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Es ist das gleißende Licht, welches die finsterste Nacht zu dem wohl hellsten Tag vermacht. Meine Augen kneifen sich immer weiter zu. Meine Haut fühlt sich glühend an. Die Stimmen in meinem Kopf beginnen zu schreien. Und trotz des gleißenden Schmerzes, spüre ich die unbändige Freude. Selbst seine Schreie halten mich nicht davon ab, dass aufgeregte Herzklopfen und mein Lächeln zu versiegen. Denn was hier passiert, wird bedeutungsvoller als alles andere sein. Es wird die Welt verändern und er, Cedric, wird diese Welt die Hoffnung zeigen, die sie benötigt. Ein weiteres Licht gleitet aus dem Wald hinaus, lässt dämonische Schreie durch die Bäume gleiten, bis sie selbst in der hinterwäldlerischsten Stadt ankommen. Die Stimmen in meinem Kopf, der Dämon der sich scheinbar eingenistet hat, schweigt und vergeht.

Das Licht ebbt ab, bis es ganz erloschen ist, während der Engel mit harten Flügelstößen zu Boden kommt. Lange Schwingen, sanfte Federn, leuchtend weiß. Seine Augen wirken... lebendig. Seine Schlieren so ruhig und ausgelassen, dass es ein ganz anderer Engel sein könnte. Die Verbitterung hat sich wie Schimmel in ihn gefressen. Und nun. Er ist frei. Sein Kopf hebt sich, trifft auf die meine. Das Lächeln, breiter als jemals zuvor. Präsent in seinen Augen, in seiner Aura. „Du" Er bricht ab, während ich mir schmunzelnd auf meine Lippe beiße. „Versaue es bloß nicht wieder." Gebe ich Grinsend von mir. Schmunzelnd richtet er sich in seiner vollen Größe auf. Sein Shirt ist von den wohl neuen Flügeln zerrissen worden, wodurch es bloß halb an seinem Leib hängt.
Vorsichtig setzt er einen Fuß nach vorne. Dann noch einen, bis er sich über die Grenze begeben hat.

Kummer überkommt mich. Dies sollte Thunder sein. Dies muss Thunder sein. Ich bin es ihm schuldig. Mir und jedem anderen. Ich brauche ihn. Und je länger er nicht bei mir ist, umso länger können wir unserem Abschied davon laufen. Und das ist alles was ich noch möchte.
„Wir werden ihn finden Edeline." Mein Kopf hebt sich, wodurch ich auf das aufmunternde Lächeln blicke. „Du wirst ihn retten."

Kindliche Lachen holen uns aus der Melancholie raus, wodurch wir zum Eingang der Kirche schauen. Erneut schleicht sich ein Lächeln auf meinen Mund. Munter kommen die Kinder aus dem Wald hinaus gelaufen. Als die Eltern dies erkennen, rennen auch sie auf sie zu.
„Ich fasse es nicht." Fragend betrachte ich den Engel vor mir, jedoch schaut er noch immer zum Wald.
Und tatsächlich dort ist der zweite Lichtschein, der die Dämonen endgültig vertrieben hat. „Ein Ältester."

Ungläubig blinzle ich gegen den Schleier an. Das ist eindeutig zu unwirklich. Es ist endlich ein Traum, dem ich auch Glauben schenken möchte.

Er scheint sich als erster aus der Starre zu lösen, um auf ihn zuzugehen. Folgsam trete ich ebenso näher. „Sie waren eines der Kinder." Stelle ich schmunzelnd fest, was er mit einem Nicken bestätigt. Wortkarg. „Wieso haben Sie nicht sofort geholfen?" Diese Frage brennt nun wirklich auf meiner Zunge. Es hätte den Kindern einiges erspart und den Eltern ebenso. „Er kann nicht sprechen." Murmelt Cedric mir zu. Er scheint meinen fragenden Blick richtig aufzufassen. „Es muss im Krieg passiert sein. Manche waren geschwächt, aber nicht Tod. Sie gaben winzige Details auf, sowie seine Stimme, um Kraft zu erlangen."

Der Älteste zeigt mit starrem Blick auf Cedric, dann auf mich. Ich verstehe ihn nicht.
„Er hat gewartet bis ich mich gefunden habe." Dies... ist erklärend. Erneut schmunzle ich. „Scheinbar haben alle in dir das Gute gesehen." Den Stolz kann ich kaum in meiner Stimme verbergen. Ja, ich bin Stolz auf ihn, denn er hat mir gezeigt, dass mein Plan wirklich aufgeht.

„Miss."

Überrascht schaue ich zu meiner Rechten und erblicke erneut den Prister. In seinen Händen eine halbvolle Flasche, mit den letzten Resten des Weihwassers. „Ich konnte nicht alles verbrauchen." Dankbar nehme ich sie entgegen. „Hat es wenigstens funktioniert?" Neugierig betrachte ihn. In seinen Augen erkenne ich ebenso den Funken Dankbarkeit wie es in mir gerade herrscht. „Einige haben sich verbrannt oder ähnliches." Also hat das wirklich bereits funktioniert. Dann könnte das Weihwasser auch die Dämonen aus meinem Kopf fernhalten. „Sie kannten Engel schon vorher, richtig?"
Ein wissendes Lächeln legt sich auf seine Lippen, welches beinahe frech wirkt. „Sie fallen unter mein Glauben. Ich hatte schon immer gewusst das sie existieren."

Ich beneide ihn für diese Einstellung. Und zeitgleich wünsche ich mir, dass es mehr Menschen gibt, die diese Einstellung teilen.

Mein Blick huscht hinter ihn. Zusammengekauert stehen sie in einer Ecke, jedoch scheinen sie keine Furcht vor dem Ältesten oder Cedric zu besitzen. „Sie fühlen sich sicher, habe keine Furcht vor ihren Reaktionen." Ich zucke zusammen, als sich die Hand des Priesters auf meinen Arm niederlegt. Dieses Mal belässt er es dabei, statt sie wieder fort zu ziehen. Und diese Geste tut mir unglaublich gut. „Müsst ihr sie sofort-?" Ich breche ab. Vielleicht ist es besser, wenn sie nicht einmal wissen, dass diese Auslöschung ihrer Gedanken möglich ist. „Es wäre das Beste." Der Älteste wirkt zustimmend, jedoch kommen mir Zweifel auf. „Sie werden reden. Sie werden es herum sprechen und dadurch ein weiteres Meinungsbild in die Welt setzten. Es sind nur wenige Menschen, aber jeder steht auf eurer Seite. Wir müssen diese Chance nutzen und zeigen, dass es wirkliche Engel gibt. Das ihr Engel seid und keine Alpträume. Lasst ihnen bis zum Ende den Gedanken daran. Es schenkt euch Kraft." Cedrics Augen zucken überrascht nach oben, während er scheinbar umgestimmt wurde. Auffordernd schaue ich nun den Ältesten an. Jedoch ist dieser wieder in der Form eines Kindes. Mir entkommt ein Schmunzeln, als er mir bloß wieder ein Nicken schenkt und dann zurück zur Kirche geht. „Ich glaube er hat dir soeben zugestimmt."

„Das glaube ich auch."

Ich wende mich dem Engel komplett zu und erkenne noch immer den freudigen Funken in seinen grünen Augen. Sie wirken nicht einmal annährend wie Gift. Nein, sie sind einfach nur... Glücklich, wieder er selbst zu sein. „Und nun?" Er blickt auf die Flasche in meiner Hand. „Nun geht es nach Kolumbien, wo wir deinen Liebsten suchen. Und dann... feiern wir unseren Sieg."

Der Wagen war dicht an der Grenze zur Kirche geparkt. Scheinbar hatte er mich doch anfassen müssen und damit ein wenig leiden müssen. Vielleicht hatte er sich deswegen nicht getraut zu helfen. Weil er schwach war. Weil er dadurch aufgehört hatte an sich zu glauben. Egal wieso oder wie, ich bin ihm dankbar, dass er mich auf geweihten Boden brachte. Ich griff im Auto sogleich nach einem Schal, der irgendwie in meine Tasche gekommen sein muss. Sobald er getränkt war, konnte ich ihn auf meine Stirn legen. Bisher blieb meine Situation allerdings unverändert. Seit dem Engelslicht, spürte ich bloß nur noch meine eigenen Stimmen in meinem Kopf. Und dies ist mir vollkommen ausreichend.
Sie hält mir abermals vor, wie viel Zeit uns möglicherweise noch bleibt und was für eine Strecke wir noch vor uns haben.

Und mit jedem verstrichenen Meter, werde ich nur noch nervöser.

„Glaubst du man kann irgendwann einmal duschen?" Ich kann mich irgendwann nicht mehr selber riechen. „Ich hoffe es ehrlich. Nicht einmal das Deo hilft bei dir." Meine Hand schnellt schneller hervor, als das ich nachdenken konnte. Ich wollte lediglich seinen Oberarm treffen und noch im Flug meiner Finger konnte ich nur daran denken, was eine Berührung ausmacht. Mir entkommt ein spitzer Schrei, als ich seine Haut berühre. Als ich seine Haut berühre.
Und berühre.

Und verdammt noch mal berühre.

Ein Ruck gleitet durch meinen Körper hindurch, wodurch sich der Gurt in meinen Hals bohrt. Er schaut mich an. Er schaut mich einfach nur mit großen Augen an, als würde er auf den Untergang warten. Auf eine explosion. „Du kannst mich anfassen." Seine weißen Zähne zeigen sich bei seinem breiten Lächeln. Meine machen es ihm sogleich nach. „Ich kann dich anfassen." Erneut nehme ich meine Hand von seinem Arm, ehe ich sie sogleich wieder platziere. Nichts geschieht. Kein Schmerz. Keine Kraft. „Ich kann dich anfassen!"

Schreiend springe ich ihm über die Armlehne in die Arme. „Das ist unfassbar. Das ist einfach unfassbar." Seine Hände legen sich um mich. Drücken mich an sich, als würde er ebenso einfach nur eine Nähe genießen.

Sachte möchte ich mich wieder von ihm lösen, jedoch halten mich seine Hände noch immer an sich gepresst, wodurch ich meinen Kopf erwartungsvoll anhebe. „Was ist?"

„Ich danke dir, Edeline. Danke für alles."

Thunder-fallen creaturesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt