Als der Wind wieder die Richtung änderte, wurde ihr der zarte, verblassende Geruch von Alkohol entgegengeweht und Eden konnte nicht anders, als leise zu seufzen.
„Wie viel hast du getrunken?", fragte sie und hob langsam den Kopf an. Ash zuckte kaum merkbar mit den Schultern und sah sie dann entschuldigend an.
„'N bisschen." Daher die blutunterlaufenen Augen, dachte sie sich, und die unruhigen Finger. Typisch.
„Wieso? Du hast dich so doch so gut gehalten." Sie wollte nicht vorwurfsvoll klingen, aber konnte ihre Stimme auch nicht davon abbringen, ihn ein bisschen kleiner werden zu lassen. Wahrscheinlich würde sie es nie gut machen können.
„Ich musste", sagte er. Sie konnte erkennen, dass sein letztes Getränk schon einige Stunden zurücklag. „Zu viele Gedanken und Stimmen."
Eden seufzte leise, drückte seine Hand noch etwas fester und versuchte nicht enttäuscht zu wirken. „Na schön. Einmal kann man wohl durchgehen lassen, nicht? Aber nächstes Mal greif nach deinem Handy und nicht nach der Flasche. Ich bin auf jeden Fall gesprächiger, auch wenn ich wohl nicht so eine gute Zuhörerin war." Er grinste schief.
„Versprochen", war seine kurze Antwort, dann verfielen sie wieder in Schweigen. Eden lauschte dem Rauschen der Wellen und versuchte sich vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn sie wie früher an den See kommen könnten, ohne dabei über ihre schlimmsten Ängste und Probleme reden zu müssen. Vielleicht wäre es friedlich. Vielleicht wäre es ein bisschen hoffnungsvoll. Und vielleicht würde sie dann zu ihren Eltern nach Hause zurückkehren.
Aber diese Zeiten waren vorbei und sie hatte damit abgeschlossen. Schon lange und es tat ihr definitiv nicht gut, wenn sie nun wieder daran dachte. Aber sie und Ash waren sich dort sehr ähnlich. Den schädlichsten Dingen in ihren Leben konnten sie nicht ewig fernbleiben. Er würde irgendwann wieder trinken und sei es nur wenig. Eden würde wieder in ihren Gedanken gefangen sein und sei es nur für eine kurze Zeit.
Sie waren beide nicht stark genug, um ihren Probleme auf ewig zu entkommen aber das war in Ordnung. So lange sie einander hatten, konnten sie sich gegenseitig unterstützen und selbst wenn sie jahrelang über dem Abgrund hingen, sie würden nicht fallen. Eden würde nicht mehr zulassen, dass Ash wieder fallen würde.
„Aiden will nicht, dass ich dir das sage", fing Ash nach Minuten an, die sich wie Stunden gestreckt hatten.
„Dann tu es nicht", antwortete sie.
„Ich muss aber", entgegnete er. „Ansonsten..."
„Lässt es dich nicht los?"
„Ja." Sein Atem war wieder etwas schneller geworden und er wühlte mit seiner Hand in der Tasche seiner Hose herum, als wäre er auf der Suche nach einem Ausweg oder einer Antwort. „Das ist so... scheiße, ich will dir das nicht sagen. Ich sollte es dir auch nicht sagen, aber ich muss, sonst kann ich nie wieder schlafen und... Gott. Es ist scheiße."
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Ashes of Eden
General FictionMit der Entlassung aus dem Krankenhaus, beginnt für Ash Whelan eine neue Chance, sein Leben endlich wieder in die richtige Bahn zu lenken. Während seine eigenen Gedanken dabei die größten Hürden darstellen, die er überwinden muss, schleicht sich auc...