Taleria P.O.V.
Die hohen Bäume Lóthlóriens warfen dunkle Schatten auf das andere Ufer des Anduin. Der Wald war so von Magie durchdrungen, dass ich es bis in die Haarspitzen spüren konnte.
Eine Macht pulsierte durch diesen Wald und es war, als würde der Boden unter meinen Füßen, am gegenüberliegenden Ufer, vibriert. Dieser Wald muss uralt sein!
„Tatsächlich ist er das auch. Du wirst überrascht sein, welche Wunder sich hier verbergen.", bemerkte Koriat in meinen Gedanken.
„Du warst schon dort?"
„Natürlich war ich schon dort. Jeder Meara war schon einmal dort.", schnaubte er.
„Wa-?"
„Du wirst schon sehen.", unterbrach Koriat meine Frage.
Damit war die Konversation beendet. Gandalf ritt entlang des Flussufers voraus.
Irgendwann zügelte er sein Pferd und sah erwartend ans gegenüberliegende Ufer. Er stand einfach da und beobachtete das Ufer.
Plötzlich tauchte auf den Fluss ein Kanu, auf. Erst eins, dann erschienen noch drei andere. Das vierte war am größten, wahrscheinlich für die Pferde. Wie die Elben, welche die Kanus steuerten, es allerdings schaffen wollten, die Pferde ruhig zu halten, war mir ein Rätsel.
Als die Kanus am Ufer anlegten sprangen die Elben anmutig heraus und zogen die Gefährte schließlich an Land. „Mithrandir!", wurde Gandalf von einem der Elben, ein blonder mit kräftigem Körperbau begrüßt.
„Haldir! Wie schön dich zu sehen." Lachend umarmten sich der Zauberer und der Elb. Dann wandte sich der Elb, Haldir, an Aragorn.
„Wie geht es dir, Aragorn?", fragte er ihn.
„Ich lebe noch.", lachte der Mann neben mir.
„Offensichtlich, ja." Jetzt lachten sie beide und schlossen sich in die Arme. Ich kam mir ganz schön blöd vor, wie sich alle so begrüßten wie alte Freunde, während ich nur danebenstand, wie bestellt und nicht abgeholt.
Schließlich wandte sich Haldir mir zu. „Und Ihr müsst Taleria sein. Wir haben viel von Euch gehört, Herrin.", sagte er zu mir und verneigte sich respektvoll.
„Ähm... ja. Aber bitte verneigt Euch nicht vor mir. Ihr seid sicher tausendmal älter und erfahrener als ich."
Wieder lachte er. „Glaubt mir, wenn ich sage, dass ich allen Grund dazu habe, respektvoll mit Euch umzugehen. Lasst uns aufbrechen. Die Schatten werden lang und wir wollen noch vor Einbruch der Nacht ankommen."
Also stiegen wir in die Kanus ein. „Was machen wir mit den Pferden? Sie werden wohl kaum in das Kanu gehen."
Neugierig schaute ich mich nach irgendetwas um, was die Pferde über den Fluss transportieren könnte. Plötzlich brachen, zu meinem Erstaunen, die Elben in Gelächter aus. Verwundert stellte ich fest, dass es nicht wie Lachen klang. Eher wie ein Windspiel, das bei einer leichten Brise erklang.
Ich habe die Elben des Düsterwaldes noch nie lachen gehört, stellte ich überrascht fest.
„Das liegt daran, dass sie außerordentlich griesgrämige Geschöpfe mit wenig Sinn für Humor sind."
Erschrocken zuckte ich zusammen. Ich hatte mich noch immer nicht daran gewöhnt, dass die Verbindung zwischen Koriat und mir immer stärker wurde.
„Verdammt! Erschreck mich doch nicht so!"
Koriat lachte, soweit ein Pferd lachen konnte und schüttelte den Kopf.
„Ja wie kommen die Pferde jetzt da rüber?", fragte ich ungeduldig, da die Elben immer noch kicherten.
Endlich hörte Haldir auf zu lachen. „In das Kanu kommen nur die die Sättel und die Satteltaschen. Koriat wird die Pferde an den Übergang der Meara führen, dann finden sie allein zu uns."
„Der Übergang der Meara?" Hätte ich es gekonnt, hatte ich jetzt eine Augenbraue nach oben gezogen, aber ich hatte bei meinem ersten und letzten Versuch einen Krampf in der Augenbraue bekommen. Seitdem ließ ich es lieber bleiben.
„Ich sagte ja, jeder Meara war schon dort!", meinte Koriat. Er stieß ein helles Wiehern aus und galoppierte mit den anderen zwei Pferden davon.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass die Satteltaschen schon verstaut worden waren. „Er hat zu mir gesagt, dass jeder Meara schon in Lóthlórien war. Warum nur die männlichen Tiere?", fragte ich Gandalf, der mit einem braunhaarigen Elben im zweiten Kanu saß.
„Ich hatte mir schon gedacht, dass du mich das fragen wirst.", lachte Gandalf. „Jedes Meara Mittelerdes wird in Lóthlórien geboren.", erzählte Gandalf, während die Elben mit kräftigen Zügen weiterruderten. „Wobei nur die männlichen Meara Lóthlórien auch wieder verlassen Der Rest, also die Stuten, bleiben und warten auf die Reise nach Arda."
„Moment!" Unterbrach ich den Zauberer. „Arda? Und du hast jedes Meara Mittelerdes gesagt. Gibt es etwa noch mehr?" Wieder lachte Gandalf.
„Du bist sehr wissbegierig."
„Ich muss davon ausgehen, dass ich mein restliches Leben hier verbringen werde. Ich will alles wissen.", rechtfertigte ich mich. „Außerdem liebst du es, Geschichten zu erzählen und Wissen weiterzugeben."
„Und woher willst du das wissen?", fragte Gandalf überrascht.
„Ich sehe es in deinen Augen. Außerdem lieben es alle alten Männer Geschichten zu erzählen und irgendwelche kryptischen Lebensweisheiten von sich zu geben, die eh keine Menschenseele versteht."
Ich verdrehte die Augen bei den Gedanken an meinen Großvater. Jedes Mal, wenn ich ihn als Kind besuchte, hat er mir dieselbe Geschichte erzählt: Seinen ersten Schultag. Das erste Mal war es ja noch lustig, als er mir von seinen peinlichen Erlebnissen erzählte und vielleicht auch noch beim zweiten und dritten Mal. Aber irgendwann wurde der verdrehte Pulli und das alles eben langweilig.
„Willst du es jetzt noch wissen? Denn du hast recht: Ich liebe es Geschichten zu erzählen.", unterbrach Gandalf meine Erinnerungen.
„Ja natürlich! Komm schon alter Mann. Gib dein Wissen weiter!", lachte ich.
„Wen nennst du hier alt?", entrüstete sich Gandalf, ebenfalls mit einem Lächeln im Gesicht.
„Was genau willst du denn jetzt wissen?"
„Alles! Erzähl mir alles was du weißt.", neugierig lehnte ich mich weiter zu Gandalf, was sich als schwierig erwies, da wir in zwei verschiedenen Kanus saßen.
„Nun, dann fangen wir doch einfach ganz am Anfang an. Als die Welt erschaffen wurde." Gandalf wartete kurz, um sicherzugehen, dass ich ihn nicht wieder unterbreche, dann fuhr er fort: „Ilúvatar, der sogenannte Schöpfer, schuf als erstes die Ainur. Er schuf sie aus seinen Gedanken und ließ sie ein Lied singen.
In dieser Musik begann die Welt, denn Ilúvatar ließ das gesungene sichtbar werden. Einigen der Ainur gefiel es dort und sie betraten die Welt.
Es war ihre Aufgabe, sie zu vollenden. Sie arbeiteten so lange, bis das Königreich Arda geschaffen war.
In irdischer Gestalt stiegen sie auf die Erde hinab und lebten dort. Die Elben nennen sie Valar. Thranduil hat dir bestimmt von ihnen erzählt."
Ich nickte leicht. Ja er hatte sie einmal erwähnt.
„Es gibt sieben Fürsten und sieben Fürstinnen. Einst gab es acht Fürsten, doch einer wandte sich dem Licht ab.
Seitdem zählt er nicht mehr zu den Valar und sein Name wird nicht mehr ausgesprochen.
Sein Bruder Manwe ist der Herrscher über Arda. Er wird auch Súlimo, der Herr des Atems, genannt. Über alle Lüfte, Winde und Wolken über Arda herrscht er.
Varda ist die meistgeehrte und meistgeliebte unter den Elben. Sie ist die Herrin der Sterne und des Lichts. Wie du weißt, ist den Eldar das Sternenlicht am heiligsten."
„Ja. Als die Zwerge und ich gefangen genommen wurden, wurde gerade ein Fest gefeiert."
Ein Lächeln umspielte meine Lippen, als ich zurück an diese Zeit dachte. Damals hatte ich erfahren von elbischer Abstammung zu sein.
„Erzähl weiter Gandalf.", bat ich den Zauberer und er erzählte weiter: „Ulmo ist der Herr des Wassers. Mit seiner Macht reicht er fast an Manwe heran, doch er lebt in den Gewässern der Erde. In Meeren, Flüssen, Seen, Bäche und Brunnen. Er ist uns allen am nächsten und er hört unsere Nöte.
Aule ist der Erbauer aller Länder, der Meister aller Handwerke. Ihm gehören das Gold und die Edelsteine, die die Zwerge so schätzen und ihm gehört der Boden unter unseren Füßen.
Yavanna, die Spenderin der Früchte. Sie liebt alles was auf und in der Erde wächst und gedeiht. Die Elben nennen sie auch Kementári, Erdenkönigin.
Orome wird auch Aldaron, Herr der Wälder, genannt. Er ist der Jäger aller Ungeheuer und Bestien.
Seine Gemahlin Vána, die Ewigjunge ist die Herrin der Blumen und jüngere Schwester von Yavanna. Alle Blumen blühen, wenn sie kommt und alle Vögel singen.
Die Brüder Námo und Irmo sind die Herren der Geister.
Námo, der ältere, ist Hüter der Totenhäuser und ruft die Geister der Gefallenen auf. Er vergisst nichts und weiß alles.
Vaire die Weberin ist seine Gemahlin. Sie wirkt alles was passiert und je passiert ist in ihre Stoffe.
Irmo, der jüngere ist der Herr der Visionen und Träume.
Este, seine Gemahlin heilt von Wunden und Müdigkeit. Bei ihr schöpfen selbst die Valar neu Kraft.
Nienna ist die Schwester Námos und Irmos. Sie lebt allein. Trauer ist ihre Stärke und wer zu ihr kommt, lernt Mitleid und das Ausharren in der Hoffnung. Sie bringt dem Geist Stärke und wandelt Kummer in Weisheit.
Der letzte der Fürsten ist Tulkas der Tapfere. Er läuft schneller als jedes Pferd. Sein Haar ist golden und als Waffen reichen ihm seine Fäuste aus. Man könnte sagen, er ist ein junger Taugenichts, doch ist seine Freundschaft um einiges wertvoller als sein Rat.
Nessa ist seine Gemahlin und Oromes Schwester. Auch sie ist leichtfüßig und flink. Sie ist die Herrin aller Tänze."
Gandalf verstummte und sah mich an. „Ich würde sagen, das reicht erst einmal. Du wirkst müde und ausgelaugt. Schlaf ein bisschen, es ist noch genug Zeit, um zu lernen."
Müde nickte ich und schloss die Augen. Auch wenn es mich brennend interessierte, es war ein langer Tag und ich konnte meine Augenlieder kaum noch offen halten.
„Danke Gandalf.", flüsterte ich noch, da wiegten mich die Wellen in einen Traum von Wassermenschen, Steinriesen und von sprechenden Bäumen.
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Die Zukunft der Vergangenheit
Fantasy02.11.2019: Platz 1 in #Zukunft Zweiter Teil!! Erster Teil: Hin und wieder Zurück Die Schlacht der fünf Heere ist vorüber. Endlich kann sich Taleria auf den Weg machen und ihre Bestimmung finden. Doch muss sie zuerst ihre Vergangenheit kennen um ihr...