Taleria P.O.V.
Der Düsterwald lag weit hinter uns und vor uns lag eine verschneite Ebene.
Rechts von uns ragten die Nebelberge wie eine bedrohliche Mauer aus der Erde, als wollten sie uns davor abhalten nach Westen zu ziehen. Wir zogen den Anduin flussabwärts nach Süden.
Hin und wieder begegneten wir kleinen Gruppen von Orks, die in den Osten zogen. Schließlich erreichten wir eine Anhöhe, von der aus man viele Meilen über das Land ringsum betrachten konnte. Aragorn fasste mich am Arm und zeigte auf eine dunkle Linie im Süden. „Dort, siehst du? Wir haben Lóthlórien fast erreicht! Vielleicht noch drei Tagesritte, wenn wir eine Nacht lang durchreiten."
„Das ist ja ganz toll, aber hast du vielleicht eine Ahnung, wie wir diesen riesigen Fluss überqueren können, der noch zwischen uns und unserem Ziel liegt? Ich kann ja schwimmen, doch ich bezweifle, dass die Pferde das schaffen.", meinte ich belustigt.
„Hey! Ich kann dich hören, Kleine.", schaltete sich Koriat ein.
„Kannst du etwa schwimmen?"
„Natürlich nicht! Ich bin ein Meara und kein Fisch."
Entrüstet schnaubte Koriat mit den Nüstern und stampfte mit seinem Huf auf den schneebedeckten Boden auf.
Mit einem Schmunzeln kraulte ich ihn hinter den Ohren und dachte weiter darüber nach, wie wir auf die andere Seite kommen würden. „Ich schlage vor, wir ziehen weiter nach Süden. Der Anduin fließt direkt am Wald vorbei, dort könnten wir dann versuchen den Fluss zu überqueren. Ich werde eine Botschaft zu Frau Galadriel schicken und ihr sagen, dass wir bald ankommen werden.", beschloss Gandalf schlussendlich.
Also machten wir uns, nach einer kleinen Stärkung, wieder auf den Weg nach Süden. Meistens unterhielt ich mich mit Koriat. Wir hatten irgendwie so wenig Zeit, dass wir kaum etwas voneinander wussten, also erzählte ich ihm alles Wissenswerte in meinem Leben.
Meine Familie, mein Studium, wie ich hierherkam und schließlich die Reise zum Erebor.
Er hingegen, machte sich gar nicht erst die Mühe, mir alles zu erzählen. Stattdessen ließ er einfach seine Erinnerungen und Empfindungen in mein Bewusstsein strömen.
Wie er als kleines Fohlen in den Ställen Thranduils aufgewachsen ist, seinen ersten Erkundungsgang im Wald, sogar das erste Mal, als ein Elb auf ihm geritten war. Es waren so viele Erinnerungen, dass ich das Gefühl hatte, nicht einmal die Hälfte von all dem erfasst zu haben.
Als wir unser Lager aufschlugen gesellte sich Aragorn zu mir und er erzählte mir vieles über die Geschichte von Mittelerde.
„Aragorn?", fragte ich ihn, als wir unser Nachtlager vorbereiteten. „Gibt es eigentlich noch Drachen in Mittelerde? Der einzige, den ich bis jetzt gesehen habe war Smaug und selbst der liegt jetzt tot am Grund des Sees."
„Ich glaube nicht. Früher hat es wohl viele davon gegeben, doch jetzt sind sie alle verschwunden oder tot. Drachen haben nicht gerade den besten Ruf, weißt du."
„Ja ich weiß, aber es muss doch noch irgendwo Drachen geben! Sie können doch nicht einfach vom Erdboden verschluckt worden sein."
Mit misstrauischem Blick sah mir Aragorn ins Gesicht. „Warum zeigst du so ein Interesse an Drachen? Wir haben momentan weitaus wichtigeres zu besprechen als Drachen."
„Naja...", fing ich an zu erklären. „Zuhause habe ich viele Geschichten über Drachen gehört. Wie furchteinflößend und majestätisch sie doch seien. Ich habe mich immer gewundert, wie Drachen wohl wirklich aussehen. Dann habe ich Smaug am Grund des Sees gesehen und in irgendeiner Weise war ich...fasziniert von...von diesem Stolz, der selbst nach seinem Tot noch in seinen Augen zu sehen war."
Gedankenverloren starrte ich in die Flammen des Lagerfeuers. Ich bemerkte gar nicht, dass Aragorn aufgestanden war.
„Tja, die Drachen sind fort und das ist auch gut so. Wir haben genug Probleme. Auch ohne sie." Dann legte er sich auf seine Decke und schloss die Augen.
Es dauerte nicht lange, da hörte ich ein leises Schnarche aus seiner Richtung. Erst jetzt fiel mir auf, dass der Zauberer gar nicht im Lager war. Verwundert sah ich mich um, erblickte ihn aber nicht.
Es wird schon nichts passiert sein, dachte ich mir träge, dann fielen mir die Augen auch schon zu und ich fiel in einen Traumlosen Schlaf.
„Taleria! Wach auf! Wir müssen los." Aragorn rüttelte sanft an ihrer Schulter.
Mit verschlafenem Blick öffnete ich meine Augen einen kleinen Spalt breit „Hmmmm?"
„Die Sonne geht gleich auf. Gandalf will weiter reiten. Los komm schon!" „Hmmmm." Stöhnend vergrub mein Gesicht in meiner Decke.
Hinter mir hörte ich Aragorn lachen. Schließlich stand ich doch auf und rollte meine Decke zusammen.
Sobald ich, als letzte, im Sattel saß, setzten wir unseren Weg nach Süden fort. Aragorn ritt ein Stück voraus, um den Weg nach Orks und dergleichen abzusuchen, während Gandalf bei mir blieb und mir alles Mögliche über Lóthlórien. „Du bist doch ein Zauberer Gandalf."
„Ja." Etwas verwirrt sah Gandalf mich von der Seite her an.
„Ist meine Großmutter auch so etwas wie eine Zauberin? Ich meine, du kennst sie und sie hat mich im Traum besucht. Außerdem hat sie so ein...Auftreten."
„Ein Auftreten?", lachte Gandalf.
„Ja. Es ist, als ob eine starke Energie in ihr pulsieren würde, so stark, dass man es von außen sehen kann."
Wieder lachte Gandalf. „Nun, du hast schon recht. Sie hat durchaus ein eindrucksvolles Auftreten. Frau Galadriel hatte schon immer eine Vorliebe für das Sonderbare."
„Frau Galadriel? Ist sie irgendein hohes Tier oder so?", fragte ich, was mir einen perplexen Blick von Gandalf einbrachte.
Dann schüttelte er den Kopf und lachte. „Ach Taleria. Manchmal vergesse ich, dass du von einer anderen Welt kommst. Ein hohes Tier? Das ist eine äußerst seltsame Art, jemanden seinen Respekt zu zollen, also wirklich."
„Naja eigentlich ist das nur so eine...ach egal." Wieder lachte der graue Zauberer.
„Um deine Fragen zu beantworten: Ja Frau Galadriel genießt sehr hohes Ansehen bei den Elben und Menschen."
„Was ist mit den Zwergen?", unterbrach ich ihn.
„Naja, du kennst ja die Zwerge und ihre Einstellung gegenüber den Elben. Sie sind sehr...stur, wenn es um solche Dinge geht. Jedenfalls ist Frau Galadriel die die mächtigste, lebende Elbin Mittelerdes. Vielleicht sagt dir der Begriff 'Ringträger' etwas, aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal."
Nachdenklich starrte ich in den noch dunklen Himmel. „Und meine Mutter? War sie auch...besonders?", fragte ich schließlich.
„Nun ja, ich kannte sie nur flüchtig. Es ist aber anzunehmen, dass sie und auch du, ähnliche Fähigkeiten besitzt."
„Ich? Warum sollte so jemand wie ich irgendwelche besonderen Fähigkeiten besitzen? Ich bin nur...ich. Das tollpatschige kleine Dummerchen von der anderen Welt. Wäre Aragorn nicht gewesen, hätte ich mich schon längst selbst vergiftet."
„Vielleicht warst du einmal dieses, wie hast du gesagt, tollpatschige kleine Dummerchen von einer anderen Welt. Aber du hast dich verändert, Taleria. Du bist nicht mehr die, die Bilbo einmal bewusstlos vom Wegrand aufgelesen hat. Sie dich an! Du gehst, sprichst, kämpfst und siehst aus wie eine Elbe. Glaub nicht, du seist nichts Besonderes."
Mit einem freundlichen Lächeln nickte Gandalf mir zu und ritt vor zu Aragorn, der inzwischen auch wieder zurück war.
„Du glaubst ihm nicht.", stellte Koriat fest.
„Nein. Ich habe mich nicht so sehr verändert, wie er denkt. Irgendwie scheinen alle zu glauben, ich sei etwas Besonderes. Aber...ich bin nun mal stinknormal ohne jegliches Talent.", antwortete ich frustriert.
„Wart ab. Deine Großmutter kann dich sicherlich überzeugen." Schnaubend schüttelte er den Kopf und verfiel in einen leichten Trab, um die anderen einzuholen.
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Die Zukunft der Vergangenheit
Fantasy02.11.2019: Platz 1 in #Zukunft Zweiter Teil!! Erster Teil: Hin und wieder Zurück Die Schlacht der fünf Heere ist vorüber. Endlich kann sich Taleria auf den Weg machen und ihre Bestimmung finden. Doch muss sie zuerst ihre Vergangenheit kennen um ihr...