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„Liebes, du kannst auflegen." Ich zucke zusammen, als die Frau wieder vor mich tritt und ich es lediglich zustande bringe ihr entgegen zu schauen. Ihre Miene wirkt mit einem Mal besorgt, sodass sich ihre Stirn angestrengt in Falten legt. „Es scheint nicht gut gelaufen zu sein."
„Ich weiß es noch nicht. Aber danke erstmal." Ich zwinge meine Mundwinkel zu einem zucken, sodass ich wenigstens etwas regung zeige, während ich ihr das Telefon entgegen halte. Sobald sie es mir aus der Hand nimmt, drehe ich mich wieder herum und erkenne bereits Thunder und Cassy. Der Rotschopf würgt sich noch immer das Essen hinunter und scheint davon nicht genug zu bekommen, während Thunder einfach nur hinaus schaut und sich in dem Ungetüm des Unwetters wiederfindet.

„Edeline." Ich verharre in meiner Position. Schaffe es kaum über meine Schulter zu schauen und sich der verzerrten Stimme zu widmen, da wickelt sich bereits eine kalte Masse um meinen Arm. Die warmen Augen der Frau scheinen gegen schwarze Seelenlose Beispiele ausgetauscht worden zu sein. Mein Herz setzt aus, meine Luft wird mir zugeschnürt, sobald ich die Unstimmigkeiten ihres Körpers erfasst habe. Sobald ich ihren Arm erkenne, der sich nicht an den menschlichen Maßen hält, sondern ein Abbild eines Dämons ist.

„Ihr werdet es nie schaffen ihm zu entkommen." Meine Brauen ziehen sich zusammen, während ich einen Schritt auf sie zumache. Ihre schwarzen Augen weiten sich einen Moment, bevor sich die Entschlossenheit wieder in den Vordergrund drängt. „Vor wem? Wem werden wir niemals entkommen?" Das Zittern meiner Stimme geht in meinem eigenen Willen unter. Egal ob Traum oder Realität. Egal ob wahr oder nicht wahr. Wenn ich Antworten bekomme, vor wem wir wirklich flüchten, wenn nicht meinem Vater, dann brauche ich sie. Wer sollte uns noch auf den Versen sein?

Ich zucke zurück, als sich ihre Oberlippe nach oben zieht und mir die Zähne entgegen blitzen. Wie Glassplitter ragen sie aus ihrem Mund heraus. Dahinter tobt die gespaltene Zunge. Mir wird übel und doch schaffe ich es bei Verstand zu bleiben und dieses eine Mal nicht die Angst vor den Dämonen zu haben. „Wer?" Meine Hand erfasst die des Wesens vor mir. Der Druck um meinen Arm wird fester, je länger ich sie auf ihn lege. „Wer verdammt noch mal? Wer ist noch hinter uns her?" Meine Augen huschen neben mir, erblicken die Schere, die ich sogleich ergreife und in den Arm des Wesens schlage. Der entsetzlich, verzerrte Schrei dröhnt in meinen Ohren, bevor ich ebenso die Spitze des Messers in meinem Arm spüre. Je mehr ich blinzle, je länger ich auf meinen Arm schaue, desto bewusster werde ich. Desto mehr erkenne ich, dass es mein Schrei ist, der dort erklingt. Es ist als säße ich erneut in dem Kunstraum. Als würde ich erneut diesen Traum vor meinen offenen Lidern träumen.
„Edeline!" Hände umfassen mein Gesicht, wodurch ich die aufgebrachten Schlieren dabei beobachte, wie sie selber versuchen den Schmerz loszuwerden. Ich erkenne meine Wunde an seinem Oberarm. Perfekt symmetrisch. „Es war ein Traum." Tränen treten mir in die Augen. Es war kein Traum. Das kann kein Traum gewesen sein. Dafür war es einfach viel zu echt. „Wir müssen hier sofort weg. Egal was du jetzt schon wieder angestellt hast, aber sie wissen wo wir sind." Cassy löst sich augenblicklich von der Frau, die sich scheinbar nicht mehr daran erinnern soll, dass sie von einem Dämonen besetzt worden war und ich ihr eine Schere in den Arm gerammt habe. Beziheungsweise... in meinen.

„Sie hat Recht." Haucht Thunder erwartungsvoll, als würde er mich selber erst davon überzeugen müssen. Dabei ist mir selber bewusst, dass mich mein Vater durch den Anruf aufgespürt hat. Oder das die Dämonen eben diese Arbeit gemacht haben. Egal wer oder wie es passierte, wir müssen hier wirklich weg. Meine Lider schließen sich angestrengt, als ich die Schere umfasse und den Mut auffinde, sie aus meinem Arm herauszuziehen. Ich bemerke bereits, wie sich die Wunde zu schließen beginnt. Wie sich meine Zellen regenerieren und zueinander finden.

Sobald ich meine Augen wieder öffne blicke ich in das tiefe weiß von Thunder, welches er noch immer unseren Wunden widmet, bevor wir hinausgehen und wieder ins Auto steigen. Cassy hat sich bereits auf dem Beifahrersitz niedergelassen und scheint sich redlich darüber zu freuen, während ich meinen Kopf an die Kopflehne lege und meine Augen schließe. „Was hast du dir dabei bloß gedacht?"
Mit Ruck zerren sich meine Lider wieder auf und schauen in die erbosten Augen des Engels. „Tut mir leid, wenn ich versuche nicht in Panik aufzugehen! Eben anders als du." Meine Arme verschränken sich vor meiner Brust, als sie sich schlagartig umdreht. Es wirkt als würden ihre Haare beinahe fliegen, vor Wut, die in ihr beben muss. „Nicht in Panik aufgehen? Sag mal, verarscht du mich? Deinen beschissenen Vater anzurufen soll nicht in einem Zug der Panik passiert sein?" Die Herausforderung blitzt mir wie ihr eingeborenes Schalk entgegen. „Ich versuche wenigstens irgendwas zu machen, statt mich von einem Diner zum nächsten durchzufressen." Meine Zähne beginnen aufeinander zu mahlen, als ich meinen Blick wieder hinaus gleiten lasse und die triste Gegend beobachte.

„Je schneller wir ihr das Blut aus den Adern saugen, desto schneller sind wir sie los."

Japsend schnappe ich nach Luft. Mein Herz scheint hinter meinen Rippen zu kollabieren, während ich immer mehr nach Atem ringe, der in diesem Auto kaum zu existieren scheint. „Du sprichst davon mich loszuwerden, wenn du die Fremde bist? Die, die sich aufdrängt und nicht zu merken scheint, dass sie vollkommen ungewünscht ist?" Meine Stimme überschlägt sich vor der bloßen Fassungslosigkeit. Vor der bloßen Dreistigkeit, dass sich mein eigener Engel so sehr gegen mich verschwört. Was auch immer ich getan habe, ich muss ein grausamer Mensch sein, dass sie mich so verabscheut.

Ihr amüsiertes Schnauben lässt mich erneut zu ihr schauen. Statt durch meine Worte klein zu werden, bestärkt mich das Gefühl, dass sie durch diese Kommentare viel eher wächst. Es ist doch barbarisch wie gut manche mit Kritik umgehen können. Insbesondere, wenn einem bewusst wird, dass sie es einfach nicht als Kritik ansehen können. Was auch immer bei ihnen ankommt, es ist nicht das, was ich oder sonst jemand gesagt hat. Cassy scheint hier keine Ausnahme zu sein.

„Oh Edeline, ich bin nur für dich ungewünscht, weil du dann nicht mehr deine kranken Liebesgedanken durchziehen kannst."

Mein Blut wird aus meinem Körper gezogen, um es lediglich in meinen Kopf zu bringen. Die Hitze lässt mich verschwommen in das vor Schadenfreude, Grinsende Gesicht schauen. Mir wird übel, bei so viel Missachtung. „Oh, sollte ich das nicht sagen?" Ihre Hand legt sich vor lauter Sorge um mich auf ihren Mund. „Cassandra." Ihr Lachen wird nur lauter, als Thunder sie ermahnt und sie sich wieder friedlich auf ihren Sitz fallen lässt. „Lass mich aussteigen." Meine Hand umfasst bereits den Griff der Tür, an welchem ich zerre. „Edeline hör auf mit dem Quatsch." Die Übelkeit wandert immer präsenter durch mich hindurch, wodurch ich meine Hand auf meinen Mund presse und versuche die ersten Brocken wieder hinunter zu schlucken. „Ich meine es Ernst. Ich muss raus hier!" Der Geschmack von Eisen triumphiert meinen Körper und lässt mich das erste Mal würgen, wodurch das Blut über meine Lippen fließt. In dicken Spinden ist es in meinen Speichel gewebt. Der Ekel steigt in mir an und lindert kaum das Erbrechende Gefühl in mir. „Scheiße Ella!" Ruckartig bohrt sich der Sicherheitsgurt in meinen Hals, schneidet ihn ein, als hätte ich keine stabile Barriere um meinen Körper. Der brennende Schmerz, lässt mich aufstöhnen, je tiefer sich die Raufaser in meinen Körper windet und das Blut hinaus laufen lässt. Für einen Moment scheint der Moment der Übelkeit gelindert zu sein, nur um im nächsten Moment einen neuen Anfall zu bekommen. Mein Magen fühlt sich an, als würden Messer darin wüten. Als würden sie nur die Aufgabe, der Zerstörung kennen. Dunkle Augen blitzen mir entgegen als ich versuche meine Lider aufzuzerren. Seine Finger halten meinen Kopf oben, sodass ich nicht meinen Blut verschmierten Körper sehe. Aber das brauche ich acuh nicht. Ich spüre es. Ich rieche es. Es brennt sich selbst in die Sitze des Autos ein. Es brennt sich selbst auf Thunders Haut ein.

„Das Dämonen Blut kämpft gegen deins."

Ich zerreiße von innen, kann dem nicht mehr entgegen steuern, bis uns ein Ruck von jeder Stelle reißt. Die Scheinwerfer brennen sich in meine Augen ein, bevor die Dunkelheit mich beschattet und einhüllt. In jenem Augenblick scheint es mein eigenes Ende zu sein, bis der Schmerz mit einem Mal fort ist, der Gurt sich um mich löst und ich das dichte Federkleid vor meinen Augen sehe. Es zieht mich tiefer in die Schönheit eines wahrhaftigen Engels, als ich die aufgebrachten Schlieren in seinen matten Augen sehe. Die, die sich senken. Die, die sich für die schwarzen Flecken auf dem reinen weiß schämen. Und dabei habe ich nie etwas schöneres gesehen. Dabei habe ich nie etwas schöneres sehen wollen. Vorsichtig streichen meine Finger über die dunkle Feder. Seine Flügel ziehen sich enger um mich, sobald ich die sänfte in ihnen spüre. Sobald ich die Weichheit unter mir spüre. Sobald sich seine Arme um mich schlingen und mir kaum Platz zum Atmen geben.

„Du bist wunderschön."

Es ist als gäbe es nie den Schmerz, der mich besetzt hat. Als gäbe es nur die Worte, die meine Lippen verlassen haben. Und dann, falle ich tief.

Thunder-fallen creaturesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt