28 Nicht aus der Rolle fallen (Harper)

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Es war traurig, wie Mrs. Montgomery, unsere unrealistisch optimistisch denkende Englischlehrerin, danach bettelte, dass Schüler mitarbeiteten.

Cloe und ich durften nichts mehr sagen, da wir generell die Einzigen waren, die ansatzweise mitarbeiteten, und sie die anderen auch mal zu Wort kommen lassen wollte.

Warum ich dies tat? Einerseits war der Unterricht dadurch nicht ganz so einschläfernd und andererseits lernte ich somit bereits und musste mir den Stoff nicht unter Mühen zu Hause einbläuen. Ich liebte jegliche Literatur, allerdings gelang es Mrs. Montgomery, selbst diese zu verlangweilen.

„Hat wirklich keiner eine Idee, auch nur eine klitzekleine. Es ist nichts falsch, wenn ihr eure Interpretation belegt", versuchte Mrs. Montgomery erneut, die Schüler zur konstruktiven Unterrichtsbeteiligung zu motivieren.

Jedoch interessierten sich die anderen kaum für die Analyse des Hamlet-Monologs be or not to be.

Genau wusste ich nicht, ob die Unterrichtsverfolgung gegen null daher rührte, weil sie es nicht kapierten, es nicht einmal versuchten oder – was am ehesten zutraf –, weil sie schlichtweg zu faul fürs Melden waren.

Da Mrs. Montgomery Cloes und meine Meldung, um endlich voranzukommen, wiederholt mit „Cloe und Harper, dass ihr das wisst, ist mir bewusst, dennoch wollen wir auch einmal den anderen eine Chance geben" ablehnte, wunderte es mich nicht, dass wir im Stoff hinterherhingen. Wenn sie unbedingt Minuten verlor, bloß weil sie auf eine Meldung wartete, dann war es sicher, dass wir bis zu unserem Abschluss in drei Wochen Hamlet nicht zu Ende durchgearbeitet hatten.

„Hast du nachher zufällig noch nichts vor?", lehnte sich Cloe sonnenkuchenbreit grinsend in meine Richtung.

„Noch nicht wirklich. Warum?"

„Eigentlich wollte ich ursprünglich lediglich das Kleid von der Hochzeit meiner Cousine zum Prom anziehen, allerdings stecke ich jetzt voll in der Krise, da ich nun kurz vor knapp doch noch ein hübscheres Kleid besorgen muss, das Miles vom Hocker haut. Bitte, bitte, bitte, ohne dich schaffe ich das nicht", überredete sie mich mit einem verzweifelten Hundeblick.

Miles und sie waren nun offiziell seit etwa einer Woche zusammen, endlich, ich hätte die unnützen Zweifel daran, ob er wirklich auf sie stand, nicht mehr lange ertragen. Als Cloe Miles Bücher über unser Experimentthema zurückgebracht hatte, hatte sich der schüchterne Junge zusammengerissen und ihr seine Gefühle gestanden. Überglücklich hatte sie ihm versichert, dass sie ebenso empfand. Es kam wie vorhergesagt: Sie wurden ein Paar.

Seitdem war eine Woche vergangen, in der sie sich verliebter denn je anstarrten und Liebesschwüre austauschten.

Passend dazu sollte der Abschlussball ihr erstes formelles Date als Paar sein, was erklärte, dass Cloe um jeden Preis Eindruck schinden wollte.

„Okay, ich mach's." Cloe strahlte darauf vollends zufrieden.

„Weißt du eigentlich schon, mit wem du hingehst?", fragte sie mich, da der Unterricht immer noch nicht vorankam.

Vor meinem inneren Auge erschien ein Bild von Ethan im Anzug und mir im eleganten Ballkleid. Abstreiten konnte ich nicht, dass diese Vorstellung überwältigend war. Abgeholt werden von Ethan mit Ansteckblume, wir beide Händchen haltend und ineinander verschlungen auf der Bühne tanzend – und besonders die Tatsache, dass damit unsere Tarnung aufflog, ließen mich diesen Wunsch rasch wieder verdrängen. „Naja, bisher hat mich noch niemand gefragt. Eventuell frage ich spontan einen Geek aus dem Scienceclub, ein paar von denen werden sicher noch kein Date haben, somit wird sich schon einer opfern, der es lieber erträgt, mit mir hinzugehen als allein."

Nerd vs. Athlete - Geek vs. Player I : Liebe auf den nicht ganz ersten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt