Kapitel 15

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Benommen öffnete ich die Augen und musste einige Male blinzeln bevor ich endlich etwas erkennen konnte. Ich lag erneut in dem Zimmer, in dem ich bereits eine Nacht bzw ein Mal gewesen bin. Ich wusste nicht, wie spät wir hatten, doch das Tageslicht, welches den Raum flutete, ließ mich vermuten, dass wir schon morgens hatten.

Ich stand auf und streckte mich. Egal wie sehr ich es versuchte, ich konnte mich nur noch teilweise an den letzten Tag erinnern. Immer wieder tauchte das Bild eines Mädchens vor meinem inneren Auge auf und ließ mich erschaudern. Wer war sie?

Ich lief nach unten in die Küche und stellte fest, dass dieses Mädchen tatsächlich in diesem Haus war. "Wer...", stotterte ich, erschrocken darüber wie unsicher sich meine Stimme doch anhörte. "Wer bist du?", fügte ich hinzu und mied den Blick von Hunter. Edward stand am Herd und war dabei, Eier in einer Pfanne zu Rührei zu braten. 

"Ich bin Alice.", stellte sie und ich nickte. Ich wusste, dass sie ein Geheimnis hatte. Jeder in diesem Raum, mich ausgeschlossen, verheimlichte mir etwas. 

"Ich weiß, wer du bist.", platzte es aus mir heraus und die Bilder des Abends tauchten schlagartig wieder auf. 

Der Garten. Der Regen. Das Unwetter. Dann Hunter und Alice, die aus dem Nichts heraus erschien. Edward, die eintretende Müdigkeit. 

"Elenor, du kannst sie nicht kennen.", begann Edward ruhig und sah mir tief in die Augen. Vor Nervosität schlug mein Herz intensiver und kräftiger als sonst und ich spürte, wie mir das warme Blut durch die Adern rauschte. 

"Sie kommt nicht von hier.", fügte er hinzu, doch ich schüttelte den Kopf. "Ich erinnere mich.", sagte ich ernst und schlang die Arme um meinen fröstelnden Körper. Aus einem Schrank, der in meinem Zimmer stand, hatte ich mir trockene Klamotten genommen, die sich aber wieder nass und kalt anfühlten.

"Sie ist durch einen Blitz..erwacht..", stotterte ich und drohte, die Fassung zu verlieren. "Sie war einfach da! So wie du!", murmelte ich und fuchtelte mit meinen Händen durch die Luft. "Ihr seid..ihr seid...das kann nicht sein!", flüsterte ich und sah hilfesuchend zu Edward, der mich traurig und verständnisvoll ansah. 

Hunter dagegen zog ein Gesicht, als gäbe es drei Tage Dauerregen. 

"Du redest Unsinn.", lachte er und biss genüsslich in sein Brot. "Rede ich nicht.", konterte ich und lief an den Tisch heran. 

"Sagt mir jetzt jemand von euch, was hier los ist?", bat ich aufdringlich, doch Hunter schüttelte den Kopf. 

"Alice..?", flüsterte ich und wartete, bis sie meine Worte aufgenommen hatte. Sie schluckte und wich meinen suchenden Blick aus, der sie zu überreden versuchte. 

"Ich denke, wir können es ihr nicht verheimlichen.", sagte sie leise und sah abwartend zu Edward. 

"Hunter?", seufzte er, dieser rollte mit den Augen. 

"Elenor, ich habe dich nicht gerettet, damit du dich in unser Leben einmischt. Du gehörst ihr nicht hin.", zischte er wütend und seine Augen brodelten vor Zorn. Es war, als würden winzige, leuchtende Flammen in seinen Augen tanzen. 

"Ich habe dich nie gebeten mich zu retten!", schrie ich fassungslos. Wie konnte er sich es auch nur wagen, so etwas zu sagen?! 

"Wovor gerettet?", hakte Edward nach und warf Hunter einen drängenden Blick zu. Die Luft knisterte erstaunlich stark und ich hielt die Luft an. 

"Sag es nicht.", flüsterte ich kaum hörbar und seine dunklen Augen fraßen sich in meine, als würde er versuchen, bis zu meiner Seele vorzudringen. 

"Sie..", setzte er an und brach dann wieder ab. Würde er es verraten? Man sah ihm an, wie sehr er überlegte, was er darauf antworten sollte. Ehrlich gesagt wusste ich selbst nicht, was er ihnen sagen sollte. 

"Ich erzähle euch mein Geheimnis, wenn ihr mir von eurem erzählt.", sagte ich leise und sah aus dem Fenster. 

"Es interessiert uns nicht.", zischte Hunter und meine Augen füllten sich mit Tränen. "Hunter!", zischte Alice und sprang auf. Mein ganzer Körper zitterte und seine Worte trafen tiefer, als ich sie hätte auffangen können. "Du gehörst nicht her. Jetzt geh.", sagte Hunter und ich nickte. Was sollte ich auch sonst tun?

"Ja..dann..es..-", flüsterte ich ganz leise, öffnete den Mund um noch etwas zu sagen und rannte dann einfach aus dem Raum. "Elenor...!", rief mir Edward hinterher und Schritte näherten sich. Ich wollte einfach nur hier weg. Weg von all dem Schmerz und der Trauer und der Angst. Seine Worte hatten sich in mein Herz gebohrt und ein tiefes Loch hinterlassen. 

Ich schluchzte vor mich hin während ich verzweifelt nach Luft rang und das riesige Anwesen verließ. "Elenor...!", hörte ich Hunter rufen und ich blieb fünfhundert Meter später stehen. Er hatte mich eingeholt und in seinen Augen lag Mitleid und Reue. 

"Lass es sein.", zischte ich und lief weiter. Was hatte er bitte für ein Problem? "Es tut mir leid..!", seufzte er und griff nach meiner Hand. Ich versuchte mich los zu reißen, doch sein Griff war zu stark. Er sah mich zwar nicht an, dennoch wusste ich, dass er es ernst meinte. Seine Körperhaltung verriet es mir. Wie er da stand, hilflos und planlos. "Du musst dich nicht entschuldigen.", sagte ich leise und sah über seine Schulter zurück zu dem Haus, aus dem ich noch vor wenigen Minuten geflohen bin. 

"Wieso..wieso sagst du das?", wollte er wissen und sah mich verwirrt an. Ich stellte mir vor, wie diese Szene in einem Film gezeigt wurde, traurige Musik im Hintergrund lief und alle nur darauf warteten, dass wir uns küssten. 

"Hättest du mich nicht gerettet, hättest du jetzt ein Problem weniger.", flüsterte ich verletzt und schluckte den Schmerz hinunter. "Hättest du mich einfach sterben lassen, wärst du jetzt woanders.", fügte ich kaum hörbar hinzu und spürte, wie sich diese Worte schmerzvoll über meine Lippen bahnten. 

"Du kannst dein Geheimnis für dich behalten, denn ich werde es nur für wenige Augenblicke hüten, bis ich genau das tue, wovor du mich abgehalten hast.", 

"Du kannst dich nicht einfach umbringen.", murmelte er und die Sonne versuchte die Situation zu verschönern. "Was geht dich das an?", erwiderte ich und sah ihm tief in die Augen. Wunderschön. Beruhigend. Geheimnisvoll. 

"Du wirst mich nie wieder sehen müssen.", hauchte ich und überquerte die Straße. Er stand regungslos da und sah mir nach. 

Hunter #1.Platz Beim Platin AwardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt