Kapitel 33

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Annie:

Der Mann beginnt zu lachen und ich presse mich eng an die Wand.
Mein Blick wandert über den Rest seines Gesichtes und mir entweicht ein erschrockenes keuchen.
Sein rechtes Auge ist rot, es sieht aus als wäre ein Aderchen geplatzt, dass linke dagegen ist von schlammbrauner Farbe.
Sein Mund ist zu einem grausamen Strich verzogen und an seinem linken Nasenflügel fehlt ein Stück.
Die Augenbrauen des Mannes sind abrassiert.
Was ist mit ihm passiert?
Nach seinem Aussehen wundert es mich nicht das er Rache will, aber warum an Alex, was hat er ihm getan?

Der Mann hat mich aufmerksam beobachtet und jede meiner Reaktionen bemerkt.
"Hast du etwa Mitleid mit mir?" Seine Augen haben sich zu schmalen schlitzen verengt und ich höre die abgrundtiefe Wut.
Was soll ich jetzt tun?
"Ja, ich habe Mitleid mit dir. Man hat dir ganz übel mitgespielt hns jetzt bist du innerlich ein Frack. Du willst deine Gefühle mit anderen teilen, aber auf eine grausame weiße, obwohl ist es für dich überhaupt grausam? Vielleicht bist du innerlich ja bereits total abgestumpft?"
Vermutlich bin ich erneut zu weit gegangen, aber ich habe das Gefühl das einfach sagen zu müssen.
Der Mann kommt lauernd wie ein Raubtier auf mich zu und bleibt vor mir stehen.
"Weißt du Mädchen, du hast recht. Man hat mir übel mitgespielt," seine Hand streicht scheinbar unbewusst über seine Wange.
"Ich bin innerlich abgestumpft, es macht mir nichts aus diesem jungen schmerzen zuzufügen. Ob ich meine Gefühle mit anderen teilen will, ich weiß nicht vielleicht." Seine Stimme ist nachdenklich, es ist als hätten meine Worte etwas entfesselt, was tief in ihm verborgen war.
Mein Atem geht schnell ich wage nicht etwas zu sagen und richte den Blick auf Alex.
Er hängt jetzt offenbar ohnmächtig in seinen Fesseln. Ich muss irgendetwas tun können. Ich darf nicht zulassen, dass er stirbt.
Ich schaue wieder zu dem Mann und sehe mit einer Welle des entsetzen, dass er mich erneut anschaut.
"Du magst diesen Jungen." Erneut diese sanfte Stimme, was soll das jetzt werden.
"Gefühle für jemanden zu haben tut weh. Sie sind deine Schwachstelle. Man kann dir damit wehtun, dir alles nehmen. Liebe ist falsch!"
Ich starre ihn ungläubig an.
"Das das glaube ich nicht."
Schon wieder dieser nachdenkliche Blick.
"Dann sag mir doch warum es gut ist, anderen so nah zu stehen, dass man füreinander sterben wurde."
Ich wäge jedes meiner Worte genau ab.
Warum genau ist er plötzlich so redselig? Ist es weil Alex ohnmächtig ist und es ihm nur Spaß macht ihn zu foltern wenn er es auch mitbekommt?
"Naja, wenn man jemanden hat der für einen da ist, dann fühlt man sich geborgen. Natürlich sind Menschen die dir etwas bedeuten deine Schwachstelle, aber auch gleichzeitig dein Leben, der Grund warum man in dieser Welt noch aufsteht, etwas was dich aufrecht hält, dir Kraft und Zuversicht gibt.
Ich meine es ist schrecklich allein zu sein. Der Mensch wird nicht allein geboren und er ist auch nicht dazu bestimmt alleine zu sein.
Liebe ist nicht falsch. Sie ist das aufrichtigste Gefühl das es gibt. Ich.." Meine Stimme versagt als ich das Gesicht meiner Mutter vor mir sehe, ihre müden, aber wunderschönen Augen, ihre Wärme, das Gefühl der Geborgenheit das ich hatte, wenn ich bei ihr war.
Hastig reiße ich mich von dem Bild los und konzentriere mich erneut auf den Mann. Er hat sich mir abgewandt und geht auf und ab.
Und dann bleibt er mit dem Rücken vor mir stehen und sagt langsam: "Dein denken ist naiv.
Das Leben wird auch dir noch übel mitspielen. Irgendwann endet jeder so."
Und da reist mir der Geduldsfaden.
"Irgendwann endet jeder so?! Du meinst allein, innerlich Tod und eiskalt in einem Gefängnis, wo ich wildfremde Menschen gefangen nheme und mir ihnen kleine Psychospielchen spiele, einfach weil ich meine Wut an jemanden auslassen muss und zu feige bin mich meinen Gefühlen zu stellen?"
Jetzt weiß ich hundertpro, dass ich zu weit gegangen bin und erwarte eine Bestrafung, aber zu meiner Überraschung dreht sich der Mann zu mir um und nickt: "Genau so." Dann geht er aus der Zelle und lässt mich mit einem Gefühls Chaos zurück.
Ich bin verwirrt von diesem plötzlichen Sinneswandel, mache mir sorgen um Alex und habe Angst um mein Leben.

Ich muss eingeschlafen sein, denn als ich wieder aufwache herrscht um mich herum vollkommene Dunkelheit.

Bin ich erneut in einer anderen Zelle?
Ist Alex auch hier?
Als sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnt haben, stelle ich fest das ich erneut alleine bin.
Verzweiflung überrollt mich, droht mich zu ersticken.
Und dann ertönt eine tiefe krazige Stimme: "Hallo."
Mein Körper ist erstarrt ich bekomme keinen Ton heraus.
"Ich bin Akto." Mein Blick rast durch die Zelle, aber da ist niemand, oder sitzt jemand in den Schatten auf der anderen Seite? Das muss es sein.
"Hahallo." Meine Stimme zittert und zu allem Überfluss stottere ich auch noch.
"Es ist das einzige mal seit sehr langer Zeit, dass ich mit lebenden Wesen kommuniziere."
Lebende Wesen?
"Äh mit was kommunizieren sie denn sonst so?" Meine Stimme trieft vor Sarkasmus, aber das scheint mein gegenüber entweder nicht zu bemerken oder gekonnt zu ignorieren.
"Ich rede mit den toten. Meine einzige Gesellschaft."
Ich weiß das der Mann vermutlich alt ist und hier schon so lange hockt, dass er den Verstand verloren hat. Ich weiß das er meinen Zorn nicht verdient hat, aber in den letzten Tagen oder waren es Stunden, waren meine Nerven zum zerreißen gespannt und dieser irre, alte bringt das Fass zum überlaufen.

"Die tote! Vielleicht ist dir schon mal aufgefallen das sie nicht umsonst tote heißen. Was Tod ist, bleibt auch Tod. Man kann nicht mit toten sprechen! Mit was auch immer du angeblich gesprochen hast, es waren Hirngespinste."
Meine Stimme ist lauter als beabsichtigt und ich spüre wie Wut durch meinen Körper brodelt.
"Die Stimme spricht zu mir. Sie kann laut oder eben nur in meinem Kopf sprechen. Aber sie hat keinen Körper."
Ich erstarre und reise verzweifelt an meinen Fesseln.
Nein, der Mann lügt.
Er kann nicht die körperlose Stimme meinen.
Das ist unmöglich!

Als hätte der Alte meine Gedanken gelesen, lacht er leise: "Du kennst die Geschichte des klagenden Geistes nicht wahr? Er ist hier! Er spricht zu mir."
Obwohl der Mann das in der Dunkelheit nicht sehen kann schüttele ich hektisch den Kopf.
Das kann nicht sein, der Mann ist verrückt.
Aber andererseits warum sollte das Zebra mir dieses Märchen erzählen, einfach weil er mir Angst ein jagen will.
Nein, da steckt mehr dahinter.

Aber darum kann ich mich im Moment nicht kümmern.
Ich muss hier einen Weg herausfinden und zwar mit Alex.
Verzweifelt reiße ich erneut an meinen fesseln.

"Das ist zwecklos."

Es war nicht Aktos Stimme, soviel ist mir klar und mir ist ebenso klar, dass ich hier mit Akto alleine bin.
Dann ist die einzig logische Erklärung das die Stimme aus einem Lautsprecher kam.
Genau das muss es sein, ein Lautsprecher.

Aber es ist Akto der meinen winzige Hoffnung zerstört.
"Hast du das gehört, das war die körperlose Stimme."
Ich schüttele panisch den Kopf, meine Stimme versagt.
"In der tat, ich bin das was in der Legende, als der klagende Geist oder die körperlose Stimme genannt wird.
Und ich schlage dir einen Deal vor Mädchen!"

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