5 Schoßhündchen (Harper)

2.3K 119 19
                                    



Eigentlich hatte ich mich ja nach der Versöhnung mit Cloe wieder beruhigt: Sofort nach dem Gespräch mit Ethan, hatte ich sie aufgesucht, von hinten umarmt und angefleht mir zu verzeihen, was sie dann auch sofort getan hatte. Sie kannte mich halt ... Ich könnte mich ohrfeigen, lediglich wegen Ethan so schlecht gelaunt gewesen zu sein und dies an ihr ausgelassen zu haben. Als meine beste Freundin tat sie mir manchmal leid, da ich des Öfteren sehr temperamentvoll sein und man mich schnell auf die Palme bringen konnte, obwohl es in letzter Zeit oft an Mister Player lag. Dieser Idiot versaute einem aber auch wirklich alles ...

Jedoch keine drei Sekunden, nachdem Ethan mein Haus betreten hatte, war meine Laune wieder im Keller gewesen. Wie dachte er eigentlich, wie ich war? Mein Zimmer und ein Omastübchen, dass ich den lieben langen Tag bloß Bücher las und keine Freunde hatte? Pah, dieser Idiot war hirnrissiger, als ich bereits vermutet hatte.

Doch ich blieb professionell und schob meinen unendlichen Hass gegenüber ihm beiseite.

„Ich habe mir schon einmal ein paar Gedanken gemacht, welche Themen unsere Facharbeit beinhalten könnte und wie man diese anschaulich gestalten kann." Ich hatte mich dazu entschieden – naja eher, weil es mir Mr. Franklin ausdrücklich befohlen hatte – ihn in den Großteil der Entscheidungen mit einzubeziehen. Wenn ich das mal nicht bereuen würde ...

„Schieß los", gab er mir Augen verdrehend die Erlaubnis dazu.

„Auf dem Deckblatt würde ich zunächst groß in das Zentrum schreiben: American Dream, und drum herum Zitate über diesen aufzeigen, wie beispielweise vom Tellerwäscher zum Millionär. In der Einleitung wäre es gut, wenn wir vorerst definieren, was die Begriffe American und Dream überhaupt bedeuten. Im Hauptteil sollten wir chronologisch die Entwicklungsstufen thematisieren. Beginnend mit der Besiedlung Amerikas und dem Patriotismus, über den Einfluss der Unabhängigkeitserklärung sowie der Menschenrechtserklärung, und weitere Etappen wie der I. und II. Weltkrieg. Dabei könnten wir den Stoff etwas auflockern, indem wir einen Tagebucheintrag oder Bericht eines Patrioten und einer Frau im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert verfassen. Man kann auch von den wichtigsten Personen, die den Amerikanischen Traum geradezu personifizieren, Steckbriefe anfertigen. Im Gegensatz dazu sollen wir ja belegen, dass der American Dream noch heute eine große Rolle in Amerika und für seine Bewohner spielt. Dabei würde ich persönlich gerne damalige und heutige Auswirkungen dieses gegenüberstellen. Heute bespielweise wären diese die große Zuwanderungsrate der USA, das große amerikanische Nationalbewusstsein und dass die USA eine Weltmacht ist. Interessant ist auch, wenn wir heutige „Organisationen" wie die NASA und Hollywood aufzeigen, die den Amerikanischen Traum verkörpern und ihn fördern. Natürlich müssen wir auch heutige Fallbeispiele bringen. Dabei hätte ich mir vorgestellt, dass wir Interviews führen mit Personen von der Uni oder ähnlichen. Im Schluss würde ich eine Grafik entwerfen, in der die variierende Intensität des American Dreams dargestellt wird. Und was hältst du davon? Waren erst einmal ein paar spontane Einfälle, daran kann man ja auch noch feilen."

„Und das nennst du ein paar?", fragte er mich entgeistert, nachdem ich fertig war, ohne mir eine konstruktive Kritik an meinen Vorschlägen zu eröffnen.

„Wenn ich das ein paar weggelassen hätte, dann hättest du mir gar nicht zugehört oder bereits nach den ersten zwei Sätzen abgeschaltet." Sein Augenverdrehen interpretierte ich mal als Bestätigung.

„Weißt du von wem der Begriff American Dream überhaupt geprägt wurde?", stellte ich locker diese grundlegende rhetorische Frage, denn mal ehrlich, die Antwort dazu gehörte zum Allgemeinwissen eines jeden Amerikaners.

„Vom King of Rock'n Roll natürlich, Elvis Presley", antwortete er überzeugt davon, unbezweifelbar die richtige Antwort zu geben. Bei dieser Dummheit schlug ich mir die rechte Handfläche gegen den Schädel. Gott, bitte lass Gehirne regnen!

„Als ob du nicht mal das weißt? Noch nie etwas von John D. Rockefeller gehört?"

„Ist das nicht der Typ vom Rockefeller Center in New York City?" Er kratzte sich am Kopf, anscheinend in der Hoffnung, noch die letzten verbliebenen Gehirnzellen zu aktivieren. Bei diesem Anblick schüttelte ich nur wieder verzweifelt den Kopf: Warum ich?

„Ich würde sagen, wir sind für heute fertig. Arbeite einfach zu übermorgen diese zwei Ausdrucke zu den Begriffen Patriotismus und Besiedlung sowie dem zu Rockefeller durch! Gucke weiter, ob du in irgendwelchen Büchern oder im Internet Informationen über unser Thema finden kannst! Vielleicht fallen dir ja auch noch andere Themen ein, die wir hinzufügen könnten. Dann treffen wir uns übermorgen wieder hier und besprechen das weitere Vorgehen", war die nette Umschreibung für: Ich kann dich für heute nicht mehr ertragen, verpiss dich aus meinem Haus und wage es nicht, dich meinen Befehlen zu widersetzen und nichts zu tun ...

Nach einer Stunde, in der ich den Glauben in die Menschheit des Öfteren fast verloren hatte, zudem die ganze Zeit den gelangweilten und unmotivierten Ausdruck in Ethans Gesicht aushalten musste, reichte es mir fürs Erste; ich wollte einfach nur meine Ruhe. – Eine wohlverdiente Auszeit von Ethan.

Ungläubig musterte er den Zettelstapel. „Spinnst du? Das mache ich nicht. Ich bin doch nicht dein Schoßhündchen?"

„Noch nicht, aber ich kriege den großen bösen Wolf schon gezähmt", konterte ich sarkastisch dagegen.

„Weißt du überhaupt, mit wem du hier sprichst?" E brüstete sich auf.

„Ja, mit dem größten hirnlosen, machohaften, frauenaufreißenden, erbärmlichen Fußballspieler, der sich auf den wöchentlichen Partys nur so stark zulaufen lässt und Frauen fickt, als gebe es kein Morgen, weil er selbst nicht mit sich zufrieden ist und damit anscheinend irgendetwas kompensieren muss." Wenn er schon explizit danach gefragt hatte ... Sicher, mit dieser Antwort hatte er eindeutig nicht gerechnet. Aber umso schneller ich klarstellte, ihn nicht leiden zu können, und ihn in die Schranken wies, desto schneller kapierte er, dass er mit mir nicht umgehen konnte wie mit einer seiner Zombieschlampen.

„Hör mal zu, ich bin im Gegensatz zu dir beliebt. Jeder in der Schule kennt meinen Namen und wäre gerne ich oder mit mir zusammen. Ich bin der Captain der Fußballmannschaft. Du dagegen bist die kleine unsichtbare, streberhafte, verachtete und gemobbte Loserin, die wahrscheinlich alleine mit einem Leberwurstkittel und Plüschkatzen enden wird", äußerte unter zusammengebissenen Zähnen. Doch ich blieb ganz ruhig und ignorierte seine offensichtlichen Beleidigungen, mit denen er mich nur verletzen und zum Zurückstrecken bringen wollte. Aber falsch gepokert.

„Tja, wir haben offenbar andere Ansichten in Bezug auf Beliebtheit: Meine Freunde mögen mich wirklich, vertrauen mir und würden immer zu mir stehen, aber deine Anhänger sind doch nur wegen deines Rufes oder, weil sie Angst vor dir haben, mit dir befreundet. Würde überhaupt die Hälfte deiner Freunde die Hand für dich ins Feuer legen, wenn du so richtig in der Scheiße hängen würdest?", gab ich zu bedenken, bevor ich mit meiner Moralpredigt fortfuhr. „Du denkst, Macht sei, wenn man die High School beherrscht und seine Fußballgegner Angst vor einem haben. Für mich ist Macht Wissen und das hält länger an, als die glorreiche Zeit auf der High School."

Man sah förmlich, wie der Kessel bei ihm vor Wut überkochte. Wenn Blicke töten könnten ...

„Dann gehe ich mal, viel Spaß noch mit deinen interessanten Lexikons. Ich mache lieber etwas, was nicht vollkommen zum Einschlafen ist", entgegnete er, sammelte darauf angepisst die Unterlagen ein, die ich ihm als „Hausaufgabe" aufgegeben hatte, und sprintete dann in null-komma-nix aus meinem Zimmer heraus.

Es hieß Lexika, verdammt nochmal! Mich regte es auf, wenn man den Plural falsch sagte. Gnade ihm Gott, dass er nicht noch mit Absicht die Unterlagen vergessen hatte.

Ich ging ihm nicht hinterher: Ich hoffte mal, er hatte zumindest so viel Gehirnmasse, dass er selbstständig eine Tür schließen konnte.

Nerd vs. Athlete - Geek vs. Player I : Liebe auf den nicht ganz ersten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt