Mit den vielen Tagen, die vergingen, ohne dass etwas passierte, fühlte Eden sich so, als würde jemand den Vorspulknopf in ihrem Leben gedrückt halten und die Stunden würden wie Minuten an ihr vorbeifliegen. Ehe sie sich versah, hatte der Sommer fast begonnen und es wurde zunehmend schwüler. Die Luftfeuchtigkeit war so hoch, dass das alleinige Bewegen schon Schweißausbrüche verursachte und nun war sie sogar ziemlich froh über ihre neuen, kurzen Haare. Sie hielten sie einigermaßen kühl, selbst wenn die Temperaturen an die fünfundzwanzig Grad gingen. An einem der milderen Tage hatte Eden sich in ihrer Freizeit nach draußen in den Schatten begeben. Während sie auf einer der schmuddeligen Bänke saß, deren Holzlack bereits abblätterte, und die sanfte Brise genoss, kam ihr jemand entgegen, den sie eigentlich gar nicht erwartet hatte.
„Was machst du denn hier?", fragte sie, als Kilian sich mit einem gezwungenen Lächeln neben sie setzte. „Ich dachte, jetzt, wo dein Turnier immer näher rückt, würdest du praktisch im Kampfsportzentrum leben?"
Sein Blick wirkte etwas stumpf und eine unbekannte Härte hatte sich in seine Gesichtszüge gelegt, als er antwortete: „Ich musste mal frische Luft schnappen", brummte. „Das wurde mir da ein bisschen zu viel."
„Oh. Oh." Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, deswegen wirkte es wohl etwas idiotisch, als sie fragte: „Und wie geht es dir?"
„Ganz fantastisch", spuckte er aus und wirkte so zynisch wie noch nie. „Es ging mir ja wirklich nie besser damit."
Witzigerweise würde sie nun wissen, was sie sagen müsste, wäre es Ash, der neben ihr sitzen würde. Aber bei Kilian hatte sie einfach keine Ahnung. Sie kannte ihn nicht gut genug, um ihn komplett einschätzen zu können. Tatsächlich kannte sie ihn aus ihrem Freundeskreis aber mit am längsten. Er war immer ein Freund von Ash und da jeder Freund von Ash auch ihr Freund war, kannte sie ihn schon ewig. Doch ihre Beziehung war nie so eng, wie zum Beispiel die zwischen ihr und Janet. Janet konnte sie alles anvertrauen, sie konnte mit ihr über alles reden, was es gab und sie wusste, dass sie immer einen Rat hatte, wenn sie wirklich einen brauchte. Nicht zuletzt wusste Janet natürlich ganz genau, was Eden brauchte und manchmal hören wollte, um sich wieder besser zu fühlen.
„Tut mir echt leid", sagte er, als sie nicht antwortete, weil ihr wirklich nichts einfiel. „Es ist ja nicht deine Schuld."
„Niemand ist schuld daran. Und du solltest es auch nicht so sehen, weißt du. Es ist... auch keine Bürde oder sonst was. Es ist eher... ich weiß auch nicht. Sieh es doch als Spezialeffekt an. Es macht dich nur besser", sagte sie und versuchte sich an einem aufbauenden Lächeln. Doch Kilian blickte sie nicht an und bemerkte es nicht. Er starrte auf seine ineinander verschränkten Finger, die zwischen seinen Beinen in der Luft hingen. Die Luft war schwül und drückend und doch schien ein eiskalter Schauer ihren Rücken hinaufzukriechen.
„Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll", bemerkte er langsam und versuchte seine Stimme ruhig zu halten, was ihm auch gelungen wäre, hätte er nicht aufgeblickt. Als er nämlich Edens Blick begegnete, zitterte seine Aussprache etwas, als wäre sie etwas Furchteinflößendes, etwas, vor dem er Angst haben müsste, dessen Namen er nur mit tödlichen Qualen aussprechen konnte.
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Ashes of Eden
General FictionMit der Entlassung aus dem Krankenhaus, beginnt für Ash Whelan eine neue Chance, sein Leben endlich wieder in die richtige Bahn zu lenken. Während seine eigenen Gedanken dabei die größten Hürden darstellen, die er überwinden muss, schleicht sich auc...