Kapitel 12

94 6 0
                                    

Taleria P.O.V.

„Taleria. Aufwachen, wir sind da." Grummelnd drehte ich mich um und vergrub meinen Kopf in meine Arme.
„Ach komm schon, wir müssen weiter." Ich zeigte keine Reaktion.
Dann hörte ich Schritte die sich von mir entfernten. Zufrieden lächelte ich und legte mich in eine bequemere Position und genoss die letzten Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht.
Plötzlich schwappte eiskaltes Wasser über meinen Kopf und durchnässte meine Haare und Kleidung. Erschrocken setzte ich mich auf und fiel dabei beinahe aus dem Kanu. Als ich mir meine nassen Haare aus den Augen strich, sah ich einen breit grinsenden Aragorn mit einem leeren Wasserschlauch in der Hand.
„Aragorn!" Wütend versuchte ich aufzustehen, was aber kläglich scheiterte, da ich mit meinem Fuß hängen blieb. So landete ich eher weniger graziös auf den Boden.
„Tut mir leid aber du wolltest es nicht anders.", lachte der schwarzhaarige vor mir.
„Ach halt doch einfach die Klappe.", knurrte ich und rappelte mich auf.
„Alles in Ordnung bei Euch?" Haldir kam mit besorgtem Blick angelaufen.
„Jaja alles bestens. Können wir jetzt endlich gehen?" Schlecht gelaunt stapfte ich an beiden Männern vorbei zu Gandalf, der das ganze Schauspiel schmunzelnd beobachtet hat.
„Sei still!", fuhr ich ihn an, als ich an ihm vorbeiging. Gandalfs Lachen ignorierend ging ich in den Wald, der jetzt im Dunkeln lag. Schon so spät? dachte ich überrascht.
„Taleria! Das ist die falsche Richtung!" Genervt stöhnte ich auf. Natürlich bin ich in die falsche Richtung gelaufen! Ohne ein Wort zu sagen, drehte ich mich um und ging in die entgegengesetzte Richtung. Dort stand Gandalf und winkte mich zu sich.
„Hast du gut geschlafen?"
„Ja. Zumindest bis Aragorn zu dem Schluss gekommen ist, dass ich wohl mal wieder eine Dusche benötigen würde."
Leise lachte der Zauberer. Dann wurde er aber wieder ernst.
„Bist du aufgeregt?" Mir war klar, was Gandalf meinte.
„Sie ist meine Großmutter. Ein Teil meiner Familie." Kurz sah ich Gandalf von der Seite an.
„Nein. Ich bin nicht aufgeregt. Ich bin einfach nur neugierig." Tatsächlich stimmte es. Ich verspürte keinerlei Aufregung. Seit ich wusste, wer meine Großmutter war, hatte ich genug Zeit, mich damit abzufinden. In mir war nur Neugier.
„Das ist gut." Gandalf lächelte mich leicht an. Schweigend gingen wir nebeneinander her. Aragorn, Haldir und der Rest der Elben waren ein paar Meter weiter vorne und unterhielten sich leise.
Erst jetzt bemerkte ich, wie müde ich eigentlich war. Nicht müde im körperlichen Sinne, sondern im geistlichen Sinne. Meine Gedanken waren es leid immer und immer wieder die gleichen Gedanken zu denken.
Seit Aislinns Tod hatte ich keinen Moment Ruhe, in dem ich mir um nichts Gedanken machen musste. Weder um mein Überleben, noch um irgendwelche Elbenkönige oder um meine komplizierten Familienumstände.
Hoffentlich sind wir bald da. Ich brauche Ruhe.

Während wir also durch den finsteren Wald stapften, beobachtete ich, wie sich der Wald zunehmend veränderte. Je weiter wir in den Wald vordrangen, desto höher und dicker wurden die Bäume. Mir fiel auf, dass es hier fast nur Laubbäume gab.
„Dieser Wald wirkt irgendwie freundlicher als der Düsterwald. Heller.", bemerkte ich leise und Gandalf drehte sich überrascht zu mir um.
„Das liegt daran, dass der Düsterwald schlichtweg krank ist. Sauron hat ihn mit seiner Anwesenheit vergiftet.", erklärte er mir mit finsterem Gesichtsausdruck.
Schweigend nickte ich und widmete mich wieder meiner Umgebung. Hier und da konnte ich ein paar kleine Bewegungen im Schatten ausmachen, doch sonst blieb es ruhig.
„Taleria!" Aragorn sah mich grinsend an, während er auf mich wartete. „Immer noch am Schmollen wegen vorhin?"
„Nein. Ich hatte die Dusche sowieso bitter nötig.", meinte ich grinsend und beschleunigte meine Schritte, um zu den anderen aufzuschließen.
Lachend boxte er mir in die Schulter und lief neben mir her.
„Warst du schon mal hier?", fragte ich ihn und sah ihn von der Seite an.
„In Lóthlórien? Ja einmal. Auf einer meiner Reisen wurde ich hier gefangen genommen und nach Caras Galadhon gebracht." Es sah so aus, als wollte er noch etwas sagen, doch er schwieg und grinste in sich hinein.
„Was ist dann passiert?"
„Naja, ich wurde in ein Zimmer gesperrt, wo ich warten musste, bis jemand kam, um mich abzuholen." Wieder grinste er vor sich hin.
„Jetzt sag schon! Lass dir nicht alles aus der Nase herausziehen! Wer hat dich abgeholt?" Wieder lachte Aragorn.
„Wer mich abgeholt hat? Die schönste Frau auf Erden." Ich wartete, ob er noch mehr sagen würde, doch er grinste nur dümmlich vor sich hin.
„Man, jetzt sag schon Aragorn! Habt ihr euch verliebt? Seid ihr zusammen?" Aufgeregt hüpfte ich neben meinem Freund her.
„Ja, kann man so sagen.", lachte Aragorn. „Wie sind verlobt."
„Verlobt?! Wie heißt sie? Woher kommt sie? Wie lange kennt ihr euch schon?" Die Fragen sprudelten einfach so aus meinem Mund.
„Sie heißt Arwen und–"
„Moment, Moment! Ich kenne diesen Namen. Herr Elrond hat ihn erwähnt, als ich mit den Zwergen in Bruchtal war!" Ich war selbst von mir überrascht, dass ich mich an dieses kleine Detail erinnern konnte.
„Wenn du mich einmal ausreden lassen würdest, dann könnte ich das erklären!" Die Schamesröte stieg mir ins Gesicht, während mich Aragorn mit einem belustigten Blick bedachte.
„Arwen ist Herr Elronds Tochter. Ich habe sie kennengelernt, als ich in Bruchtal zu Besuch war. Es war, wie die Barden sagen würden, liebe auf den ersten Blick." Er lachte.
„Als ich sie dann in Lóthlórien wieder getroffen hatte, da musste ich ihr einen Antrag machen, bevor es ein anderer tat." „Aber was machte sie denn in Lóthlórien, wenn sie doch in Bruchtal zu Hause ist?"
„Du stellst ganz schön viele Fragen was?" Aragorn lachte.
„Du kennst mich doch. Ich stelle immer Fragen. Also?" Ich machte eine auffordernde Geste mit meiner Hand und er sprach weiter: „Nun, Arwens Mutter ist gewissermaßen deine...Tante." Überrascht blieb ich stehen.
„Meine WAS?!"
„Deine Tante. Die Schwester deiner Mutter."
„Ich habe eine Tante? Hier?"
„Naja, nicht direkt. Celebrían segelte vor ein paar Jahrzehnten zu den unsterblichen Landen."
„Und sie ist nicht mehr zurückgekommen?"
„Nein. Wenn man einmal dort ist, ist es schwer wieder herauszukommen."
„Oh..." Betreten schaute ich zu Boden und lief wieder schweigend neben Aragorn her.
Plötzlich fasste Aragorn mich am Arm.
„Wa-?", fing ich verdutzt an, doch er unterbrach mich mit einem Kopfschütteln.
Da richtete ich meinen Blick nach vorne. Haldir, Gandalf und der andere Elb, ich konnte mir seinen Namen einfach nicht merken, standen dort von ungefähr zwanzig Elben umzingelt. Uns hatten sie noch nicht bemerkt.
„Aragorn. Die tun uns doch nichts! Haldir ist bei uns und Gandalf!", flüsterte ich leise, damit sie uns nicht hörten.
„Elben sind nicht gerade freundlich, wenn es um den Schutz ihrer Grenzen geht. Wart ab.", murmelte er und zog mich leise ins Gebüsch.
Von dort aus beobachteten wir, wie Haldir mit den Elben sprach. Anscheinend kannten sie sich, denn einer der Wachen verbeugte sich kurz und begrüßte ihn. Dann schien sich die Lage zu entspannen.
„Na los, lass uns zu ihnen gehen.", meinte ich und zog Aragorn am Arm aus dem Gebüsch. Er protestierte leise, doch die Elben hatten uns schon entdeckt. Kaum einen Augenblick später waren sämtliche Waffen auf uns gerichtet.
Schweigend sahen wir uns an, dann traten wir auf den Weg und gingen langsam zu den anderen. Aragorn hob die Hände und legte seine Waffen nieder, ich tat es ihm gleich und legte Schwert und Bogen nieder.
„Mein Name ist Aragorn, Sohn von Arathorn und das ist Taleria, Tochter von..." Mir fiel auf, dass ich in all der Zeit noch niemanden den Namen meiner Mutter gesagt hatte.
„Lyeera.", ergänzte ich schnell. Eigentlich hieß meine Mutter ja Alexandra, aber da das „die Beschützerin" bedeutete, übersetzte ich das einfach in Sindarin.
„Lyeera...das ist doch..." ungläubig starrte mich der fremde Wachmann an. Dann verengte er seine Augen zu schlitzen
„Na gut. Mitkommen!", sagte er barsch und drehte sich um. Aragorn und ich sahen uns an, dann zuckte er mit den Schultern, nahm seine Waffen und folgte den anderen. Ich starrte ihm noch ein paar Sekunden nach, dann nahm ich auch meine Waffen und beeilte mich zu den anderen aufzuschließen

Die Zukunft der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt