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Kiki kniet mit weit aufgerissenen Augen auf dem Boden, hält sich verkrampft ihren Bauch. Zwischen ihren zarten Händen sickert Blut durch und tropft in großen Tropfen auf die weißen Marmorfließen.

Ein Schrei ertönt. Es hört sich an als würde ich schreien, aber wie kann ich schreien wenn ich gar nicht atme? Mein Körper fühlt sich taub an. Obwohl ich meine Beine nicht spüre, schwanke ich zu Kiki die mittlerweile auf der Seite liegt und sich ihre Tränen mit dem Blut vermischen.

"Nein.", hauche ich, ziehe das weinende Mädchen auf meinen Schoß.

Ein Blick auf ihren Bauch und das letzte Stück meines Herzens bricht endgültig. Ein großes Loch prank unterhalb ihres Bauchnabels, verfetzte Haut und Gewebe lassen es aussehen, als wären wir in einem schlechten Horrorfilm.

"Ty.", röchelt sie, krümmt sich auf meinem Schoß zusammen.

"Nein Kiki. Halte durch. Gib mir dein Handy!", werde ich panischer, lauter und fange an unkontrolliert zu zittern.

Ich greife in Kikis Hosentasche als sich plötzlich ihre Finger um mein Handgelenk schließen.

Mit tränenverschleiertem Blick sehe ich sie an. Sie ist bleich wie die Wand vor der sie kauert, ihre Lippen leuchten in keinem rosigen Ton mehr sondern sind farblos.

"Nicht. Es ist zu spät.", keucht sie, drückt meine Hand zärtlich.

Es darf nicht zu spät sein. Mein Hirn kann diese Information nicht verarbeiten, denn dann wäre alles vorbei. Alles was ich glaubte Mein nennen zu können wäre fort. Das Baby. Kiki. Meine Zukunft mit einer glücklichen Familie.

"Es hat nicht sein sollen.", schnieft Kiki, der Griff um meine Hand wird lockerer. Ihre Kräfte schwinden, ihr Herzschlag verlangsamt sich.

Am anderen Ende des Flurs höre ich Jack telefonieren. Er ruft einen Krankenwagen. Warum er auf einmal seine Meinung geändert hat sollte ich nie erfahren.

"Bitte bleib bei mir. Wenn du mich allein lässt, dann breche ich."

Das ist gelogen. Ich BIN schon ein gebrochener Mann. Dieses Mädchen hat mich mehr Nerven, mehr Leid und mehr Schmerz gekostet als alles andere in meinem Lebem zuvor. Doch gleichzeitig hat sie mir mehr Liebe, mehr Glücksgefühle und mehr Geborgenheit gegeben als alles andere.

"Ich habe mich in dem Moment in dich verliebt als du mit deinem kleinem Auto spielend im Gras gesessen hast. Du hast mir jeden Tag ein Stück mehr meines Herzens gestohlen und in jener Nacht, die übrigens die schönste meines Lebens war, habe ich dir das letzte Stückchen meines Herzens geschenkt. Ich liebe dich Ty. Vergiss das nicht."

Und dann erschlafft ihre Hand, fällt zu Boden. Ihre Brust hebt sich ein letztes mal und bleibt dann regungslos. Ihren Augen entweicht eine allerletzte Träne, die wie eine Perle über ihre fahlen Wangen rinnt und trocknet bevor sie den Boden erreicht.
Kikis Augen sind plötzlich so leer. Alles Leben hat sie verlassen. Sie ist gegangen und hat meine Seele, mein Herz mit sich genommen und meine bloße Hülle zurück gelassen.

Ich hiefe sie auf meine Arme, weiche ihren Augen aus, da ich den starren, leblosen Blick nicht ertragen würde.

Laufe los. Erst langsam dann immer schneller in den Wald. Jacks Brüllen blende ich aus genau wie mein Wimmern das leise aus meiner Kehle dringt. Die Tränen durchnässen mein Shirt, meine Augen brennen. Doch all das ist nichts im Vergleich zu diesem klaffenden Loch in meiner Brust. Diese Leere die mit nichts auf der Welt zu füllen ist, dessen Schreie nie enden werden. Dieser Schmerz lässt mich weiter laufen, um das hier zu Ende zu bringen.

Am See angekommen lege ich Kikis schlaffen Körper ins Wasser. Fasziniert beonachte ich ihre Haare die wie flüssiges Gold an der Oberfläche schwimmen und im krassen Kontrast zu dem sich rot färbenden Wasser steht.

Ein paar Minuten beobachte ich die Leiche. Sauge den Anblick meines Mädchens in mir auf. Dann trete ich langsam vom Ufer weg.

Gehe zu dem Baum an dem Kiki und ich uns erst vor wenigen Wochen innig geküsst haben. Lasse die Erinnerungen ein letztes mal auf mich einprasseln. Ihre samtige Haut, ihr weiches Haar, ihre hungrigen Augen.

Ich starre den Baum an während ich meinen Gürtel öffne und ihn langsam zur Schlaufe binde. Erinnere mich an jene Nacht in der Kiki mir diesen Gürtel vom Leib gerissen hat und gar nicht schnell genug meine Hosen hinunterziehen konnte.

Ich klettete 2 Meter hinauf, binde den Gürtel an einem dicken Ast fest und stecke meinen Kopf durch die Schlaufe.

Den Blick aufs blau-rote Wasser gerichtet lasse ich mich fallen.

Atmen ist nicht mehr möglich. Ich baumle knappe 20 Zentimeter über dem Waldboden, versuche erst gar nicht Luft zu holen.

In Gedanken verabschiede ich mich von allen. Meiner Mum, der ich gern nochmal gesagt hätte wie lieb ich sie habe und das sie stark sein soll. Von Tim, der jetzt ohne mich Party machen muss und ich hoffe, dass er sich wegen mir nicht ins Koma säuft. Von Raph, der mir all die Jahre ein guter Kumpel, mich nie enttäsucht hatte und das er nicht zulassen soll, dass Tim besoffen eine Grabrede hält. Von Paige, die ich gern gewonnen habe und ihr alles Gute für die Zukunft wünsche, dass sie jemand findet der sie lieben wird und glücklich macht. Von Jack, bei dem ich hoffe er möge in der Hölle schmoren und tausend Tode sterben, einer qualvoller als der Andere. Und zu guter letzt von Kiki, dem Mädchen das ich immer lieben werden, ob lebendig oder tot.

Meine Lungen fangen an zu brennen wie Feuer, lechzen nach Sauerstoff. Doch der Schmerz ist willkommen, er treibt mich immer weiter an den Abgrund der Bewusstlosigkeit. Mein ganzer Körper steht in Flammen, es fühlt sich an als würde ich verbrennen.

Als schwarze Punkte auftauchen, werde ich noch einen Blick auf Kiki, die seelenruhig im Wasser treibt. Von hier sieht es aus als würde sie Lächeln und mir sagen, dass sie auf der anderen Seite bereits wartet, wie damals schon Julia auf ihren Romeo gewartet hat.

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So das wars jetzt. Ich habe lange überlegt ob die Beiden ein Happy End erleben sollen aber da die Geschichte mit der Tragödie Romeo und Julia verbunden ist hab ich mich dagegen entschieden.

Ich hoffe euch hat die Geschichte trotz dem Ende gefallen, wenn ja würde ich mich über Feedback freuen.

(Es werden noch ein oder 2 Bonuskapitel kommen aus der Sicht von Taylor und Kikis Freunden oder Familie)

Bad Romeo and broken JuliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt