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„Meine Bedingung Thunder." Meine Arme kreuzen sich vor meiner Brust. Thunders Augen studieren zwar noch immer angestrengt die Zeilen der Bücher, die der Älteste ihm gab, aber er scheint gehör für mich gefunden zu haben. „Thunder." Ich möchte nicht drängeln, ich möchte nicht nerven, aber ich möchte ihn darum bitten, dass er wenigstens einmal aufschaut. Das er mich anschaut. Und das tut er. Seine Schlieren scheinen gehetzt umher zu fliegen. Der Sturm in ihm scheint sich aufzubrausen. „Lasse mich mitkommen." Ich löse mich aus meiner starre. Trete an den massiven Schreibtisch, der nur schwach von der Lampe beschienen wird. „In weniger als 24 Stunden wird die ganze Welt davon erfahren, dass du ein Heilmittel gegen Engel besitzt. Du wirst bei dem Ältesten bleiben, da bist du am Sichersten."
Schnaubend schüttle ich meinen Kopf. „Das kannst du nicht tun. Ich werde mich nicht bereits hier von dir verabschieden! Ich werde nicht die Zeit hier vergeuden, wenn du dich immer weiter auf dem Weg machst dich selber zu vernichten!" Unwillkürlich steigen mir die Tränen wieder auf, ersticken meine Stimme und wirken beinahe heuchlerisch. „Thunder, dass kannst du mir nicht antun!" Die Stuhlbeine scharben über den Boden , ehe sich ein Windschlag später schützerisch die Arme um mich legen. „Ich versuche alles, um dich irgendwie zu schützen. Wir wussten, dass irgendwann der Tag kommt, an dem ich wieder gehe und du weiter lebst. Nur eben nicht wie oder wann." Seine Hände legen sich fester um mich, lassen meinen Kopf an seiner Brust schmiegen, während ich weiter die Tränen vergieße. Denn auch wenn es ihm bewusst war, so war es mir nicht bewusst.

Sein Finger legt sich unter mein Kinn, an dem er mich aufschauen lässt. Mein Herz rast, mein Blut pocht. „Ella egal was geschieht, vergiss niemals, dass dein Glaube alles ist, was du benötigst. Ganz egal, an was du glaubst."

Seit mehr als 24 Stunden läuft der Fernseher durch. Überall wird mein Vater ausgestrahlt, wie er weitere Versprechen ablegt und Aufrufe macht, nach mir zu suchen. Der Älteste versicherte Thunder das man mich hier nicht finden würde. Das Haus wurde noch nie entdeckt, was allein an der übrig gebliebenen Kraft des Engels liegt. Dies war nur ein weiterer Beweis dafür, dass ich hier besser aufgehoben war. Zumindest laut Thunder. Ich studiere seit her jedes Buch, dass sich über die Jahrhunderte hier angesammelt hat. Und eben das, was ich lesen kann. Die Engel hingegen nehmen die Fremdsprachigen Bücher und Altschriften auf sich, die sie mit einer leichtigkeit überblättern. Cassy hat sich in den Garten verschanzt und lässt sich dort von der Sonne beleuchten, während der Älteste Kontakt zu anderen Engeln versucht aufzunehmen. Thunder sitzt noch immer in dem Wohnzimmer an dem Schreibtisch, um dort jedes Buch zu lesen, dass er bekommt.

Ich hingegen sitze in dem Sessel, in dem ich alle drei Engel betrachten kann. Cassy die beinahe meditierend vor dem Haus sitzt, der Älteste der seine Augen geschlossen hält und seine Hände in reinem Salz badet. Thunder, welcher hin und wieder einen Blick auf mich wirft. Besonders nach dem Gespräch welches wir am Morgen geführt hatten. Ich wünsche mir so sehr die Nähe zu ihm. Doch mein Vater sprach bereits von einer Art der Vernichtung die, die Engel dort versucht hatten. Dabei war es einfach nur... Liebe. Wir hatten den Sturm in der vergangenden Nacht angerichtet. Wir hatten ihn über die ganze Welt gesendet. Und nachdem wir die Bilder der naheliegenden Städte gesehen haben, beschlossen wir es mit einem gewissen Abstand. Und seit dem ist die Sehnsucht größer geworden als je zuvor. Sobald alle Liturgien durchforstet worden sind, werden sie aufbrechen. Und damit werde ich Thunder nie wieder sehen. Ich werde mein Wissen verlieren. Ich werde ihn verlieren. Und der Gedanke ist unerträglich. Er schmerzt in jeder Faser, die mein Körper noch zu spüren bekommt. Denn der Rest ist beinahe Taub, vor lauter Gefühlen.

„Ich habe erneut ein Buch für dich." Flüstere ich leise. Seine grauen Augen legen sich auf mich nieder, während sein Mundwinkel sanft nach oben zuckt. Mit einer Geste deutet er mir an es ihm zu geben. Ich schlage das Buch zu und pelle mich aus dem verstaubten Sessel. „Wie viele gibt es?" Frage ich neugierig nach. „Genügend, um einige anzuwenden. Sobald der Wald geweiht ist, können die ersten Engel den Angriff starten, während wir den Rest weihen." Meine Atmung wird zittrig, aber ich erlange die Kontrolle darüber. „Ich möchte mich nicht verabschieden." Seine Augen trüben sich. Schleier legen sich über Schleier. Das Auge seines Sturmes wird größer. Kleiner. Unbestimmter. Unkontrollierbarer. „Stelle dir vor, ich wache über dich. Die ganze Zeit. Stelle dir vor ich weine mit dir, wenn dich ein schlechter Tag ereilt. Stelle dir vor, ich lache mit dir, wenn du voller Glück bist. Wachse daran, Ella. Ich flehe dich an, lebe. Lebe wie kein anderer gelebt hat. Mit so viel Liebe, Güte, Freude. Lebe mit einem Glauben, mit Toleranz." Einsam hangelt sich seine Träne aus seinem Auge, während seine kalten Finger die meine umfassen. Sie an seine Lippen führt.

Thunder-fallen creaturesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt