Kapitel 3

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Taleria P.O.V.

Thranduil kam auf mich zu und blieb circa einen halben Meter vor mir stehen.
„Wag es ja nicht! Du hast uns alle in Stich gelassen! Ich habe meinen Respekt vor dir verloren, als du dich abgewandt hast!"
Wütend wollte ich ihm eine Ohrfeige verpassen, doch der König durchschaute mich schnell und fing meine Hand ab. Ich hätte erwartet, dass er wütend wird und nach den Wachen ruft, doch sicher nicht, dass er mich in eine feste Umarmung zieht.
Erschrocken schnappte ich nach Luft und erwiderte erst als ich den kurzen Schockmoment überwunden hatte.
„Schön dich zu sehen.", flüsterte er mich leise ins Ohr.
Ich hätte es nie zugegeben, doch ich hatte ihn vermisst. Seine Art, wie er mit mir redete, wie er mit mir lachte.
Ich wollte etwas sagen, doch mir blieben die Worte im Hals stecken. Deshalb nickte ich nur knapp und löste mich aus seiner Umarmung.
Mit einem leichten Lächeln ging ich wieder zu Streicher, welcher das Geschehen mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtet hat.
„Ich bin mir sicher, du wirst mir das irgendwann einmal erklären?", fragte er.
Grinsend ging ich an ihm vorbei zu meinen Gemächern. „Vielleicht", rief ich ihm noch über die Schulter hinweg zu.

Streicher P.O.V.

Schmunzelnd sah ich der Elbin hinterher. Sie war wirklich eine einzigartige Persönlichkeit. „Aragorn!"
Erschrocken fuhr ich herum und entdeckte Élor, welcher schnellen Schrittes auf mich zu eilte.
„Wie kommt es, dass du mitten im Düsterwald aufgegriffen wirst?"
„Ich wollte einen alten Freund besuchen, Élor. Ich wusste den Weg nicht, da habe ich Taleria gefragt, ob sie mir den Weg zeigen könnte."
Nun kam auch der Waldlandkönig zu uns herüber. „Wer seid Ihr?", fragte er mit scharfem Ton in seiner Stimme.
„Aragorn, mein König.", antwortete ich, während ich mich tief verbeugte.
„Erhebt Euch, Aragorn. Sagt mir, wie hieß euer Vater?", fragte mich der Elbenkönig mit gerunzelter Stirn.
Natürlich fragte er das. Thranduil war scharfsinnig genug, eins und zwei zusammen zu zählen.
„Sein Name war Arthorn, Majestät."
„Nun Aragorn, Legolas, mein Sohn, ist gerade auf der Suche nach Euch. Und Ihr seid hier. Wieso?"
Ich erklärte dem König das Gleiche, das ich zuvor noch Élor erklärt hatte.
„Ihr seid sicher müde, von der langen Reise. Élor, begleite unseren Gast in seine Gemächer. Den Rest können wir später besprechen. Wenn ihr Euch erholt habt.", meinte der König und ging wieder durch die Tür, durch die er gekommen war.
„Na komm, Mellon. Ich zeige dir deine Gemächer.", lachte Élor und klopfte mir im Vorbeigehen auf den Rücken.

Taleria P.O.V.

Schnell versteckte ich mich im nächstbesten Raum, als Élor und Streicher vorbeigingen. Natürlich war ich nicht in meine Gemächer gegangen, sondern nur einmal um die Ecke um zu lauschen.
Wie sich herausstellte, war Streicher Aragorn und Legolas war auf der Suche nach ihm. Also musste er wichtig sein, mehr oder weniger.
Ich verharrte noch einige Sekunden im Raum, bis ich mir sicher sein konnte, dass die beiden weit genug weg waren. Dann trat ich in den Gang und schloss leise die Tür hinter mir.
„Warum so leise? Darfst du nicht gesehen werden?" Erschrocken fuhr ich herum.
„Thranduil! Was machst du denn hier?"
„Nun vielleicht ist dir dieser Umstand noch nicht aufgefallen, doch ich wohne hier. Die bessere Frage ist, was machst du hier?"
„Stell keine Fragen, auf die du die Antwort schon kennst."
„Du hast gelauscht.", stellte der Elb fest.
„Was du nicht sagst, Sherlock.", schmunzelte ich.
„Was ist ein Sherlock?", fragte Thranduil sogleich mit verdutztem Gesicht.
„Nicht wichtig." Genervt ging ich an ihm vorbei.
„Taleria!"
„Ja?"
„Komm mit."
„Warum?" „
Jetzt komm einfach!"
Verwirrt folgte ich Thranduil durch die Gänge.
„Wohin gehen wir?"
„Das wirst du schon sehen." Genervt verdrehte ich die Augen.
„Thranduil, ich bin kein kleines Kind!"
„Nein, das bist du nicht. Wer behauptet das denn?"
Auch wenn ich nur seinen Rücken sah, konnte ich das Lächeln, welches seinen Mund umspielt förmlich hören. „Jetzt sag schon! Wohin willst du?"
Meinen Plan, Abstand zu halten, hatte ich schon längst wieder aufgegeben. Er hatte sowas wie ein Magnetfeld um sich herum, welches mich unerbittlich anzog. Dagegen konnte ich mich nicht wehren.
„Beruhige dich! Wir sind ja schon da.", lachte er. So selten ich dieses Lachen auch gehört habe, ich würde es überall wiedererkennen. Automatisch zogen sich meine Mundwinkel nach oben.
„Und was will der edle Herr jetzt in der Bibliothek?"
„Er möchte der schönen Dame etwas zeigen." Er sprach es aus, als meinte er es nicht ernst, doch seine Augen erzählten etwas Anderes. Ich spürte förmlich, wie mir das Blut ins Gesicht schoss.
Grinsend schaute ich ihm in seine wunderschönen, azurblauen Augen.
„Dann sollte sich der edle Herr beeilen, bevor er und die schöne Dame hier noch Wurzeln schlagen.", flüsterte ich leise.
Erst sah er mich verwirrt an, doch dann schüttelte er lachend den Kopf und ging in einen der hinteren Bereiche. Ich folgte ihm und sah zu, wie er einen großen Glasschrank mit vielen Schriftrollen aufsperrte.
Thranduil suchte eine Weile, doch dann drückte er mir vier große Schriftrollen in die Hand, sperrte den Schrank wieder zu und ging zu einem der großen Tische. Wieder folgte ich ihm und legte die Schriftrollen vorsichtig ab.
„Und was ist das?"
„Das, schöne Dame, sind Aufzeichnungen zu allen Weltenwanderern, die bekannt sind. Sie waren im Erebor versteckt und König Fili war so freundlich und hat sie mir überlassen."
„Ihr habt also Frieden geschlossen?"
„Nun ja...nicht direkt. Wir haben uns eher darauf geeinigt, dass wir uns vorerst nicht bekriegen werden."
Vorerst nicht bekriegen also? Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte ich den Elben vor mir. Er schien sich unter meinem Blick unwohl zu fühlen, denn er fing schon wieder zu sprechen an.
„Wie dem auch sei, du kannst sie haben. Ich habe sie mir nicht wirklich durchgelesen also..."
Er sprach nicht zu Ende, sondern kratzte sich verlegen am Nacken. Bei diesem Anblick konnte ich nicht anders als lauthals loslachen. Diese Geste passte überhaupt nicht zu ihm. Sie war zu...gewöhnlich für Thranduil.
„Was ist los?", fragte dieser sichtlich verwirrt. Mit diesem verwirrten Gesichtsausdruck sah er aus wie ein Häschen, dem die Karotte weggenommen wurde.
„Ach nichts. Danke für die Aufzeichnungen.", bedankte ich mich noch, dann drehte ich mich um.
„Ach, Taleria!"
„Ja?"
„Wir nehmen das Training wieder auf."
„Wieso?" Verwirrt sah ich dem König in die Augen. Der Krieg war vorbei. Wozu also?
„Du glaubst, der Krieg ist vorbei?" Ich nickte.
„Ja, das tue ich. Azog ist tot, Bolg ist tot und die Orks haben sich in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Wir sind nicht mehr in Gefahr."
War die Stimmung eben noch ausgelassen und glücklich, so machte sich jetzt ein ungutes Gefühl in mir breit. Auch Thranduil sah man an, dass er es ernst meinte.
„Du hast recht. Azog der Schänder und sein Sprössling sind tot. Die Schlacht der fünf Heere ist gewonnen. Doch glaube keinen einzigen Augenblick daran, dass der Krieg vorbei ist. Der große Krieg hat gerade erst begonnen. Wir müssen uns darauf vorbereiten, denn unser Gegner wartet nur noch auf den richtigen Zeitpunkt."

Die Zukunft der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt