Kapitel 14

92 6 0
                                    

Taleria P.O.V.

Meine Hand strich über die von Furchen durchzogene Rinde, während ich Stufe für Stufe nach oben stieg.
Wenn ich auf dem Weg schon nervös war, dann verwandelte sich jetzt mein inneres in einen gewaltigen Wirbelsturm, der meine Gedanken hin und her warf.
Verständlich, wenn man bedenkt, dass ich hier gerade auf den Weg zu meinen Großeltern war und diese rein zufällig die Herrscher über Lóthlórien waren.
Was wenn sie mich nicht mögen? Wenn ich nicht ihren Erwartungen entspreche? Vielleicht sind sie so enttäuscht, dass sie mich gleich wieder wegschicken!
Ich war so mit meinen Gedanken beschäftigt, dass ich gar nicht bemerkt habe, wie ich stehen geblieben bin. „Na los Taleria. Du hast gegen hunderte von Orks gekämpft, da wirst du das auch noch schaffen.", murmelte ich mir Mut zu.
Entschlossen brachte ich die letzten Stufen hinter mich und versuchte dabei all die negativen Gedanken in die hinterste Ecke meines Gehirns zu verbannen. Plötzlich sprang eine schlanke Gestalt aus dem Blätterdach und versperrte mir den Weg. „Wer seid Ihr und was wollt Ihr hier?", fragte mich die mit Pfeil und Bogen bewaffnete Person.
„Mein Name ist Taleria, Tochter von Lyeera und ich bin hier, um meine Großeltern, Galadriel und Celebron zu treffen."
Meine Stimme klang wohl nicht so zittrig, wie ich mich fühlte, denn die Wache ließ seine Waffe sinken, jedoch bereit mich sofort unschädlich zu machen.
„Wie kann ich sichergehen, dass Ihr seid wer Ihr zu sein behauptet?" Ich musste kurz darüber nachdenken, was dieser Satz überhaupt bedeutete.
„Äh... Ich schätze das könnt Ihr nicht. Aber meine Begleiter müssten schon hier sein. Aragorn und Gandalf der Graue. Fragt sie und sie werden meine Geschichte bestätigen."
„Glaubt ihr etwa, dass ich so dumm bin? Ihr würdet von hier verschwinden, sobald ich mich umdrehe." Genervt wollte ich zu einer Antwort ansetzen, da schloss sich plötzlich eine Hand um meine Schulter.
„Keine Sorge Feynír. Sie gehört zu mir." Verwirrt drehte ich mich um und begutachtete meinen unerwarteten Helfer. Der hochgewachsener Elb mit braunen Haaren besah mich mit einem Blick, der wohl so etwas wie: Sei einfach still und lass mich reden! bedeuten sollte.
Also nickte ich einfach und verschränkte meine Arme vor der Brust. „W-wirklich? Tut m-mir leid, i-ich..."
„Feynír!" Mit strengem Blick unterbrach mein Helfer das sinnlose Gestotter des Wachmannes. Sofort verstummte dieser und trat mit hochrotem Gesicht aus dem Weg. „Entschuldigt mein Verhalten, Hauptmann."
Dieser verdrehte nur die Augen und bedeutete mir ihm zu folgen. Verwirrt folge ich ihm und wartete, bis wir außer Hörweite waren. Dann fragte ich ihn: „Warum habt Ihr das getan?"
Er lachte. „Nun, ein Temperament wie das Eure würde ich überall wiedererkennen."
„Was soll das heißen? Welches Temperament?"
„Ich kannte Eure Mutter." Der Hauptmann sah mich kurz von der Seite an. „Ihr seht ihr sehr ähnlich. Das gleiche Gesicht, die gleichen Augen.", stellte er fest.
„Und wie ist Euer Name?", fragte ich ihn. „Mein Name hm... Namen sind sehr gefährlich aber das wisst Ihr natürlich nicht. Keine Sorge, Ihr werdet alles lernen. Jetzt kommt erst einmal mit."
Dieser Mann verwirrte mich. Sehr. Wie zum Teufel sollten Namen gefährlich sein? Trotz meiner sichtlichen Verwirrung fragte ich nicht weiter nach. Ich wollte einfach nur noch schlafen.
„Ihr seid müde.", bemerkte der Hauptmann. „Keine Sorge, Eure Großeltern werdet Ihr morgen auch noch treffen können."
Er öffnete eine Tür zu meiner Rechten. „Hier könnt Ihr schlafen. Ich benachrichtige die andern, dass Ihr sicher angekommen seid. Der Rest kann bis morgen warten. Gute Nacht."
Und schon verschwand er wieder. Ich kümmerte mich nicht weiter um ihn, sondern ließ mich einfach in das weiche Bett fallen.

Das erste was ich nach dem Aufwachen bemerkte, war, dass ich in einem Bett lag. Das zweite war, dass meine Haare frisch gewaschen und meine Nägel geschnitten und gesäubert worden sind.
Die Sonne schien durch ein Fenster in den hölzernen Raum in welchem ich lag. „Du siehst gut aus. Irgendwie."
Im Türrahmen stand ein grinsender Aragorn. „Guten Morgen. Du auch.", lachte ich ihn an. Und es stimmte.
Der sonst so ernste und nachdenkliche Aragorn hatte ein losgelassenes Lächeln auf den Lippen und wirkte viel entspannter. „Wo warst du gestern? Wir haben einen Suchtrupp losgeschickt, aber da warst du ja schon hier."
„Ich war etwas abgelenkt und naja, da wart ihr auch schon weg. Ist doch jetzt egal. Ich bin hier und wir können endlich mit der Planung von...allem anfangen." Energiegeladen sprang ich aus dem Bett und ging zum Kleiderschrank, der nebenbei bemerkt riesig war.
„Aragorn."
„Ja?"
„Könntest du bitte die Tür schließen?" Da Aragorn nach ein paar Sekunden die Tür immer noch nicht geschlossen hatte, drehte ich mich zu ihm um und erklärte: „Ich möchte mich umziehen."
„Ach so! Äh, ja natürlich. Ich... ähm ja." Verlegen kratzte sich Aragorn am Hinterkopf und schloss die Tür hinter sich. Lachend drehte ich mich wieder zu dem großen Schrank um.
Dieser Kleiderschrank war ein Traum für jedes Mädchen. Dutzende von Kleidern hingen sorgfältig geordnet an einer Stange, eines schöner als das andere.
Nur leider war keines davon geeignet für lange Reisen, geschweige denn für Auseinandersetzungen mit Orks. Allerdings bezweifelte ich, dass ich in Lóthlórien großartig kämpfen musste, also entschied ich mich für ein dunkelgrünes Kleid, das vorne bis zu den Knien ging und nach hinten immer länger wurde.
Meine Haare wurden bereits gekämmt, also schlüpfte ich in meine Schuhe und machte mich auf den Weg nach draußen. Aragorn stand neben der Tür und grinste mich an, als ich den Flur betrat. „Auch mal fertig? Na, dann können wir ja jetzt los. Du wirst schon erwartet."
Eher wenige begeistert folgte ich Aragorn, allerdings besserte sich meine Laune schnell, als ich die Umgebung genauer betrachte.
Die Stadt Caras Galadhon wurde ausschließlich in den Bäumen errichtet. Zwar hatte ich die Stadt gestern schon gesehen, doch bei Tageslicht wirkte das alles noch viel heller und freundlicher.
Staunend folgte ich Aragorn. Ich konnte spüren, wie die Magie durch jeden Ast dieses Waldes pulsierte. Wie ein schlagendes Herz. Wir begegneten vielen Elben, die uns freundlich begrüßten. Ein paar Elben in Rüstung verbeugten sich sogar vor uns.
Nacheiniger Zeit kamen wir an einem Torbogen an und wir wurden von den Wachen aufgehalten. „Die Herrin möchte mit ihrer Enkelin allein sprechen."
Fragend sah ich Aragorn an, doch dieser nickte nur und trat beiseite. Zögernd trat ich durch das Tor und drehte mich noch einmal unsicher um.
„Geh. Ich warte hier auf dich.", versicherte mir Aragorn.
Also ging ich weiter. Nervös wie ich war, stellte ich mir wieder vor, wie sie mich nur auslachten und wieder nachhause schickten. Da erst bemerkte ich, dass ich überhaupt nicht wegwollte.
Ich dachte immer, wenn das alles vorbei ist, gehe ich wieder nach Hause, zu meinem normalen Leben.
Doch was würde ich dort machen? Weiter studieren? Ohne Aislinn? Nein, in meinem alten Leben gab es nichts mehr für mich, außer meiner Mutter. Doch selbst sie gehört dort nicht hinein. Sie gehörte hierher, genauso wie ich.
„Wir werden einen Weg finden, mein Kind. Alles wird gut." Erschrocken sah ich auf und bemerkte, dass ich geradewegs in den Thronsaal gelaufen bin.
Direkt vor meiner Nase saß meine Großmutter. Wunderschön und mit einer einschüchternden Aura saß sie auf einem hölzernen Thron, welcher mit Marmor verziert wurde.
Direkt neben ihr saß ein Mann. Celebron, wie ich vermutete. Hastig verbeugte ich mich vor meinen Großeltern: „Frau Galadriel, Herr Celebron. Ich freue mich Euch endlich kennenzulernen!"
„Guten Morgen, Taleria. Wie ich sehe hat dich Thranduil gut in die Sitten der Elben eingeführt, " begann Frau Galadriel „doch wir sind deine Familie. Vor uns musst du dich nicht verneigen."
Warm lächelnd erhob sie sich und kam auf mich zu. Mit einer Hand auf meiner Schulter betrachtete sie mich.
„Du siehst genauso aus wie sie. Nur deine Haare, die musst du von deinem Vater haben." Schüchtern lächelte ich sie an.
„Taleria!" Nun kam auch Celeron auf uns zu. „Es freut mich dich kennenzulernen. Thranduil und Gandalf haben uns bereits über deine bisherigen Erfahrungen unterrichtet. Das mit deiner Freundin tut uns leid."
Betrübt starrte ich auf meine Füße: „Ja, mir auch. Aber ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um sie zurück zu holen und diesen Krieg zu gewinnen."
Entschlossen richtete ich meinen Blick wieder auf meinen Großvater. „Ihr müsst mir nur zeigen wie."
„Und das werden wir auch. Aber erst einmal möchte ich erfahren, wer meine Enkeltochter ist und was ihr alles schon widerfahren ist.", mischte sich Galadriel ein und zog mich sanft zu einer Tür neben ihrem Thron. „Gandalf möchte sowieso mit Celebron sprechen. Währenddessen haben wir etwas Zeit."
Das Zimmer, in das die Tür führte war gemütlich eingerichtet und in der Mitte des Raumes standen einige gepolsterte Sessel und ein kleines Tischchen, auf welchem Tee und Kekse bereitstanden.
„So mein Kind. Und nun erzählst du uns deine Version dieser ganzen Geschichte.", meinte Galadriel und schenkte mir eine Tasse Tee ein.

Die Zukunft der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt