siebzehn

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Es war bereits Nachmittag, dunkle Wolken zogen auf und kündigten ein Gewitter an.
Seit der vergangen Nacht hatte es immer wieder geregnet, mit nur kurzen Pausen dazwischen, doch jetzt hatte der Himmel sich so stark verdunkelt, dass das kommende Unwetter sich in durchaus größerem Ausmaß ankündigte.
Zu Gewittern hatte ich seit jeher ein seltsames Verhältnis. Einerseits jagten sie mir Angst ein und wirkten stets bedrohlich und Ehrfurcht erregend auf mich. Andererseits beruhigte es mich auf eine unerklärliche Art, mit einer Decke und einem dampfenden Kaffe oder Tee in meinem Zimmer zu sitzen und dem Donnergrollen zu lauschen.
Heute jedoch empfand ich weder Furcht noch Geborgenheit, beim beobachten des düsteren Himmels.
Alles was ich fühlte, war eine gähnende Leere, die mich von innen aufzufressen drohte.
Mit einer frisch aufgebrühten Tasse Früchtetee hockte ich auf meinem Bett, nahm das gleichmäßige Schnurren von Mr Flip gar nicht wahr, der zusammengerollt neben mir lag und seinen kleinen, haarigen Kopf an mein Bein schmiegte.
Gedankenverloren beobachtete ich, wie sich die rote Farbe, die aus dem Teebeutel drang, wie ein Schleier immer intensiver in der Tasse ausbreitete und das heiße Getränk schließlich nach einigen Minuten dunkelrot verfärbt hatte.
Meine Wange brannte wie Feuer, weshalb ich den Drang unterdrückte, darüber zu streichen.
Eigentlich war meine Mutter eine stets gut gelaunte, lockere Frau, die sich nicht unbedingt schnell aus der Ruhe bringen ließ. Eigentlich.
Aber die Ereignisse der letzten Nacht hatten sie verständlicherweise so verärgert, dass sie sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Nachdem ich Zuhause angekommen war, triefnass bis auf die Knochen, mit dem Geruch von Alkohol und völlig verheult, waren eine herzliche Umarmung oder ein "Schön, dass du wieder da bist" natürlich ausgeblieben. Meine Mutter hatte mich einfach nur angesehen, vorwurfsvoll und zutiefst enttäuscht.
Ohne Vorwarnung hatte sie blitzschnell mit der flachen Hand ausgeholt und dort wo sie gelandet war, brannte nun ein dunkelroter Abdruck auf meiner linken Gesichtshälfte.
Wenigstens hatte sie bereits in der Schule angerufen und mich für den restlichen Tag entschuldigt.
Normalerweise wäre ich wütend auf sie gewesen, weil ich nicht fand, dass Gewalt eine Lösung zur Erziehung von Kindern war. Allerdings war die Ohrfeige mehr als berechtigt und ich wusste, dass ich dankbar sein durfte, dass nichts schlimmeres passiert war und sie es nur dabei belassen hatte.
Nun saß ich allein in meinem Zimmer und konnte mich nicht daran erinnern, jemals so viel Selbsthass empfunden zu haben.
Schlimmer als es jetzt war, konnte meine Situation wirklich kaum sein:
Dank meiner Nacht im Freien hatte ich mir eine ordentliche Erkältung eingefangen, der Alkohol war noch immer nicht ganz verflogen und mir war kotzübel, meine Mutter sprach kein Wort mehr mit mir und Molly hatte mich einfach im Stich gelassen. Niemandem war aufgefallen, dass ich noch auf der Parkbank gelegen hatte und sogar meine beste Freundin war ohne es zu bemerken einfach verschwunden.
Das schrecklichste aber war, dass ich Mika Unrecht getan und sie verletzt hatte.
Wie sollte ich das bloß jemals wieder gut machen?

Auf meinem Bett waren neben mir und Mr Flip einige Tüten Gummibärchen und zwei Tafeln Schokolade zu finden, die ich mir heimlich aus der Küche geklaut hatte. Wahrscheinlich erlitt mein Körper bereits einen Zuckerschock, aber wenn ich meinen Kummer nicht mit Alkohol betäuben konnte, mussten eben Süßigkeiten her, die mir den Frust erträglicher machten.
Seit Stunden hatte ich mich nicht vom Fleck bewegt, hörte traurige Musik, die meine Stimmung zwar in keiner Weise verbesserte, aber meinen Zustand ziemlich gut widerspiegelte und war in meinem Selbstmitleid bereits so tief versunken, dass es ein wahres Wunder brauchte, um mich davon zu befreien.
Irgendwann beging ich jedoch einen Fehler, der mich aus meinem Tief befreien sollte: Ich warf versehentlich einen Blick in den Spiegel, der neben meinem Bett an der Wand hing.
Erschrocken sah ich wenig erfreut in mein müdes Gesicht, das von meiner verschmierten Maskara teilweise schwarze Flecken aufzuweisen hatte. Unter meinen mit Tränen gefüllten grünen Augen waren deutliche Augenringe zu erkennen und ich schluchzte traurig, während ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.
Ich fühlte mich nicht besonders gut, beim einatmen rasselte mein Atem in meinen Bronchien und ich wusste, dass ich mir eine ernsthafte Erkältung zugezogen hatte, die mich auch die kommenden Tage außer Gefecht setzen würde.
Bei meinem armseligen Anblick wurde mir noch schlechter, als ich mich sowieso schon fühlte, falls das überhaupt möglich war und ich beschloss, dass damit nun endgültig Schluss sein musste. Ich ertrug die Tränen und das Gefühl von übermäßiger Unzufriedenheit nicht mehr und sprang von meinem Bett herunter, mit neuer Energie, die ich schon längst verloren geglaubt hatte.
"So geht das nicht weiter", sagte ich zu mir selbst, während ich ins Badezimmer lief um eine heiße Dusche zu nehmen.
Anschließend, nachdem ich meine Haare trocken geföhnt und mir frische Sachen angezogen hatte, beschloss ich Molly meine Meinung zu sagen.
Geduscht und mit neuem Elan fühlte ich mich gleich besser und ohne weiter zu grübeln, nahm ich eine Sprachnachricht an meine beste Freundin auf.

Since our fate has decided (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt