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Mein Blick verflüchtigt sich, als ich weiter der nervenden Stimme meiner Kunstlehrerin lausche. Noch immer versucht, sie dem Kurs beizubringen, wie es sich anfühlen muss, wenn man malt. Man muss das Bild spüren. Man muss es leben. Man muss dafür leben. Aus diesem Grund hält sie sich am wenigsten an die Regeln der Schule. Die Konsequenz bei ihr liegt nicht im Unterricht selber, sondern in den Dingen, die man zu mögen scheint. Sie ist eine Gute Lehrerin, auch eine, an die man sich wenden kann, wenn man Probleme hat. Das könnte wohl aber auch daran liegen, dass sie unsere Jüngste Lehrerin ist. Doch man kann nicht lange ihrer quietschenden Stimme lauschen. Auch, wenn ich immer stets mein bestes versuche.

Zumindest so, wie es in Kunst eben geht. Ich habe kein Talent dafür, wie manch andere. Ich bin ein absolut Talentloser Mensch. Ich kann nicht singen, ich kann nicht tanzen. Malen oder ein Instrument spielen ebenso nicht. Selbst mein Vater musste sich dies früh eingestehen, als er mir zuerst Klavier beibringen wollte und anschließend Violine. Als ich vorschlug, dass ich Triangel spielen könnte, ist er ausgerastet und hat über eine Woche nicht mit mir gesprochen. Es war eine sehr ruhige Woche.

„Das ist schön." Überrascht blicke ich von den kahlen Bäumen auf. Meine Lehrerin steht neben mir und blickt auf das Blatt, welches vor mir liegt. Ich habe eigentlich kaum gemalt, viel zu sehr, war ich mit all den Dingen beschäftigt, die mich nicht in Ruhe lassen. Wie kann ich überhaupt an etwas wie Schule oder Familiäre Pflichten Denken, wenn ich nicht zwischen Real und Traum entscheiden kann. Wenn ich den Unterschied zwischen echt und unecht nicht erkenne. Wie kann ich das Gefühl der ständigen Angst endlich los lassen. Das Gefühl davon, beobachtet zu werden.

„Ich weiß nicht-", ich breche ab, als ich auf mein Blatt schaue und die leichten Bleichstift Linien mustere. Meine Brauen ziehen sich zusammen, meine Lungen bilden einen Knoten, der mir das Atmen schwer macht.

„Es sieht gemütlich aus."

„Danke." Stotternd lege ich den Stift beiseite und versuche meine Finger miteinander zu verschränken. Sie soll nicht sehen, wie sehr ich zittere.
„Es ist das Haus meiner Großmutter." Erneut mache ich eine Pause, um zu atmen. Ich kenne es noch von einigen Kindheitsfotos meiner Mutter. Sie hat nie oft darüber geredet, doch wenn habe ich gerne zugehört. „Um so ein Haus beneide ich sie wirklich." Murmelt die angehende Lehrerin.

„Sie ist Tod."

Entsetzt hält sie inne und tritt nun an die Seite von mir. Ich bemerke erst jetzt die harschen Worte, wodurch ich mir auf meine Lippe beiße. „Tut mir leid, das kam doof rüber. Sie starb schon lange vor meiner Geburt." Schulterzuckend schaue ich von ihr auf die Uhr und muss feststellen, dass es noch ein wenig hin ist, bis die Pause mich erreicht hat.

„Male so weiter, Edeline. Es sieht wirklich schön aus." Ermutigt sie mich, bevor sie weiter geht und mich wieder alleine lässt. Meine Fingerspitzen fahren über das Blatt und verwischen den Bleistift.

Meine Augen werden schwerer, während ich weiter gegen die grellen Lichter, der Neonröhre blinzle. Sie flackern, sie summen und sie schmerzen in meinem Kopf, welcher von den ganzen Gedanken in mir bereits genug überanstrengt ist.

Die Absätze ihrer Schuhe hallen durch den Raum- Sie hallen in meinen Ohren, schmerzen und lassen mich abermals zusammenzucken, wodurch ich jedes mal wieder meine Augen schließe und meine Schläfen massiere. Ich kann mich nicht konzentrieren- nicht mehr-, ich kann mich nicht wach halten und schuld daran ist die Nacht gewesen, die mich nicht schlafen lies. Ich habe mich herum gedreht, bin umher gegangen und habe versucht alles erdenkliche zu tun, um mir Erholung zu holen, doch nichts dergleichen passierte. Abermals musste ich an meine Hand denken, abermals schaute ich sie an, berührte sie oder versteckte sie. Die Vorstellung das alles wieder nur eingebildet war, ist schrecklich und beängstigend, doch die Vorstellung das alles real war und ich es wirklich erlebt habe, lässt meinen Körper vor einer Todes Angst erzittern und zum Klotz mutieren. Meine Gedanken schweiften ebenso zu dem Mann, welcher solch eine starke Aura mit sich trug, dass meine Beine beim bloßen Gedanken an ihn zu zittern begannen. Es war mehr als Respekt. Mehr als Angst.

Thunder-fallen creaturesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt