. Zum Glück war es nur ein Meter...

"Wow Taylor, geile Party.", kichert Blaire die mit Paige im Schlepptau durchs Fenster steigt. Paige winkt mir liebevoll zu und rückt ihren BH zurecht. Von ihrer Bluse fehlt jede Spur und auch ihr Rock wirkt kürzer als noch vor ein paar Stunden.

Als ich endlich die letzten Gäste nach draußen bugsieren konnte mache ich mich ans aufräumen. Pappbecher, leere Pizzakartons, Klamotten und den ein oder anderen Kotzhaufen...das war die dümmste Idee aller Zeiten!

Kurz vor 11 Uhr bin ich dann fertig und lasse mich auf die Couch fallen. Verdammt war das anstrengend. Die klebrige Masse auf dem Teppich habe ich trotzdem nicht ganz weg bekommen und habe ihn kurzerhand entsorgt. Eine Ausrede wird mir schon einfallen.

Plötzlich ertönen leise Schritte von Richtung Treppe. Welcher Idiot ist denn immer noch hier?!

Genervt springe ich auf und eile zur Treppe und erstarre. Dort steht Kiki. Völlig entblößt und mit Knutschflecken übersät. Ihr verknotetes Haar sieht aus wie ein Vogelnest und ihre Lippen sind total gerötet. Heilige Mutter Gottes...

"Kiki?", wispere ich, glaube alles sei nur ein blöder Traum.

Sie reckt den Kopf unf streicht sich wiederspenstige Stränen aus dem Gesicht.

"Morgen.", gibt sie kleinlaut von sich und schart verlegen mit dem Fuß. Warum ist sie nackt? Warum kommt sie von oben? Wo hat sie überhaupt geschlafen?! Mein Kopf fängt an zu dröhnen von all den Fragen die ich mir beim besten Willen nicht beantworten kann.

"Diese Nacht ist nie passiert! Versprech es Ty!", fleht sie und ihre Augen glänzen verdächtig.
Diese Nacht? Von was redet sie?!

"Ähm ja oke."

Dankend seufzt sie auf, nimmt sich eine Decke die achtlos am Boden liegt und watschelt durch die Tür. Ich habe das komische Gefühl etwas weltbewegendes vergessen zu haben. Etwas, dass so sehr von Bedeutung war, dass man es schlichtweg nicht vergessen kann.

Erst jetzt merke ich das ich selbst auch nur in Unterhose bekleidet bin. So ein Kack aber auch was ist denn gestern nur passiert?!

"Taylor Schatz!", ertönt die helle Stimme meiner Mum. Auf dem Weg nach unten kicke ich einen BH unter des Sofasessel, bevor ich meine Mum begrüße.

"Das Welnesshotel war klasse Schatz. Danke dafür."

Ich nicke nur und bin erleichtert alles vertuscht zu haben. Eine wahre Meisterleistung!

"Was hast du heute noch so vor Schatz?"

"Ich gehe baden."

Ja, ich brauche jetzt dringend meine Ruhe. Die Stille und der Frieden am See klingen all zu verlockend.

Also sitze ich 10 Minuten später auf einem Fels und starre in das türkise Wasser des Sees, das an manchen Stellen dunkelblau schimmert. Die Sonne lässt die Steine glitzern und es sieht aus, als wäre es ein perfekt gemaltes Gemälde, dass nur ich bewundern darf.

Äste knacken und dann steht Paige vor mir. Schweigend nimmt sie neben mir platz und starrt aufs Wasser.

"Ty?"

Ich wende den Blick vom Wasser ab und sehe in ihre Augen, die beinahe die gleiche Farbe haben wie das Wasser.

"Was ich dir jetzt sage musst du einfach wissen..."

Sie atmet schwer ein und wieder aus.

"Ich mag dich. Nein falsch. Ich LIEBE dich."

Tief in mir habe ich das sogar schon geahnt. Mutig von ihr es mir ins Gesicht zu sagen. Sie hat Mut, im Gegensatz zu mir...
Doch was sage ich? Ich mag sie auch doch ich liebe sie nicht. Doch als ich in ihre großen Augen sehe die mich so hoffnungsvoll anstarren bringe ich die bernichtenden Worte nicht über die Lippen. Es geht einfach nicht...

"Ich liebe dich auch.", sage ich leise und hoffe sie möge es überhört haben. Aber das hat sie nicht. Sie drückt ihre vollen Lippen auf meine und das Gefühl der Leere überkommt mich. Diese Leere und diese Trostlosigkeit das falsche Mädchen in den Armen zu halten. Doch was macht es für einen Sinn auf das Mädchen zu warten, dass niemals zu mir kommen wird?! Deshalb muss man sich mit einem Trostpreis zufrieden geben. Bin ich ein schlechter Mensch wenn ich Paige als einen Trost bezeichne? Wenn ich mir vorstelle sie wäre Kiki um irgendein Gefühl in mir zu erwecken? Wenn ich jede ihrer zarten Bewegungen mit Kikis vergleiche? Vielleicht doch dieses Gefühl das Kiki in mir auslöst möchte ich immer spüren. Stattdessen ist dort diese Kälte, dieses pochende Gefühl in meiner Brust wenn ich die Augen öffne und in grüne Augen sehe anstatt in himmelblaue...

"Ich liebe dich Baby.", keucht sie an meinem Ohr und ich schließe gequält die Augen und denke an den Tag zurück als Kiki mit mir hier saß und die Sterne sich im Wasser spiegelten. Wie sie sagte das unsere Sterne dort oben für uns leuchteten und das nur unsere Sterne nebeneinander liegen. Und das für immer, denn Sterne bewegen sich ihrer Meinung nach nicht. Doch nun? Nun haben sich unsere Sterne weiter entfernt als ich es je für möglich gehalten hätte. Sie haben sich entfernt als ich diese 3 kleinen Worte zu Paige gesagt habe, die eigentlich nur für Kiki bestimmt waren.

Ich liebe dich. Kiki.

Bad Romeo and broken JuliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt