Kapitel 4

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Allgemeine P.O.V.

Es war eine klare Nacht. Tausende und abertausende Sterne funkelten um die Wette und winzige Schneeflocken fielen auf den Waldboden.
Eine kühle Brise ließ die Blätter des Waldes rascheln. In diesem Wald gab es eine Lichtung. Dem Anschein nach, war es keine Besondere Lichtung, doch dieser Schein wurde getrübt, als eine wunderschöne Frau besagte Lichtung betrat.
Ihre langen blonden Haare wogen sanft im Wind und in ihren Augen lag etwas Besonderes. Berechnend, wissend und doch warm und freundlich.
Sie war eine Elbe, das hätte sogar ein unwissender, kleiner Hobbit erkannt. Der Anmut in ihren Bewegungen sprach deutlich dafür. Doch war die Elbe nicht hier, um die kühle Nachtluft zu genießen. Sie hatte etwas ganz Besonderes vor.
Die Schönheit bewegte sich auf einen großen Felsen zu, der in der Mitte der kleinen Lichtung lag. Sie strich mit ihrer Hand sanft über die Oberfläche und wartete. Erst sah es so aus, als hätte es nicht gewirkt, doch dann veränderte sich die Form des Felsens.
Er verformte sich, wie eine feuchte Tonmasse, zu einer großen Schale. Doch diese Schale war nicht leer. Nein, sie bis zum Rand gefüllt mit einer funkelnden Flüssigkeit, die dem Wasser sehr ähnlichsah. Doch hatte sie so viel mehr Bedeutung als Wasser.
Die Elbe bewegte sich langsam auf die Schale zu und blickte vorsichtig hinein. „Zeig sie mir.", flüsterte sie mit ihrer melodischen Stimme.
Plötzlich erschien ein Bild in der Flüssigkeit. Auf diesem Bild sah man ein Mädchen mit braunen Haaren. Sie saß an einem Tisch und beugte sich gerade über einige Schriftrollen.
Dann, als ob sie gespürt hätte, dass sie beobachtet wurde, blickte sie auf und sah direkt in das Gesicht der blonden Elbe.
„Du!", flüsterte das Mädchen. Anscheinend konnte sie die Elbe sehen.
„Ja Taleria. Ich bin es und du weißt auch wer ich bin. Du hast es immer schon gewusst.", lächelte diese.
„Wovon redest du? Ich habe dich noch nie gesehen!"
„Nein hast du nicht. Deshalb musst du zu mir kommen! Gandalf weiß wo ich bin, folge ihm."
„Gandalf? Gandalf ist nicht hier!"
„Er wird kommen. Auf ein Wiedersehen Taleria.", lächelte die Elbe und strich wieder über den Stein.
„Nein! Wer bist du?", rief das Mädchen während das Bild von ihr zu verschwimmen begann.
„Ich bin deine Großmutter." Das letzte, was die Elbe erkennen konnte, waren die weit aufgerissenen grünen Augen ihrer Enkelin.

Taleria P.O.V.

Wie gelähmt saß ich auf dem zierlichen Stuhl vor dem Arbeitstisch in meinem Zimmer. In meinem Kopf sah ich immer noch das schöne Gesicht der Elbe.
Großmutter... Nur dieses eine Wort stellte schon wieder alles auf den Kopf. Tausend Fragen schwirrten in meinen Gedanken umher und doch konnte ich an nichts als dieses Wort denken.
Großmutter... Noch immer konnte ich es nicht fassen. Warum um alles in der Welt sagte sie mir das erst jetzt? Offensichtlich konnte sie ja jederzeit Kontakt aufnehmen. Ich stöhnte laut auf und ließ meinen Kopf mehr oder weniger sanft auf die Tischplatte sinken. Das war zu viel für meinen Kopf.
Na gut Taleria. Beruhige dich. Mit einem Ruck stand ich auf und drehte mich einmal im Kreis. Schlafen wäre sowieso unmöglich gewesen, also fasste ich kurzer Hand einen Entschluss.
Ich musste den Kopf endlich frei von allen bekommen und alles erstmal wieder einsortieren. Danach konnte ich mich meinen Problemen widmen. Schnellen Schrittes ging ich durch die vielen Gänge.
Zweimal musste ich wieder umkehren, da ich falsch abgebogen bin, doch schließlich kam ich an meinem Ziel an. Leise öffnete ich die Tür zu den Stallungen. „Koriat?", flüsterte ich in den Raum.
Zuerst war es still, doch dann kam ein leises Schnauben aus einer der hinteren Boxen zurück. Leise ging ich zu der Box, aus der das Schauben gekommen ist.
„Na mein Großer? Wie geht's dir so?", fragte ich Koriat während ich ihm sanft über seine Nüstern strich.
„Mir geht's super. Dir nicht, sonst wärst du nicht zu solch einer unmenschlichen Zeit hier aufgetaucht."
„Tut mir leid. Ich bin etwas überfordert mit alledem hier."
„Ich weiß."
„Natürlich weißt du das."
Lachend vergrub ich mein Gesicht in seiner dichten Mähne.
„Was soll ich nur machen, Koriat?"

„Wie wär's mit schlafen gehen?"
„Wie denn? Mir schwirrt der Kopf von all den Sachen, die passiert sind. Erst erklärt mir diese verrückte Elbe, dass alles von abhängt, was auch immer das bedeuten soll, dann sterben meine zwei besten Freunde und heute erzählt mir diese Elbe, dass sie meine verdammte Großmutter ist! Ich habe keine Ahnung was ich machen soll."

„Hast du da nicht was vergessen?"
Fragen hob ich meinen Kopf aus seiner Mähne. „Wie bitte?" 

„Vielleicht etwas großes Blondes?"
„Wovon redest du?"

„Ach Taleria! Ich spüre doch deine Gefühle gegenüber ihm. Denkst du nicht, du solltest das endlich klären?"
Peinlich berührt blickte ich auf meine Füße. Mir war nicht bewusst, dass Koriat meine Gefühle spürt.
„Ich denke, das ist im Moment das geringste Problem. Wenn das alles hier vorbei ist, dann vielleicht."

„Ich glaube, dass das das wichtigste Problem ist. Du kannst die anderen Probleme nicht lösen, wenn dein Herz schmerzt."
Sanft stupste mich Koriat mit seiner Nase an und blies mir seinen warmen Atem ins Gesicht.
„Heute mal wieder sehr poetisch unterwegs.", grummelte ich und wickelte mir eine Strähne seiner Mähne um den Zeigefinger.

„Lenk jetzt nicht vom Thema ab. Du musst mit ihm sprechen. Am besten noch heute, dass du wenigstens etwas schlafen kannst."
„Ich kann doch nicht mitten in der Nacht in sein Zimmer spazieren und über meine Gefühle sprechen! Was würde er dann bitte von mir denken?"
„Er würde sich Sorgen um dich machen und sich fragen, was passiert ist, dass du um diese Zeit noch wach bist.", meinte plötzlich eine Stimme hinter mir. ‚
Schnell drehte ich mich um und stieß mir dabei meinen Ellbogen an der Boxentür an.
„Verdammt! Erschreck mich nie wieder so Élor!", rief ich und hielt mir meinen Ellbogen.
Dieser hörte mich allerdings gar nicht, da er vor lauter Lachen Schwierigkeiten damit hatte, sich auf den Beinen zu halten.
„Halt die Klappe, Idiot.", fuhr ich ihn genervt an und verdrehte die Augen.
„Woah, ruhig Kleines! Tut mir leid, dass ich dich so erschreckt habe, aber ich habe Patrouille und musste der geheimnisvollen Stimme in den Stallungen nachgehen.", grinste mich Élor schelmisch an.
„Um zurück zum Thema zu kommen,", fuhr er fort. „Ich denke du solltest zu ihm gehen. Heute noch. Wahrscheinlich sitz er noch an den ganzen Berichten, die sich in den letzten Wochen angesammelt haben."
Misstrauisch wechselte ich meinen Blick zwischen Koriat und Élor.
Schließlich gab ich auf und verabschiedete mich schweren Herzens von Koriat. Dieser schien allerdings nicht vor Sehnsucht zu zerfallen, denn kaum, dass ich mich umgedreht hatte, hörte ich es rascheln und dann ein lautes Plumps.
Anscheinen hatte er es sich sogleich im Strohbett gemütlich gemacht. Schweigend folgte ich Élor aus den Stallungen, anscheinend wollte er sichergehen, dass ich auch wirklich mit Thranduil sprach, denn er wich mir den ganzen Weg über nicht von der Seite.
„Woher wusstest du eigentlich über wen wir gesprochen haben?"
„Also bitte! Ich bin weder blind noch taub Kleines. Wir sind da."
Mit mulmigem Gefühl im Bauch stand ich vor der Tür zu Thranduils Zimmer.
„Na los Kleines. Du schaffst das.", murmelte Élor und klopfte für mich an die Zimmertür.
Dann war er auch schon wieder verschwunden. Von innen drang ein leises „Herein" durch die Tür. Ich atmete einmal tief durch und schob dann langsam die Tür auf.

Die Zukunft der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt