9 Zierliche Ablenkung (Ethan)

2.2K 94 13
                                    



Ich hatte Nerdi geküsst. Wie, was, nein, das konnte ich nicht im Ernst gebracht haben ...

Doch das hast du, du hast Nerdi geküsst. Danke, das checkte ich auch alleine.

Als mir die glorreiche Idee gekommen war, sie durch meine Lippen unter Kontrolle zu bringen, war mir nicht bewusst gewesen, was das bedeutete: einen unbeliebten, spießigen Geek zu küssen, den ich über alles verachtete.

Sicher, ich hatte schon ziemlich vielen Mädchen meine Zunge in den Hals gesteckt, war dabei allerdings nie so tief gesunken. Ich hatte ein breites Beuteschema – einfach nur, um genug verschiedene Mädels flachzulegen –, jedoch waren mich abwertende, arrogante und klugscheißrige Strebererdmännchen hundert prozentig weit von diesem entfernt.

Fick dich, nerviges nicht enden wollendes Gefühl auf meinen Lippen. Beruhig dich, es war Nerdi gewesen, kein Victoria's-Secret-Model! – Genau dieses vermaledeite Prickeln war das Problem.

Nachdem sie aufgehört hatte, sich zu wehren und begonnen hatte mit zu spielen, schaltete sich mein Gehirn ab und andere Bereiche meines Körpers hatten die Macht darüber übernommen. Ich wollte immer mehr und mehr. Mehr von diesen samtweichen Lippen. Mehr von diesem abhängig machenden Kribbeln, das dabei die ganze Zeit durch meine Lippen und schließlich durch meinen ganzen Körper fuhr.

Irgendwann hatte ich schlichtweg vergessen, dass sie die Person war, die ich küsste, hatte das Bedürfnis gehabt weiterzumachen, wahrscheinlich aber nur, weil ich glaubte, das Küssen würde zu etwas anderem führen.

Die Backpfeife hatte mich zurück in die Realität befördert: Ohne Zweifel hatte ich Nerdi geküsst. Es war besser so gewesen, dass sie mich aus diesem Bann gelöst hatte. Somit musste ich nicht noch mehr als ohnehin schon bereuen ...

I know you wanna see me fallin' out. Fallin me out the window ... „Boar, Dude, nächstes Mal bitte mit Vorwarnung, sonst bist du tot", drohte ich Taylor. War echt nicht geil, wenn man gewaltsam vom Handyklingeln mitten aus seinen Gedankengängen gerissen wurde.

„Was, hab ich dich etwa gerade dabei gestört, wie du an dir selbst herumgespielt hast? Sorry, bevor jetzt eine neue Drohung folgt, ich weiß, dafür hast du gar keine Zeit mehr, bei deinen ganzen weiblichen Bekannten. Selbst du brauchst ja irgendwann mal eine Pause", berichtigte sich Taylor sarkastischerweise.

„Höre ich da Eifersucht heraus", mobbte ich ihn gespielt provokant.

„Never. So lange du mir immer noch eine übrig lässt, bin ich voll und ganz zufrieden." Putzig, wie er sich vormachte, dass es ihn nicht juckte, wahllos mit irgendwelchen Mädchen zu schlafen. Er war keinesfalls eine Pussy, aber im Gegensatz zu mir, spielten bei ihm bei der Wahl seiner Betthäschen mehr als offensichtlich Anziehung zu gewissen weiblichen Individuen eine bedeutende Rolle.

„Hast du Bock, gleich mit ins Stevenson's zu kommen? Brandon hat gefragt, ob wir Jungs uns nicht treffen wollen, um eine verbesserte Vernichtungsstrategie für unser nächstes Spiel auszuarbeiten. Bist du dabei?"

„Klaro!" Eine Ablenkung kam mir mehr als recht. Strategiebesprechungen und nebenbei eventuell ein Mädchen aufreißen sollte mich im Kopf wieder klarwerden lassen.

„Okay, Glück für dich, dass du freiwillig zugesagt hast, sonst hätte ich dich eigenhändig dahin geschliffen, Captain." Solch einen besten Freund wünschte sich doch jeder. Einen, der einen zu seinem „Glück" zwang und am Stück schikanierte.

„Musst mir nicht noch sagen, dass ihr ohne euer Leittier nicht zurechtkommt. Ich weiß schon so, dass ihr es nicht ohne mich aushaltet." Ironie lässt grüßen. Selbst wenn ich der Captain und gleichzeitig treffsicherster Spieler unserer Truppe war, konnte keiner im Fußball ohne seine Mannschaft gewinnen. Mein Team war wie eine bessere Familie für mich. Selbst wenn sie ohne mich einen gewissen Nachteil hätten, konnte ich noch weniger ohne sie, als sie ohne mich. Die Jungs und unsere gemeinsamen Spielen waren das Wichtigste für mich. – So etwas übertrieben Kitschiges würde ich ihnen natürlich niemals gestehen. „Bis dann, Blondie, darf euch ja nicht zu lange warten lassen." Ich legte auf. Dennoch konnte ich mir Taylors Ausdruck im Moment nur bestens Vorstellen; wie er es doch hasste, Blondie genannt zu werden, jedoch konnte ich nicht anders. – Mit seinen blonden Haaren und blauen Augen war er nun einmal die männliche Version von Barbie.

Nerd vs. Athlete - Geek vs. Player I : Liebe auf den nicht ganz ersten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt