Kapitel 42

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Annie:

"Ich bin Robb. Einige von euch kennen mich als den Anführer der Rebellen. Ich werde für diejenigen unter euch die es noch nicht mitbekommen haben, noch einmal kurz zusammenfassen was genau in den letzten vier Wochen geschehen ist.
Es hat alles damit begonnen, dass die Basis der Rebellen die Schweiz vom dem Präsidenten angegriffen und zerstört wurde. Nur wenige haben überlebt. Einer der Wissenschaftler, wurde entführt und zu dem Präsidenten gebracht. Die Rebellen die überlebten, sind ihnen gefolgt in der Absicht ihren Kameraden zu befreien. Bei dem Präsidenten angekommen, haben sie jedoch ein furchtbares Geheimnis gelüftet.
Dem Diktator war es gelungen funktionsfähige Atombomben herzustellen. Sein Ziel war einfach: die Zerstörung der Menschheit.
Allerdings wollte er noch nicht sterben und hat sich ein Raumschiff bauen lassen. Wir wissen nicht woher er die Materialien oder das Wissen dafür hatte, aber das zählt nicht.
Wir konnten den Präsidenten nicht davon abhalten, die Bomben abzuwerfen, aber es ist uns gelungen sein Schiff zu kapern.
Ich und die meinen haben in den letzten fünfundzwanzig Tagen Gerüchte gestreut und Überlebende gesucht. Die Erde ist kein sicherer Ort mehr. Die letzte Chance der Menschheit liegt in diesem Raumschiff.
Wir nennen es die Victorybridge. Alles was man zum Überleben braucht ist vorhanden.
Wir geben euch die Chance euch für ein neues und hoffentlich besseres Leben zu entscheiden!"

Einen Moment lang herrscht Stille, dann ertönt leises Geflüstere hier und da.
Es war also alles so, wie meine Großeltern es gesagt hatten.
Ich darf sie jetzt nicht enttäuschen, ich werde auf der Victorybridge weiterleben.
Ich werde weiterleben, für all die Leichen die ich auf diesem Weg hinter mir gelassen habe!

Nachdenklich mustere ich Robb.
Er sieht ziemlich ausgefallen aus, mit seinem blau gefärbten Irokesenschnitt.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als er erneut beginnt zu sprechen.
"Wir werden das hier organisiert ablaufen lassen.
Ich werde zuerst meine Gruppenführer einzeln herrufen und sie rufen einzeln ihre Gruppenmitglieder her. Anschließend könnt ihr Einzelgänger, wenn ihr mit mir kommen wollt einzeln vortreten."
Ich muss aufpassen, vielleicht sehe ich meinen Vater oder Alex.

"Gruppenführer Padak." Ein junger Mann tritt vor und geleitet eine junge Frau zu Robb. Anschließend kehrt er zu seiner Gruppe zurück und begleitet die nächste Person zu Robb.
Gefühlt Stunden geht es so weiter.
Bei jeder neuen Person die sich aus den jeweiligen Gruppenknäuelen löst, beginnt mein Herz zu hämmern und Aufregung macht sich in mir breit. Und immer wieder ist die Enttäuschung wenn ich die Person nicht kenne, ein herber Schlag in den Magen.

Ich habe schon die Hoffnung verloren, Alex oder meinen Vater zu sehen und mich damit abgefunden alleine zu bleiben.

Langsam schließe ich die Augen und versuche mit aller Macht die Tränen zurückzuhalten.
Ich werde das hier schaffen.
Ich muss es schaffen.

"Gruppenführer falls ihr Verletzte in euren Gruppen habt, bringt sie bitte hier auf die rechte Seite, dort warten Sanitäter!"
Es braucht einen Moment lang bis diese Information in meinem Gehirn ankommt.
Verletzte.

Alex ist verletzt!

Ich zwinge meinen Körper dazu aufzustehen und stütze mich an der Wand ab, dann gehe ich langsam immer an der Mauer entlang auf die stelle zu wo die Sanitäter bereits warten.
Als die Mauer endet, bleibe ich stehen und schaue mich um.
Zwischen mir und meinem Ziel ist eine große und leere Fläche.
Kann ich es wagen, dorthin zu gehen?
Der Rebellenführer sagte, er wolle es organisiert ablaufen lassen, wird es ihn stören wenn ich einfach durch die Gegend spaziere?
Vermutlich.
Und vermutlich wird wenn ich jetzt die stillschweigende formation (Einzelgänger schweigend an der wand, Gruppen verteilt mit genug Abstand zueinander) verlasse, Chaous ausbrechen.
Aber ich habe keine Wahl, oder?
Ich atme tief durch und humpele los.

Die Einzelgänger bemerken mich zuerst.
Es ist als würde ein leises Raunen durch sie gehen. Ich spanne mich an und gehe weiter.
Und dann hört Robb auf zu sprechen.
Ich hebe nicht den Kopf um zu sehen ob er mich mustert, ich gehe weiter.
Ich spüre die blicke hunderter auf meinem Körper, aber ich bleibe standhaft.
Und dann ruft Robb den nächsten Gruppenführer auf. Er ignoriert mich einfach.
Die Einzelgänger jedoch sind wachsamer denn je.
Sie wissen nicht was ich vorhabe.
Eine Einzelgängerin verletzt das stillschweigende Übereinkommen und tut was?
Ich spüre ihre Nervosität.
Und dann habe ich es geschafft, mit hämmernden Herzen bin ich bei den Sanitätern angekommen.

Vollkommen erledigt lasse ich mich auf den Boden fallen und schließe kurz die Augen.
Dieser kurze Gang hat mich richtig erschöpft.
Mein ganzer Körper schmerzt, aber ich bin noch nicht fertig mit diesem Leben.
Selbst meine Augen zu öffnen schmerzt und erfordert viel Selbstbeherrschung.

Zehn Personen in weißer Kleidung stehen in einer kleinem Gruppe und gehen zwischen Verletzten umher.
Man kann die Sanitäter und die Neuankömmlinge dank ihrer Kleidung sehr gut voneinander unterscheiden.

Ich zucke zusammen, als sich eine schwere Hand auf meine Schulter legt.
Panisch reise ich den Kopf herum und ziehe die Pistole die ich auf dem Boden meines Rucksacks gefundem habe hervor.
Vor mir steht eine junge Frau, nicht viel älter als ich.
Als sie die Pistole sieht, zieht sie langsam ihre Hand von meiner Schulter und hebt die Hände.
"Kommen sie mir nicht zu nahe." Meine Stimme ist rau, weil ich sie so lange nicht benutzt habe.
"Es tut mir leid." Ich höre an ihrer Stimme, dass sie schockiert ist. "Ich wollte nur helfen." Meine Gedanken rasen. "Ich bin auf der Suche nach jemanden. Ein Junge, mein alter. Braune Haare und grüne Augen, schwere Verletzungen." Die Frau schaut mich nachdenklich an, dann dreht sie sich um und verschwindet in dem Gedränge aus Verletzten und Sanitätern.

Ich umklammere die Pistole mit aller Kraft die ich noch habe und versuche die Frau in dem Gewühl wiederzufinden, leider erfolglos.
Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, als sie aus dem Gewühl auftaucht und auf mich zukommt.

Allein.

Es tut weh. Das letzte bisschen Hoffnung zerbricht.
Vermutlich ist er Tot.
Die Frau bleibt einen Meter von mir entfernt stehen.
"Dort drüben ist jemand auf den deine Beschreibung passt.
Allerdings muss ich sich bitten, die Pistole wegzustecken."
Langsam schiebe ich die Pistole in meinem Hosenbund und ziehe das zerrissene shirt darüber.
Erfolglos versuche ich erneut die Hoffnung aufzuhalten, aber sie ist erneut da.
Ich bin am Ende.
Wenn sie sich irrt und mich nicht zu Alex bringt, dann werde ich nicht überleben.
Ich habe zu viele Rückschläge und Enttäuschungen erlebt, ich kann nicht mehr. Ich habe meine Grenzen überschritten.

Langsam zwinge ich mich aufzustehen.
Als die Frau den Arm ausstreckt um mir zu helfen, gebe ich ein beinahe schon unmenschliches Fauchen von mir und sie zuckt zurück.
Ein Anflug von Trauer durchzuckt mich.

Wie konnte ich nur so weit sinken?

Ich folge ihr und meine Sinne sind angespannt.
Ich nehme alles um mich herum gestochen scharf wahr.
Es riecht faulig und gleichzeitig liegt ein kaum merklich stechender Geruch in der Luft.

Und dann bleibt die Frau stehen, ich versuche einen Blick an ihr vorbei zu erhaschen. Sie tritt langsam einen Schritt zur Seite und ich senke den Blick auf die Liege auf dem Boden.
Eine in eine Decke gewickelte Gestalt liegt darauf.
Meine Füße geben nach und ich lande auf den knien neben der Gestalt.
Langsam strecke ich eine Hand aus, sie schwebt einen Moment lang über seinem Gesicht in der Luft, dann schaffe ich es seine Wange zu streifen.
Er rührt sich nicht, aber das spielt keine Rolle.
Ich würede ihn überall wiedererkennen.
Träne laufen mir über mein Gesicht und tropfen auf mein T-Shirt und auf den Boden.
Jemand hat ihm die Haare abrassiert.
Die dunklen Ringe unter den Augen sind schlimmer als ich sie in Erinnerung hatte.
Gegen seine blasse Haut heben sich die Schwellungen und blaue Flecken stark ab.
Ich verschlinge sein Gesicht mit meinen Augen und habe Angst, dass er Tod ist.
Ich bin nicht stark genug nach einem Puls zu suchen, die Angst das dort keiner ist, ist zu groß.
Ich schäme mich nicht für die Tränen.
Ich habe ihn wieder.
Ich bin nicht mehr allein.
Wir werden zusammen die Erde verlassen.

Wir haben es geschafft!

Last Hope for Earth  ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt