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Das stete Rauschen ist das erste was ich wahrnehme. Anschließend der gleißende Schmerz in meinen Knochen. Sie fühlen sich zerrissen an, als würden sie von innen heraus platzen und sich ihre flüssige Säure in mir verteilt. Ich zittere. Ich friere und spüre dennoch den erhitzten Herzschlag meines Körpers. Mir ist schwindelig. Und doch kann ich jeden Umriss meiner Umgebung wahrnehmen.

„Mir ist komisch." Hauche ich zäh. Gleich darauf spüre ich Thunder neben mir. Seine Augen deutlich auf mich niedergelegt, wodurch das pochen meines Herzens stärker wird. „Das will ich auch hoffen, immerhin wurde dir dein gesamtes Engelsblut aus den Adern gezogen." Selbst, wenn ihre Worte in mir ankommen, wenn ich sie irgendwie verstehe oder zumindest verstehen sollte, so tu ich es nicht. Ich fühle mich nicht, als würde mir das Engelsblut fehlen. Ich habe keine weiteren Schmerzen, nur das Gefühl eines normalen bis hin zum starken Muskelkater. Nicht, was mich darauf schließen lässt, dass ich nur noch Dämonenblut in mir trage.
Für einen Moment lausche ich der Stille in meinem Körper, als genau dieser Gedanke mich dazu bringt, meine Augen aufzureißen. „Wie fühlst du dich?"

Blinzelnd versuche ich den Schleier vor meinen Augen fortzubringen. Thunder ist frei. Er ist frei von mir und er könnte gehen wohin er möchte. Er kann tun was er möchte. Er muss mich nicht mehr beschützen, damit ihm nichts geschieht. „Wo sind wir?" Ich ignoriere seine Frage und schaue mich in dem engen und zugestellten Raum um. Die Gardinen sind zugezogen, wodurch nur schwach Sonnenstrahlen hinein scheinen und gegen die dunkle Tapete prallen. In dem Raum selber stehen überall Regale und Schränke herum. Kräuterfläschchen hängen von der Decke. Bücher stehen kreuz und quer auf dem Boden.
Zwei Grüne Augen blitzen mir entgegen, wodurch sich meine Stirn in Falten legt und ich dem Jungen dabei zusehe, wie er seine Brille absetzt und überrascht zu mir schaut. „Du bist wach." Seine Körperhaltung wirkt so falsch zu seinem sonstigen Aussehen, dass es mich stark an das Mädchen aus Rapid City erinnert. „Du bist der Älteste." Stelle ich fest. Ungewollt klingt meine Stimme gereizt, beinahe genervt, wodurch ich mir auf meine Lippe beiße und ihn weiter anschaue. Sein Mundwinkel zuckt nach oben, als würde er nichts anderes von mir erwartet haben. „Es ist normal nach so einer Blutschänderei, dass du durcheinander bist. Das deine Stimmung noch weiter gereizt sein wird." Unfreiwillig ziehe ich meine Brauen zusammen. „Was soll bitte Blutschänderei bedeuten?" Erneut scheint er sich über diese Antwort nicht zu wundern. „Edeline, Menschen ist es nicht gestattet Blut eines anderen Geschöpfes zu tragen. Nicht das von eurer Welt und besonders nicht das von unserer. Es scheint mir ein Sonderbarer Zufall zu sein, dass du ausgerechnet beide Substanzen in dir hattest. Ich wünschte ich könnte dir sagen, was auf dich zukommt, aber das steht mir nicht zu."

„Es war kein Zufall."

Es scheint als würde selbst die Uhr aufhören zu leben. Als würden meine Worte die letzten dieser Welt sein. Oder die ersten einer neuen.

„Mein Vater," Ich breche ab, als ich erneut bemerke wie mein Stimme die einer zicke annimmt. Oder die von Cassandra. „mein Vater hat mir gesagt, dass sich meine Familie über Jahre hinaus mit Dämonenblut versorgen. Ich soll das Ende dieses Experimentes sein." Der Gedanke ist erschreckend. Widerwertig. Abartig. Er lässt mich zitternd in dem zugefrorenen Meer ertrinken. Ohne erbarmen. „Es war geplant." Füge ich hinzu, nachdem die Stille sich immer weiter ausdehnt. Nachdem ich es nicht mehr aushalte, diese zu ertragen.
„Nun, das ändert wohl so einiges." Der Junge löst sich aus seiner Starre und klappt das Buch in seiner Hand zusammen. „Was wenn es genau das ist, wodurch ihre Familie das erlangt, was sie wollen?" Fragend blicke ich zu Thunder. Er wirkt mir sonderlich Ruhig. Irgendwie anders. „Was meinst du damit?"
Cassy lehnt sich von der Wand ab und schaut auf den Engel hinab. „Das Engelsblut war vielleicht das, was sie geschützt hat. Nun wo es nicht mehr da ist, kann das Dämonenblut das tun, was es soll." Panik beginnt mich zu ergreifen, als ich versuche Bedeutung in seine Worte zu legen. Auch, wenn ich mir bewusst sein sollte, dass ich sie nicht wissen möchte. „Es muss eine andere Lösung geben." Cassys Gesicht beginnt sich zu einer sagenhaften Fratze zu ziehen, die sie so furchterregend aussehen lassen, dass selbst der Älteste nicht daran vorbei kommen könnte.

„Cassandra, wenn ich eine wüsste, hätte ich euch bereits eher zu mir geholt."

Ungläubig wandert mein Blick durch den Raum. „Sie wussten die ganze Zeit wo wir waren?" Seine amüsierte Miene weicht ein Stück, wodurch sich die Lachfalten glätten und eine jugendliche Haut hervorsticht. „Du warst noch nicht bereit zu mir zu kommen. Als ich euren Unfall sah, konnte ich euch außerdem bedenkenlos zu mir holen." Vor lauter Wahn scheine ich bereits den Unfall zu vergessen. Mein Kopf schnellt zu Thunder, dessen Augen bereits auf mir liegen und mich mit aufgebrachten Schlieren beobachtet. Ich kann das Klopfen meines Herzens kaum kontrollieren, als ich mir das Bild seiner Flügel in den Kopf hole. Als ich diese dunklen Flecken erneut sehe, die die so einen wunderschönen Kontrast zu dem reinen weiß bildeten. Die die das Gute und das Böse zu symbolisieren scheinen und wahrscheinlich meine ehrlichsten Wörter hervorbrachten, die ich in meinem bisherigen Leben gesagt habe. „Wie hast du das Blut aus mir herausgebracht?" Neugierig betrachte ich den Ältesten, dessen Gestalt in der eines kleinen Jungen ist. Er muss noch jünger sein, als es die Älteste war. „Auch, wenn es noch nie vorkam, heißt es nicht, dass ich nicht darauf vorbereitet wäre." Seine Sorglosigkeit ist beneidenswert. Möglicherweise besitze ich ebenso dämonische Kräfte und er lässt mich noch immer in seinem Zuhause sein. „Aber was habe ich nun zu tun? Auf was soll ich mich nun vorbereiten?" Voller Verzweiflung fahre ich mir durch meine Haare und lasse mein Gesicht in meine Hände sinken. „Brauchst du irgendwas?" Seufzend schüttle ich meinen Kopf, bevor ich mich aufrichte. „Ich brauche einfach ein bisschen frische Luft."

Thunder-fallen creaturesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt