3 Beneidetes Opfer (Ethan)

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Ich beobachtete die Teampartnereinteilung aus der Ferne. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn mein Platz war der hinterste im ganzen Raum. Mein bester Freund Taylor und ich hatten uns diesen gleich am ersten Schultag verschafft – nebenbei erwähnenswert auch der einzige, an dem wir mal pünktlich aufgekreuzt waren.

Der Platz war einfach perfekt: Er war am weitesten vom Lehrertisch entfernt, sodass man machen konnte, was man wollte – nicht, dass ich das auch sonst nicht tat –, durch die Entfernung hörte man Mr. Franklins nervige Klugscheißerstimme auch nicht so intensiv wie vorne. Und ein zusätzlicher Bonus war auch, dass ich eine gute Position für einen perfekten Ausblick hatte, wenn ein Mädchen sich nach irgendetwas bückte ...

Innerlich feierte ich mich immer noch, wie uns alle angestarrt hatten, als meine Jungs und ich durch den Raum geschlendert waren. Wie gewohnt waren alle Blicke auf uns gerichtet gewesen. Schon traurig, wenn uns als Schüler mehr Respekt und Aufmerksamkeit galten als unserem Lehrer Mr. Franklin. Der war aber auch bedauernswert: Er war ein kleiner Zwerg, den ich beinahe um zwei Köpfe überragte, und mit seiner altmodischen Kleidung und Harry Potter Brille sah er aus, als würde ihn seine Mutter anziehen. Zuzutrauen wäre ihm, dass er noch bei seiner Mutter lebte.

Jedenfalls musterte ich lässig die Reaktionen auf die zugewiesenen Pärchen. Von genervten Stöhnen bis zu laut ertönenden Freudequietschen war alles dabei. Persönlich wünschte ich mir ja, mit einem hübschen, leicht-rumzubekommenden Girl in einer Gruppe zu sein. Klar, konnte ich so mit der Facharbeit nicht wirklich etwas an meiner Geschichtsnote verbessern, aber wenigstens würde ich während den Recherchen Spaß bei einem kleinen Nümmerchen haben.

„Und Sie Miss Nickelson, Ihr Thema wird sein, die Entwicklung und heutige Bedeutung des American Dream zu untersuchen. Dies werden Sie zusammen erarbeiten mit ..." Da war ich ja mal gespannt, wer die arme Sau war, die mit Nerdi zusammen arbeiten musste. Soweit ich sah, waren bereits alle ihrer Streberfreundinnen vergeben und sonst waren vielleicht drei Leute noch übrig, die es begrüßen würden, so einen Vorteil zu haben. Den anderen war nur zu wünschen, nicht mit ihr in einer Gruppe zu sein: Denn wenn es um Schulisches ging, verhielt sie sich wie eine kontrollfreakige Furie. Konnte sie überhaupt anders sein? Keine Ahnung, ich begegnete ihr nur in der Schule und zumindest dort war sie unerträglich. Zu übermotiviert, was Schule betraf, und zu verklemmt, was Spaß anging.

„Mr. Cooper", ertönte mein Name. Ehe ich richtig checkte, was das bedeutete, ertönten schon die ersten Kommentare meiner Kumpels.

„Boar, du Opfer! Viel Spaß mit Nerdi und den verplanten Wochenenden ... Tja, werden wir sicher erst einmal nicht mit dir auf Partys rechnen können, denn da hast du ein Date mit ihr und Mrs. Bücherstapel", belustigte sich Redhead Jordan hinter mir über meine erbärmliche Situation. Ich mochte ihn, aber manchmal könnte ich ihm kräftig eine in die Magengrube verpassen.

„Wird wohl nichts mit kleinen Nümmerchen in den Pausen", fügte Brandon in seinem leichten spanischen Akzent spottend hinzu. Das war wohl war: Jeder wusste, dass Harper Nickelson Jungfrau war. Bisher hatte sie kein Typ herumbekommen – wenn es jemals jemand versucht oder gewollt hätte ... Stand sie überhaupt auf Männer? Vielleicht war sie ja auch lesbisch oder a-sexuell, dass würde zumindest erklären, dass sie selbst auf mich so abweisend reagierte. Denn ohne selbstverliebt zu klingen, ich kannte außer der paar Streberinnen keine Heteromädchen, die nicht davon träumten, etwas mit mir anzufangen – oder es schon getan hatten.

Mehrfach schlug ich meinen Kopf auf die Tischkante. Das konnte doch nicht wahr sein. Konnte man mich nicht einfach mal in Ruhe lassen? Ich wollte doch einfach nur mit Mädchen schlafen, mich auf Partys besaufen und Fußball spielen, was war so verwerflich daran, dass mich das Schicksal immer wieder fickte? – Vielleicht war das Schicksal aber auch eine sie und stand einfach darauf ... Ich hatte keinen Bock, mit der eigenwilligen, herrischen Oberstreberin zusammen zu arbeiten.

„Ey Cooper, Kopf hoch. So schlimm ist das doch gar nicht: Überleg mal, die will unbedingt ein A darauf bekommen, spätestens wenn du dich ein bisschen dämlich anstellst, wird sie alles alleine machen wollen, dann bist du der Einzige von uns, der nichts machen muss und dann noch dazu mit einer guten Note fürs Nichtstun belohnt wird", beruhigte mich mein bester Kumpel Taylor. Irgendwie hatte der Blondschopf ja recht: Sie war so ein Kontrollfreak, dass sie lieber alles alleine machte, anstatt zu versuchen, mich zu bändigen.

Den restlichen Unterricht bekam ich nicht wirklich mit, da ich immer wieder fast einnickte. Hätte am Wochenende wohl doch nicht durchmachen dürfen ...

Ich war einer der Ersten, der aus dem Raum heraussprintete. Ging wahrscheinlich auch schneller, wenn man nie etwas auspackte oder seine Sachen schon fünf Minuten vor Schluss in die Tasche stopfte.

Genüsslich lehnte ich mich gegen meinen Spint und holte den Burger von heute früh heraus. Ich hatte keinen Bock auf das überbesalatete Sandwich gehabt, das mir Mom heute früh zurückgelassen hatte, sodass meine Boys und ich einen kleinen Zwischenstopp bei Mc's gemacht hatten.

Meine Clique gesellte sich zu mir. Das sollten sie ruhig tun, so sah ich nicht so opfermäßig ohne Freunde aus – auch wenn ohnehin alle wussten, wer ich war und wer zu mir gehörte. Und so hatte ich vielleicht auch die Chance, von Abigail übersehen zu werden. Normalerweise war ich immer offen für eine Fummeleinlage mit ihr, aber in meinem halben Katerzustand konnte ich sie und ihre Girlystimme echt nicht ertragen. Ich war froh, dass mein Kopf langsam aufhörte zu brummen. Zudem war ich gerade abgefuckt genug von der Geschichtsfacharbeit und dem Wissen, wer meine Partnerin war.

„Was willst du denn hier?", ertönte plötzlich Taylors verwirrte Stimme.

„Ich will mit Ethan sprechen", behauptete eine Mädchenstimme. Man spürte förmlich, wie sie die Augen verdrehte, als ob das für sie selbsterklärend war.

Ich wurde hellhörig, denn offensichtlich ging es um mich. Einer meiner Lieblingsthemen. Ich drehte mich zu den beiden, hielt mich aber noch in meinem Versteck inmitten meiner Kumpels. Der Anblick war göttlich: Da stand die kleine Streberin wie ein wütendes Erdmännchen einer der großen bösen Hyänen gegenüber: Taylor überragte sie um mehr als einem Kopf, zudem wirkte er mit seiner Türsteherstatur tausendmal bedrohlicher, als die kleine paustbäckige Knirpsin.

„Passwort?" Taylor versperrte provokativ den einzigen Weg zu mir.

„Ich schneide dir gleich das Körperteil ab, in dem ich dein Gehirn vermute, wenn du mich nicht sofort durchlässt." Oha, Erdmännchen konnten also doch kratzen.

Taylor trat mit sichtlichem Schock in den Augen zur Seite. Verständlich, jeder Junge wäre empfindlich, wenn sein Freund bedroht wäre.

Nun war es an der Reihe, dass die Alphahyäne dem kleinen Erdmännchen zeigte, mehr das Leittier war.

„Hör mal zu, du Schwachmat. Wenn du dachtest, ich mache die Facharbeit alleine, dann hast du dich geschnitten und jetzt komm nicht damit an, keinen Bock zu haben oder ähnliches. Du wirst etwas machen, selbst wenn ich dich zwingen muss. Nur wegen dir und deinem Neandertalergehirn werde ich nicht meine Note aufs Spiel setzen. Komm heute zu um fünf zu dieser Adresse und wehe du kommst bloß eine Minute zu spät, dann wirst du mit Mädchen bloß noch interagieren können, indem du mit ihnen redest! Verstanden?" Sie drückte mir einen Zettel in die Hand und entfernte sich darauf blitzschnell vom Rudel, ohne meine Antwort abzuwarten. Ehe ich mich rechtfertigen konnte, war sie weg und ließ mich wie bedeppert stehen. Ich schluckte schwer, nicht, dass sie mir Angst gemacht hätte, ich hatte einfach nicht damit gerechnet, dass sie sich so etwas wagen würde.

Meine Kumpels brachen in spöttisches Gelächter aus, worauf ich nur meine Zähne fletschte. Die würde noch etwas erleben: Ich ließ mir von niemandem so etwas bieten, erst recht nicht von einem Geek.

„Oha, die hat es dir aber gegeben. Die ist ja krank drauf. Was hat die genommen? Zu viel Selbstbewusstsein im Frühstück oder was?", kommentierte Taylor amüsiert, jedoch zeitgleich ein wenig eingeschüchtert. „Wirst du da wirklich heute hingehen?"

„Ja, aber nicht, weil ich Angst vor ihr habe, sondern weil ich zeigen will, dass ich das Sagen haben und nicht sie", erwiderte ich, als ich immer noch mit leerem Blick in die Richtung schaute, in der sie verschwunden war. Nein, von ihr würde ich mir das nicht gefallen lassen, so opfermäßig stehen gelassen zu werden. Ich ließ Personen sitzen, nicht umgedreht.

Nerd vs. Athlete - Geek vs. Player I : Liebe auf den nicht ganz ersten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt