Kapitel 6

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Taleria P.O.V.

Das erste was ich sah, als ich meine Augen öffnete, waren... Haare. Ja genau, Haare.
Aber nicht meine eigenen Haare, es sei denn jemand hatte mir über Nacht die Haare blond gefärbt. Wie sich herausstellte, hatte Thranduil den Großteil des Bettes in Beschlag genommen und mich somit ziemlich an den Rand gedrängt. Seufzend stand ich auf und streckte mich erst einmal.
So gut hatte ich schon seit Wochen nicht mehr geschlafen. Etwas benommen starrte ich in den großen Standspiegel, der neben der Zimmertür stand.
Beinahe hätte ich mich nicht wiedererkannt. Meine Haare hingen in fettigen Strähnen schlaff herunter, meine Augen waren jeweils von einem erschreckend dunklen Schatten umgeben und mein Gesicht sah aus, als wäre ich gestern betrunken in ein Schlammloch gefallen und nicht mehr herausgekommen. Sprich: Ich brauchte dringend mal wieder ein Bad.
Da ich Thranduil nicht wecken wollte, schrieb ich auf einem kleinen Blatt eine Nachricht. Gottseidank hatte Thranduil Feder, Tinte und Papier am Arbeitstisch.
Leise schlich ich in mein Zimmer, schnappte mir schnell das erstbeste, saubere Gewand und machte mich sogleich auf zum Bad.

Thranduil P.O.V.

Verwirrt öffnete ich meine Augen. Ist das gestern wirklich alles passiert? Ist Taleria wirklich wieder hier, bei mir? Verschlafen blickte ich mich in meinen Gemächern um. Es war niemand hier.
Vielleicht hatte ich alles nur geträumt? Langsam stand ich auf und ging zu meinem Arbeitstisch. Eigentlich sollten dort die Berichte aus dem Reich liegen, doch stattdessen fand ich einen kleinen Zettel vor.
Ich komme bald wieder. Ich benötige dringend ein Bad.
Grinsend starrte ich auf den Zettel. Also war es wirklich war. Taleria war zurückgekommen. Und wir haben gestern noch geredet.
Erst jetzt realisierte ich, was das wirklich bedeutete. Ihr erging es gleich wie mir!
Sie fühlte das gleiche für mich, wie ich für sie. Glücklich grinsend kleidete ich mich an und machte mich auf den Weg zum Frühstück.

Taleria P.O.V.

Sauber und mit frischem Gewand machte ich mich endlich auf den Weg zum Frühstück. Schweigend setzte ich mich zu Élor und Thranduil, welche schon am Tisch saßen und aßen, und füllte meinen Teller mit belegten Brötchen aller Art.
Viel zu lange hatte ich schon nichts Anständiges mehr gegessen. Erst als ich aussah bemerkte ich Élors Grinsen und den schelmischen Blick, den er mir immer wieder zuwarf.
„Habe ich was im Gesicht oder wieso grinst so dämlich?"
„Ach, ist nicht allzu wichtig.", grinste mich der braunhaarige Elb an.
„Jetzt sag schon! Dann ich in Ruhe mein Frühstück genießen."
„Nein wirklich. Nicht so wichtig."
„Aha." Mit gerunzelter Stirn widmete ich mich wieder meinem Frühstück. Die Hälfte meines Tellers war bereits leer, als Thranduil aufstand und sich entschuldigte.
Er habe noch einige Sachen zu erledigen, meinte er. Kaum, dass Thranduil außer Hörweite war, wandte sich Élor an mich. „Na, was habe ich dir gesagt?"
„Was meinst du?"
„Ach komm schon! Das weißt du genau! Wie lief es gestern noch?"
„Ach das, wir haben nur geredet, dann bin ich eingeschlafen."
„Nur geredet also, was? Also habt ihr nichts weiter...gemacht?"
Prompt verschluckte ich mich an der Milch, die ich gerade trinken wollte. „Élor! Nein! Nur geredet, nichts weiter.", lachte ich.
Das restliche Frühstück verbrachte ich damit, meinen Teller zu leeren. Schließlich stand ich auf, entschuldigte mich bei Élor und ging in mein Zimmer.
Mit vollem Bauch warf ich mich auf mein Bett und genoss die Sonnenstrahlen, welche durch das Fenster auf mein Gesicht fiel.
Die Vögel zwitscherten laut und ich konnte das Rauschen des Wasserfalls ausmachen. Ein leises Klopfen an meiner Tür riss mich aus meiner Ruhe. Genervt stand ich auf und öffnete die Tür.
Vor der Tür stand eine Wache mit einer kleinen Pergamentrolle in der Hand. „Für Euch, meine Herrin."
Die Wache drückte mir die Rolle in die Hand, verbeugte sich kurz und verschwand wieder.
Lächelnd schüttelte ich den Kopf. An dieses Getue mit 'meine Herrin' werde ich mich wohl nicht ganz gewöhnen. Sachte öffnete ich die Pergamentrolle.
Training auf der Lichtung im Wald. Jetzt.
Wenig später stapfte ich mit Bogen und Langschwert bewaffnet durch den Wald. Nachdem ich fünfmal am gleichen Felsbrocken vorbeigerannt bin, ließ ich mich frustriert auf den Boden plumpsen.
Wie zum Teufel soll ich zu dieser Verdammten Lichtung zurückfinden?
„Hast du dich verlaufen?"
„Nein. Weißt du, ich wollte mir einfach mal den Wald genauer ansehen.", entnervt drehte ich mich zu Élor um und grinste ihn schief an.
„Aber ich würde mich natürlich außerordentlich freuen, wenn du mich zu dieser Lichtung begleiten würdest."
„Das würde ich ja wahnsinnig gerne, aber ich muss zu den Wachen an den Grenzen. Wenn also keine Notwendigkeit besteht, dann gehe ich jetzt weiter."
Élor hatte sich schon umgewandt und entfernte sich mit schnellen Schritten von mir.
„Na gut! Ich habe mich verlaufen! Würdest du mir jetzt bitte den Weg zeigen?" Breit grinsend drehte sich der Elb zu mir um und ging an mir vorbei.
„Für dich würde ich das doch immer machen, liebste Taleria. Wenn du mir jetzt Folgen würdest."
Wie sich herausstellte, war die Lichtung keine drei Minuten entfernt und ich war einfach nur daran vorbeigelaufen.
Thranduil wartete schon ungeduldig vor der Zielscheibe. „Wo warst du so lange?"
„Es könnte sein, dass ich mich nicht mehr ganz an den Weg erinnern konnte."
„Danke Élor, du kannst jetzt gehen.", wandte sich der König an meinen Begleiter.
Er wartete bis Élor zwischen den Bäumen verschwunden war, dann drehte er sich grinsend zu mir um.
„Soso, du hast dich also verlaufen."
„Nicht direkt. Ich habe die ganze Zeit gewusst, dass ich im Kreis laufe.", lächelnd ging ich einige Schritte zurück und zog mein Schwert aus seiner Scheide.
„Aber jetzt bin ich hier, also fangen wir an." Das Training dauerte lange und als wir zusammen zum Palast zurückkehrten, dämmerte es bereits.
„Du brauchst ein neues Schwert. Mit diesem Ding kommst du nicht weit."
„Was ist so schlimm daran?"
„Es wurde von Menschen geschmiedet. Nicht mehr lange und es beginnt zu rosten. Ich werde dem Schmied anordnen, dir eines anzufertigen."
Den restlichen Weg lang schwiegen wir. Es dauerte nicht lange, da waren wir auch schon wieder im Palast.
„Hast du Hunger? Wir haben das Abendessen gerade verpasst." Kaum, dass Thranduil zu Ende gesprochen hatte, antwortete ihm mein Magen mit einem lauten Knurren.
„Na dann, gehen wir mal in die Küche.", lachte der König.
In der Küche angekommen schlug mir schon ein verführerischer Duft von frisch gebackenem Brot in die Nase.
Kaum, dass die Köchinnen ihren König erblickten, brachten sie uns auch schon eine Platte voller Obst und Gemüse. Schweigend aßen wir unser Abendbrot.
Schließlich verabschiedete ich mich von Thranduil und wünschte den Köchinnen eine gute Nacht, dann machte ich mich auf den Weg in mein warmes, weiches Bett.
Es war ein langer Tag und meine Muskeln schmerzten bei jedem Schritt.
Kaum, dass ich ins Bett gefallen bin, schlief ich auch schon ein.

Die Zukunft der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt