dreißig

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Mika's Sicht:
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Es war dunkel und ruhig und nur mein unregelmäßiger und unnormal schneller Herzschlag passte nicht in die ansonsten so stille Situation.
Die Dunkelheit, die mich umgab war nicht etwa bedrohlich, erdrückend oder beängstigend, sondern sie beruhigte mich. Ich fühlte mich unsichtbar und das gab mir das Gefühl mich vor meinen Problemen verstecken zu können. Beinahe hätte ich das munter sein in dieser Nacht sogar genossen, denn es tat irgendwie gut einfach nur rumzuliegen und ins schwarze Nichts zu starren, wäre da nicht dieser Brief auf meinem Schreibtisch, dessen Anwesenheit ich zwar nicht sehen, aber umso deutlicher spüren konnte.

Ein Gemisch aus Neugier und Schuldbewusstsein nagte quälend an mir und genau diese Mischung der Gefühle brachte mich dazu schlussendlich doch das Licht anzuschalten und von meinem Bett aufzustehen. So stand ich also mit zerzausten Haaren und in Jogginghose unschlüssig in meinem Zimmer und streckte den Arm nach dem Brief aus. Wie lange ich so da stand wusste ich nicht, jedenfalls dauerte es eine Weile bis meine Finger in der Lage waren den Umschlag tatsächlich zu greifen.
Es war kühl in meinem Zimmer und ich fröstelte, schlüpfte schnell zurück in mein Bett und verkroch mich unter der Decke. Nach einem tiefen Atemzug öffnete ich schließlich behutsam den hellen Umschlag und zog einen Zettel daraus hervor. Das sorgfältig gefaltete Papier drehte ich unsicher in meinen Händen und starrte eine Weile an die Wand. Wollte ich wirklich wissen, was in diesem Brief stand oder ihn doch lieber ungelesen lassen?
War ich tatsächlich bereit mich der Situation endlich zu stellen, oder sollte ich das Vorgefallene einfach weiterhin versuchen zu ignorieren?
Während ich abwägte was ich tun sollte, tauchten vor meinem inneren Auge die Bilder von Elly auf, die schon seit Tagen durch meinen Kopf geisterten. Ich sah sie lachend und glücklich und spürte wie sehr sie mir fehlte und ich sah sie an die Wand gelehnt, eng umschlungen mit Lukas, ihn küssend. Es versetzte meinem Herzen einen weiteren Stich, diese Szene wieder durchleben zu müssen. Aber ich sah Elly ebenfalls schweigend und unbeteiligt durch die Schule schleichen, als stünde sie komplett neben sich. Ich erinnerte mich an den traurigen Gesichtsausdruck als ich sie nicht hatte ausreden lassen und ihr eine kalte Abfuhr erteilt hatte und fühlte mich dabei plötzlich unglaublich schuldig. Am liebsten hätte ich Ihre Einladung auf einen Kaffee sofort angekommen, doch die Eifersucht hatte aus mir gesprochen und Elly damit ganz offensichtlich verletzt. Wenn sie tatsächlich Lukas mir vorziehen würde, dann wäre sie doch nicht seit Tagen ein so betrübt wirkendes Wrack, oder?
Gib dir einen Ruck, Mika...
Mit zittrigen Fingern fuhr ich behutsam über das Papier und entfaltete es schließlich, mit pochendem Herzen. Dann atmete ich ein letztes Mal tief durch und begann zu lesen...

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                                ***
„Elly? Kommst du zum Frühstück?", rief die Stimme meiner Mutter durch das ganze Haus. Ich hatte sowieso kaum schlafen können und saß schon eine ganze Weile auf meinem Schreibtischstuhl, hörte Musik und zeichnete. Deshalb legte ich meinen Stift beiseite und rief mit mindestens der selben Lautstärke ein „Jaa" zurück.
Dann erhob ich mich von meinem Stuhl und lief langsam in die Küche.
Der Schlafmangel der letzten Nächte hatte mir zugesetzt und nun hatte ich mit Kopfschmerzen und tiefen Augenringe zu kämpfen. Dass etwas nicht stimmte, schien mittlerweile auch meiner Mutter aufzufallen, denn kaum betrat ich die Küche, musterte sie mich mit einem kritischen Blick.
„Nimmst du seit neustem Drogen von denen ich nichts weiß?"
Entsetzt schnellte mein Blick nach oben zu ihr.
„Mama!". entgegnete ich empört um meiner Abneigung gegen Rauschmittel Ausdruck zu verleihen, damit sie bloß nicht auf falsche Gedanken kam.
„Nein? Keine Drogen? Na gut, das hätte mich auch gewundert. Was ist es dann?", fragte sie skeptisch meine Reaktion analysierend.
Ich hingegen zuckte bloß mit den Schultern und wendete den Blick wieder ab.
„Du kannst nicht verleugnen, dass du schrecklich müde aussiehst und dich in letzter Zeit nur noch sehr knapp mit mir unterhältst. Elly, ich bin deine Mutter; wenn etwas ist, dann sag es mir."
Seufzend überwand ich mich zu einem Lächeln.
„Ist schon gut Mama, mach dir keine Sorgen, ich konnte bloß nicht so gut schlafen. Muss am Vollmond liegen."
Meine Mutter sah mich weiterhin so an, als schenkte sie meiner Aussage keinen Glauben, aber sie sagte nichts mehr dazu und widmete sich ihrem Kaffee.
Ich hingegen ließ mich plump wie ein nasser Sack auf einen Stuhl fallen und starrte vor mich hin. Hunger hatte ich keinen und ausnahmsweise war mir auch nicht nach Kaffee zumute. Also beobachtete ich bloß meine Mutter beim frühstücken, die mir gegenübersaß und den besorgten Ausdruck noch immer nicht ganz aus den Augen verloren hatte. Erst nach einigen Minuten in denen niemand etwas gesagt hatte, fiel mir auf, dass Thomas gar nicht bei uns saß.
„Wo ist Thomas eigentlich?", sprach ich daher meine Gedanken laut aus.
„Er hat einen Auswärtstermin und wird erst spät am Abend wiederkommen. Aber wie ich meine herzallerliebste Tochter kenne, freust du dich sicher darüber, hm?"
Ich konnte nicht ganz zuordnen ob der Tonfall meiner Mutter vorwurfsvoll oder belustigt klang, denn sie wusste schließlich ganz genau, dass ich ihren Freund nicht besonders leiden konnte.
Das provozierende Grinsen in ihrem Gesicht zeigte mir aber, dass sie mir nicht böse war, wenn ich ehrlich antwortete.
„Da hast du möglicherweise Recht", gestand ich deshalb ebenfalls grinsend, „Wenn er gar nicht mehr wiederkommt bin ich ihm auch nicht böse."
Mit gespieltem Entsetzen starrte meine Mutter mich mit aufgerissenen Augen an und tat so, als wäre sie unglaublich verärgert über meine Aussage. Lange hielt sie es jedoch nicht aus und brach schließlich in schallendem Gelächter aus. Der Moment war irgendwie so skurril, dass auch ich in ihr Lachen mit einfiel und für einen kurzen Moment konnte ich die traurigen Gedanken an Mika vergessen.
Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht, wie es sich für meine Mutter anfühlen musste, zu wissen, dass ihre Tochter den Mann den sie liebte nicht ausstehen konnte. Dass Thomas und ich schon vom ersten Tag an nicht miteinander klargekommen sind hatte ich immer als schlimm empfunden, aber war es nicht egoistisch zu glauben, dass nur ich darunter zu leiden hatte? Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie schwer es meine Mutter eigentlich mit der Gesamtsituation hatte. Ich war auf alle Fälle sehr dankbar für das gute Verhältnis zu meinen Eltern, denn ich wusste, ganz egal was passiert, sie stehen immer zu mir.
„Mama? Sind die Rosen da von Thomas?", fragte ich interessiert und deutete auf die prall gefüllte Vase auf dem Tresen, wofür mir ein verwunderter Blick entgegengebracht wurde.
„Ja, die hat er mir gestern Abend mitgebracht, wieso?"
„Ach nur so", entgegnete ich. „Obwohl ich ihn nicht leiden kann muss ich zugeben, dass sie wirklich schön sind."
Meine Mutter lächelte als sie antwortete: „Um ehrlich zu sein war ich etwas enttäuscht, dass Thomas nach all den Jahren immer noch nicht weiß, dass ich Rosen gar nicht leiden kann."

Since our fate has decided (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt