dreizehn

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Allmählich war der fließende Übergang vom Hochsommer in den Spätsommer deutlicher zu erkennen. Die Felder waren noch immer übersät mit leuchtend rotem Mohn und strahlend gelben Sonnenblumen, doch die unerträglich heißen Temperaturen nahmen etwas ab und der Wind wurde frischer.

Meine langen hellbraunen Haare hatte ich zu einem Dutt zusammengefasst und ich trug eine graue Jeans, ein Shirt und Turnschuhe. Auf meinem Schoß lag meine Tasche, in der ich Wechselklamotten, meinen Kulturbeutel, Kaugummis, mein Handyladekabel und mein Portemonnaie verstaut hatte. Gedankenverloren ließ ich meinen Blick durch die prall gefüllte Straßenbahn schweifen, in der ich saß und beobachtete die Menschen um mich herum.

Es war bereits wieder Samstag und ich war auf dem Weg zu Mika und ihrem Vater, die mir nur eine Adresse gegeben hatten und jetzt vermutlich bereits in ihrem Garten auf mich warteten. Mein Orientierungssinn arbeitete auf Hochtouren und versuchte angestrengt ein Bild eines Stadtplans in meinen Gedanken aufzubauen, damit ich wusste, wo ich hin musste, um die Schrebergartenanlage auch zu finden. Noch saß ich aber in der Bahn, hatte Zeit und ließ die letzten vergangenen Tage noch einmal durch meinen Kopf gehen. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen als ich an Mikas kleinen Bruder denken musste. Als ich ihr versprochen hatte, ihr helfen zu wollen, war ich sehr ehrlich gewesen und vor zwei Tagen hatte ich gemeinsam mit Mika auf Anton aufgepasst, damit sie nicht so allein und gestresst war. Wie sich herausstellte, war Anton wirklich ein liebenswertes Kind, das sich zu benehmen wusste und ich hatte ihn sofort in mein Herz geschlossen. Es machte mich glücklich, wenn ich Mika beim Babysitten unterstützen konnte und hatte beschlossen, ihr demnächst wieder zu helfen. Mika und ich waren uns mittlerweile so vertraut, dass es sich anfühlte, als würden wir uns schon ewig kennen und wir brauchten keine Worte um einander zu verstehen. Sie war wie eine Seelenverwandte, doch die starke Zuneigung, die ich ihr gegenüber entwickelt hatte, glich längst keiner normalen Freundschaft mehr. Der Zustand in den mich ihr bezauberndes Lächeln jedesmal brachte, die Trance, in die mich ihre Augen versetzten, all das war schon lange viel tief gehender, viel intensiver und besonderer als eine einfache Freundschaft.
Mein Herz wusste das - Ich noch lange nicht.

Die Bahn hielt mit einem unangenehmen Quietschen auf den Schienen und ich erhob mich von meinem Platz aus der hinteren Ecke und begab mich nach draußen.
Sofort mischten sich Unsicherheit und Vorfreude in mir und ich versuchte mich daran zu erinnern, wie ich am schnellsten von der Haltestelle zu der Gartenanlage kommen würde.
Es dauerte zum Glück nicht lange und kurze Zeit später lief ich auf einem schmalen Plattenweg entlang, der mit anschaulichen Gärten gesäumt war. Links und rechts von mir befanden sich Gewächshäuser, bunte Blumen und reichlich bewachsene Gemüsebeete. Rosenranken und Weinstauden breiteten sich aus und ab und zu sah man ein paar Gärtner, die mit Strohhüten auf dem Kopf ihren perfekten grünen Rasen kurz hielten. Bis auf das gleichmäßige Brummen der Rasenmäher war es ansonsten still, nur vereinzelt zwitscherten Vögel aus den Baumwipfeln und ich genoss das schöne Wetter. Da mir niemand gesagt hatte, nach was für Anhaltspunkten ich mich umschauen könnte, um den richtigen Garten zu finden, zückte ich mein Smartphone und rief Mika an. Sie erklärte mir geduldig welchem Weg ich folgen und dass ich mich nach einem großen Holztor umschauen sollte. Außerdem versprach sie, mir entgegen zu kommen, damit ich mich nicht verlaufen konnte. Ungefähr zehn Minuten später stand sie dann tatsächlich vor mir und brachte mir ihr unglaublich wunderschön strahlendes Lächeln entgegen.
"Hey!", begrüßte sie mich sofort und zog mich direkt in eine herzliche Umarmung, die mein Blut zum kochen brachte und einen angenehmen Schauer über meinen Rücken jagte.
Wie konnte ein Mensch nur so gut riechen, so umwerfend aussehen und zugleich einen so liebevollen Charakter haben?
Nicht zum ersten Mal musste ich feststellen, dass sie die absolute Perfektion in Person verkörperte, doch ich achtete sorgsam darauf, meinen viel zu schnellen Herzschlag zu ignorieren.
Mika trug ein lockeres, weißes Shirt, eine tiefsitzende Hose und Flipflops an den Füßen. Ihre trainierten Arme waren leicht gebräunt, ebenso wie ihr ebenmäßiges Gesicht. Alles in allem sah sie einfach verdammt gut aus, jedoch versuchte ich nicht darauf zu achten und drängte diese Gedanken wieder so weit wie möglich in den Hintergrund zurück.
"Mein Dad wartet auf uns. Er ist schon dabei das Abendbrot vorzubereiten und grillt fleißig", berichtete Mika, doch als ich sie mit einem unsicheren Blick musterte, fügte sie lächelnd hinzu:
"Keine Angst, er weiß, dass du Vegetarierin bist und hat für dich extra Gemüse auf den Grill gelegt. Außerdem gibt's Salat und Brot, du wirst schon nicht verhungern."
Sie zwinkerte mir schelmisch zu, was mich zum Grinsen brachte und ich nickte erleichtert.
"Das ist genial, ich hab nämlich total Hunger und freu mich schon unfassbar doll darauf, etwas zu essen!"
Erst als ich den Satz schon laut ausgesprochen hatte, fiel mir auf wie verfressen ich geklungen haben musste und sah leicht beschämt zu Boden, was Mika dazu brachte in lautes Gelächter auszubrechen.
"Ich hoffe mein kleiner Klumpen wird satt, ansonsten gehen wir für dich nochmal einkaufen", neckte sie mich, woraufhin ich ihr einen freundschaftlichen Klaps auf den Arm verpasste.
Mika zeigte in eine Richtung, wo ich ihren Garten vermutete und gemeinsam schlenderten wir den Weg entlang, bis wir vor einem großen Holztor Halt machten.
Was sich dahinter verbarg konnte ich erst bestaunen, als Mika es öffnete und mich hereinbat.
Vor mir erstreckten sich dicht aneinander gereihte Beete, ein überdachter Essplatz und sogar ein kleiner Pool und eine Laube.
Mikas Vater war gerade dabei, die Steaks zu wenden und als er uns erblickte, winkte er mir freundlich mit seiner Grillzange zu.
"Hallo Elly", rief er mit einem lustigen russischen Akzent und widmete sich anschließend wieder seiner Arbeit. Während er damit beschäftigt war, das Abendessen vorzubereiten, zeigte Mika mir alles, stolz darauf, was sie und ihr Vater gemeinsam aufgebaut hatten.
Die leicht heruntergekommene Laube, die noch kleiner war als die meisten Gartenhäuser, wirkte ausbaufähig, aber sehr gemütlich.
Die spärliche, provisorische Einrichtung fand ich auf den ersten Blick einladend, auch wenn das herumstehende Geschirr und die untapizierten Wände von denen der Putz bereits abbröckelte, eher chaotisch wirkten.
Das Häuschen unterteilte sich in drei Räume: Ein Wohnzimmer in Miniaturgröße, in dem nur ein altes, durchgesessenes Sofa und ein Holztisch Platz fanden, eine Küche, in der sich Tassen und Teller auftürmten und der Wasserhahn tropfte und ein weiterer kleiner Raum, der sich als Schlafzimmer entpuppte. Hier befand sich ein einziges Bett, das direkt unter ein schmales Fenster geschoben war und eine Spanplattenkommode, auf der ein Radio stand.
"I..ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass wir nicht mit dem höchst angesetzten Standart dienen können?", fragte Mika vorsichtig, was ich total süß fand.
"Natürlich nicht! Das hier ist ein Gartenhaus und kein Luxushotel, das hab ich nicht anders erwartet und außerdem finde ich es wirklich gemütlich hier", beruhigte ich sie sofort.
"Gott sei dank! Das freut mich", antwortete sie mir und lächelte schüchtern, beinahe verlegen, was ich von ihr nicht gewohnt war.
"Du.. Du hast kein Problem damit, dass wir wieder zusammen in einem Bett schlafen, oder?", wollte sie wissen und schob sich dabei einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, die ihr widerspenstig vor die Augen fielen. Es war deutlich zu spüren, wie aufgeregt sie plötzlich war und auch ich fühlte, dass mein Herzschlag sich verdoppelte. Ich wollte ihr eigentlich antworten, dass das natürlich in Ordnung für mich war, aber es kam kein einziges Wort aus meiner Kehle und ich starrte sie einfach nur an. Alles in mir wollte, dass ich einen Schritt auf sie zuging und ihr die letzte Strähne aus dem Gesicht strich, die sie vergessen hatte, doch meine Vernunft sträubte sich dagegen. Also stand ich einfach regungslos da, konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden, schaffte es aber nicht etwas zu sagen. Das magische Knistern zwischen uns wurde fast greifbar und mittlerweile schlug mir mein Herz bis zum Hals. Mikas Wangen hatten eine rötliche Farbe angenommen und sie verringerte den Abstand zwischen uns, indem sie einen vorsichtigen Schritt auf mich zu machte. Keiner von uns beiden schien darüber nachzudenken, was gerade zwischen uns passierte, zu besonders war der Moment und zu berauschend das Gefühl, welches uns überkam.
Schließlich trennten uns nur noch wenige Zentimeter voneinander, Mika streckte ihren Arm nach mir aus und ihre Hand umfasste meine. In einer einzigen fließenden Bewegung vereinten sie sich miteinander, als wären sie füreinander geschaffen und ein Blitz durchzuckte meinen gesamten Körper. Mikas Berührung fühlte sich so schön an, dass ich nicht in der Lage war darüber nachzudenken und für einen Augenblick genoss ich das Kribbeln, das sich wieder in mir ausbreitete. Doch nur wenige Sekunden später meldete sich eine Stimme in meinem Hinterkopf, flüsterte mir eindringlich zu, dass das hier falsch war und ich es unterbinden musste und sofort erinnerte ich mich, dass ich genau solche Gefühle eigentlich vermeiden wollte, sie versuchte zurückzuhalten und einzusperren.
Wie eine alles überflutende Welle überkam mich schlagartig die Vernunft und ich zuckte erschrocken zurück, löste meine Hand aus Mikas sanftem Griff und brachte wieder etwas Abstand zwischen uns.

Since our fate has decided (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt