Kapitel 28

33 5 0
                                    

Ein leises Schnarchen drang in meine Ohren und ich musste unverzüglich lachen. Wäre ich nicht ganz genau so angetan von dem aufregenden Regen, würde ich mich vermutlich fragen, wie man nur bei solch einem Chaos an Wetter auf einer alten Bank einschlafen würde. Ich grinste. Vorsichtig veränderte ich die ziemlich unbequem aussehende Position des Schlafenden und versuchte, ihn auf den Rücken zu drehen, sodass er am nächsten Morgen nicht mit noch mehr Nackenschmerzen aufwachen würde, als die, die er sowieso schon haben wird. Komischerweise hatte der junge Mann - erst jetzt war ich mir ziemlich sicher, dass er ein oder zwei Jahre älter als ich sein musste - einen ziemlich unruhigen Schlaf. Er verzog das Gesicht, als hätte er Schmerzen oder müsse gerade schreckliche Bilder mit ansehen. Seine blonden Haare hingen ihm logischerweise nass im Gesicht, während sich der kühle Regenschauer über unseren Köpfen ergoss. Immer wieder schreckte er zusammen, seine Muskeln zuckten und er stöhnte, doch ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich konnte ihn wecken, doch, würde er sich dann nicht ertappt fühlen? Offenbar hatte er etwas auf dem Gewissen, das ihn so wie mich nicht in Ruhe schlafen ließ. Vermutlich wäre es das Beste, wenn ich zurück ins Haus lief und den anderen Arzt zu suchen begann.

Genau das tat ich - bzw. versuchte ich mein Bestes -. Das Krankenhaus war riesig, noch viel größer als ich es auf den ersten Eindruck erkennen konnte. Treppen führten in weitere Stockwerke, die mit Schildern gekennzeichnet wurde. Offenbar wohnte jemand in dem aller letzten Stock, der mit 'Wohnbereich' gekennzeichnet war. Ich rannte so schnell es ging die Stufen hoch, stolperte zwar ein paar Mal doch kam wohlgesonnen in der letzten - der achten Etage - an. Schweißperlen liefen mir über die Stirn und ich wischte mir mit meinem Ärmel über die Stirn. Ich sah mich in dem Korridor um, in dem ich mich befand. Wahrscheinlich bekam ich große Probleme, wenn ich von irgendeinem Angestellten zu dieser Uhrzeit in diesem Bereich entdeckt wurde, deswegen hastete ich auf die nächst gelagene Tür zu und klopfte erst zaghaft, doch dann immer fester. Als niemand aufmachte versuchte ich mein Glück bei der Nächsten und Übernächsten Tür. Schließlich kam ich an der letzten Tür an, die ziemlich alt aussah. Die braune Farbe blätterte bereits ab und die Schaniere waren verrostet. Ich legte mein Hand vorsichtig auf die Klinke und lauschte. Plötzlich drangen Schreie in meine Ohren und ich rannte zu dem Fenster am Anfang des Flures, welches mir den Garten zeigte. Ein kalter Schauer lief über meinen Rücken, als der junge Mann draußen im Regen sich vor Schmerzen auf dem matschigen Boden zusammenkrümmte. Mir blieb kaum noch Zeit, Panik überkam mich, weil es auch etwas ernstes sein könnte, zum Beispiel ein Anfall oder so etwas in der Art. Ich lief zurück zu der letzten Tür, hustete und schnappte erschöpft nach Luft. Meine Beine zitterten und meine Knie waren kurz davor, nachzugeben. "Scheiße, jetzt mach doch bitte auf!", fluchte ich und unterdrückte die ersten Tränen, die sich nach draußen schleichen wollten. "Bitte!", schluchzte ich und lehnte den Kopf gegen das kalte Holz. Plötzlich riss jemand die Tür auf, die sich dummerweise nach innen öffnete und ich so unsanft auf etwas weichem landete. Ein Stöhnen verriet mir, dass meine Befürchtung war wurde. "Scheiße, das tut mir unglaublich leid, doch jetzt musst du raus und dem jungen Mann helfen!", bettelte ich und richtete mich etwas ungeschickt auf. Mir blieb nicht genug Zeit um den Mann zu mustern, vor dem ich mich bereits einmal versteckt hatte. Er murmelte noch kurz etwas, bevor er im Gang verschwand. Die hastigen Schritte verrieten, dass er auf dem Weg nach Draußen war, auch wenn er genervt vor sich hinfluchte. Langsam folgte ich ihm, weil ich mittlerweile völlig außer Atem war. Immer noch peinlich berührt über das geradige Ereignis, trat ich durch die Tür nach draußen und folgte dem Arzt hinaus zu der Bank. Anscheinend hatte er genau so wenig Ahnung wie ich, denn die Sorge war ihm ins Gesicht geschrieben. Immer hastiger zuckte der auf dem Boden Liegende zusammen und stöhnte qualvoll, während er nach Luft schnappte. War das einach nur ein normaler Albtraum oder steckte mehr dahinter?

"Wir müssen ihn rein bringen.", erklärte mir der Ältere und hob ihn hoch. Da ich nicht wusste, was ich machen sollte folgte ich ihm schweigend. Hinter den Beiden schloss ich mühsam die Tür und trat hinter dem Arzt in ein weiteres Krankenzimmer. Erst als er den sich immer noch windenen Jungen auf das Bett gelegt hatte, welches sich unter dem Gewicht bog, warf er mir einen fragenden und verwirrten Blick zu. "Nachher.", sagte ich ernst und nahm ein Handtuch aus einem Regal. Vorsichtig trocknete ich seine Arme und sein Gesicht, weil mir nichts Besseres einfiel, was ich tun könnte. 

"Ich gebe ihm ein Beruhigungsmittel.", meinte er und kramte eine Spritze aus einer der vielen Schubladen, die an einer der vier Wände empor ragten. Ich nickte und schenkte dem armen Jungen einen traurigen Blick. Er hatte die Hände krampfhaft zu Fäusten geballt, die Augen zusammengekniffen und die Zähne zusammen gepresst. "Kennt ihr euch?", rutschte es mir raus und sofort wandte ich meinen Blick von dem aktiven Arzt ab. Die Ähnlichkeit fiel mir erst jetzt zwischen den Beiden auf. "Er ist mein Bruder.", sagte er mit einer festen Stimme und verabreichte seinem Bruder das Medikament. Inzwischen sahen sich die Beiden so unglaublich ähnlich, dass nur der Altersunterschied sie voneinander trennte. "Nenn mich Jas.", stellte er sich vor und warf mir einen flüchtigen Blick zu. "Elenor.", erwiderte ich und widmete mich wieder dem Patienten. Das Medikament begann relativ schnell zu wirken und ich seufzte erleichtert. "Hat er so etwas öfter?", wollte ich von Jas wissen und er musterte nachdenklich seinen Bruder. "Ich bekomme das hier zum ersten Mal mit. Wenn, dann ist er ein Meister im Verheimlichen.", erklärte er und ein leichtes Lächeln schlich sich auf sein ernstes und besorgtes Gesicht. "Du bist das Mädchen oder?", fragte er mich, während er sich die Hände wusch. Ich zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme um die Brust. "Das Mädchen, das von der Erde kommt.", fügt er hinzu und mir fiel die Kinnlade hinunter. "Was hast du gesagt?", flüsterte ich entsetzt und starrte aus dem Fenster. "Er wird dir morgen alles erklären, da bin ich mir sicher." antwortete er und schüttelte amüsiert den Kopf. Ich schluckte nervös. Konnte er Recht haben? Mein ganzer Körper zitterte ganz verrückt, während ich mir große Mühe gab bei Verstand zu bleiben. Wie konnte das nur möglich sein, wo doch alles so aussah, wie auf der Erde? Hätte ich nicht irgendetwas spüren müssen? Eine Veränderung der Luft vielleicht? "Mach dir keinen Kopf, das wird schon.", murmelte Jas und ging aus dem Raum. Auch wenn er kurz danach wieder kam, fühlte ich mich allein und einsam. "Wo ist Hunter?", rutschte es mir heraus und er hob eine Augenbraue. "Beschäftigt.", meinte er nur, bevor er dicht machte und sich in seine Arbeit vertiefte. "Wo kann ich schlafen?", fragte ich leise mit gebrochener Stimme und er zeigte mir schnell den Weg zurück in mein Krankenzimmer. "Ich bin mir leider ziemlich sicher, das wir uns wiedersehen werden.", bedauerte er, als er die Tür schloss. Glücklicherweise gab ich nur ein schwaches, erschöpftes, glanzloses Licht von mir, welches sich vermutlich an meiner Stimmung orientierte.

Ich wachte auf und rieb mir über die geschwollenen Augen, weil ich mich unglaublich krank und schlapp fühlte. Mein Kopf dröhnte und das wenige Licht, dass durch das Fenster drang war definitiv zu hell. Ich setzte mich auf und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. Es war, als hätte ich tagelang nicht geschlafen, gegessen oder getrunken. Gleichzeitig hatte ich den Drang mich zu bewegen und richtete mich auf. Glücklicherweise hielten meine Füße die Belastung aus und ermöglichten es mir, die wenigen Schritte bis zur Tür zu taumeln. Ich stützte mich an der Klinke ab und zog die quietschende Tür auf, trat hinaus in den Flur und schloss die Augen. Mir war unglaublich schlecht und schwindelig.

Ich sah mich um und entdeckte Jas, der gerade ein Tablett mit Frühstück in eines der Krankenzimmer brachte. Der andere Arzt! Ich trat zu ihm ans Bett und wünschte ihm einen "Guten Morgen", bevor er sich aufsetzte und mich verwirrt ansah.

e

Hunter #1.Platz Beim Platin AwardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt