Einzelne Sonnenstrahlen fielen zum Fenster herein und gähnend streckte ich mich. Doch als ich einen rauen Lacher hörte und spürte, wie etwas durch meine Haare fuhr, erstarrte ich buchstäblich. Meine Erinnerungen wanderten zur letzten Nacht und erleichtert atmete ich aus, es war nichts passiert. "Guten Morgen, mein wunderschöner Engel", murmelte Black halbwegs zielgerichtet an mein Ohr und mich durchfuhr ein Schauer, ein angenehmer Schauer. "Morgen", erwiderte ich und drehte mich auf den Bauch um, um ihm besser in die Augen sehen zu können. "Danke, dass du mich abgelenkt hast", flüsterte ich und er lächelte leicht. "Immer gern", gerade jetzt würde ich zu gerne seine Gedanken lesen, aber Hayes meinte, dass ich dazu noch nicht genug trainiert wäre. Noch immer hatte ich kein T-Shirt an, aber es störte mich ganz und gar nicht. Die anderen schienen schon wach zu sein, denn es war Getrampel aus Richtung der Treppe zu hören. Die beiden hatten bestimmt eine äußerst angenehme Nacht gehabt. Ich grinste und stellte mir vor, dass sie sich die ganze Zeit nur extrem grimmig angestarrt hatten. "Sie werden sich schon aneinander gewöhnen", schulterzuckend schloss mich Black in eine Umarmung und lächelte zufrieden. Das Trampeln hörte kurzweilig auf und begann dann von neuem. Was machten die denn da? Die Türe zum Schlafzimmer wurde aufgerissen und Lucas stürmte herein, um dann geschockt und mit weit aufgerissenen Augen stehen zu bleiben. "Oh", entfuhr es ihm und er drehte sich abrupt zur Wand. Als dann auch noch Hayes den Raum betrat, war die Situation perfekt. Vielleicht war er gerade noch ein bisschen fröhlich gewesen, aber jetzt wirkte er mehr, als wollte er sämtliche Anwesenden eigenhändig umlegen. "Wollt ihr euch nicht anziehen?", knurrte er dann wütend und presste seine Lippen brutal aufeinander, er musste eine verdammt gute Selbstbeherrschung haben. Zitternd und ihn weiter anstarrend, griff ich nach dem nächstbesten, was mir in die Hände kam und zog es mir über. Natürlich war es Blacks Shirt, was jetzt gerade nicht wirklich optimal war. Auch Black hinter mir bewegte sich und zog sich wohl etwas an. Niemand rührte sich von der Stelle, Lucas starrte noch immer an die Wand. "Du kannst dich wieder umdrehen", murmelte ich an ihn gewandt und stieg aus dem Bett. "Wollen wir frühstücken?", es war nichts, abgesehen von meiner dünnen Stimme, zu hören. "Ich habe keinen Hunger, danke", meinte Hayes, warf uns noch einen letzten Blick zu und verschwand aus dem Zimmer. "Ich nehme dein Angebot gerne an", lächelte Lucas und auch Black nickte. Ich fühlte mich schuldig. Hayes so zu sehen und zu wissen, dass es ihm unheimlich weh tat, war fast unerträglich. Ich war der Grund für seinen Schmerz und ich hatte nicht einmal gewusst, dass ihn das so sehr fertigmachte. Gerade als ich den ersten Fuß auf die Treppe setzte, passiert es. "Nein", rief ich noch, allerdings hielt das meinen Fall auch nicht sonderlich auf. Es krachte als mein Rücken mit Schwung auf die unterste Stufe knallte und entlockte mir einen schmerzhaften Aufschrei. Schwer atmend blieb ich unten auf dem kleinen Abtreter liegen und schloss die Augen. "Aylin?!", Black erschien am anderen Ende der Treppe und starrte mir entsetzt entgegen. "Geht es dir gut?", fragte dann Lucas, der ebenfalls aufgetaucht war. Black nahm zwei Stufen auf einmal und ging direkt neben mir in die Hocke. "Ich habe keine Lust mehr", wimmerte ich und fing an zu weinen. Sich über all diese Gefühle klar zu werden, immer auf alle acht zu geben, das raubte mir den letzten Nerv. Black strich mir behutsam die Tränen von der Wange und half mir aufzustehen. Am Sofa angekommen, ließ ich mich darauf fallen und blieb dort auch den Rest des Tages.
Blacks Sicht:
Sie lag einfach nur da, starrte vor sich hin. Die Tränen waren zwar versiegt, dennoch wirkte sie unglücklicher denn je. Lag es an Hayes? Es war mir erst heute richtig klargeworden, er liebte sie wohl wirklich von ganzem Herzen. So wie ich. Ich wünschte, dass sie ein besseres Leben hätte, dass sie einfach nur glücklich sein könnte. Heute Nacht war es ein paar Momente lang so gewesen und doch war es jetzt wieder genauso schrecklich wie vorher. Wieso konnte ich nicht einfach ein normaler Mensch sein? Dann könnten wir zusammen sein und müssten uns um keine Höllenangelegenheiten kümmern. Dieses Ding gestern, es war ein verdammt schlechtes Zeichen. Hatten sie uns aufgespürt oder war es einfach nur wegen mangelnder Führung? Ob Leo wohl alles im Griff hatte? Seufzend stand ich aus dem Sessel auf und betrat die kleine Küche, um Aylin ein Glas Wasser zu bringen. Ich vermisste ihre fröhliche Art, aber auch ihre aufbrausende. Seit den letzten Geschehnissen war sie oft traurig, redete kaum und wollte teilweise nichts essen. Ob sie glaubte, dass irgendetwas nicht stimmte? Vorsichtig stellte ich das Glas auf den Couchtisch und lächelte leicht. Sie war eingeschlafen und murmelte nun leicht vor sich hin. Gerade als ich auf dem Weg nach oben war, stellte sich mir Lucas in den Weg. "Wie geht es ihr?", ich zuckte mit den Schultern. "Wie soll es ihr schon gehen? Auch wenn sie keine körperlichen Schmerzen hat, seelisch sieht es da wohl anders aus. Sie hatte sich vor einer Woche sogar Stundenlang im Zimmer eingeschlossen und wollte partout nicht rauskommen. Ich weiß nicht mehr weiter", antwortete ich leise und Lucas nickte, er machte sich wohl wirklich Sorgen. Ich verstand ihn nicht. Er war früher so ein mordlustiger und arroganter Engel gewesen, was war mit ihm passiert? Natürlich war ich argwöhnisch ihm gegenüber, aber ich versuchte mich zu beherrschen, für Aylin. Ich drückte Lucas ein Stück zur Seite und lief dann auf die uns gegenüberliegende Tür zu. Ich musste unbedingt mit Hayes reden, alles andere machte jetzt keinen Sinn mehr.
There you go... ^^
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White -die Auserwählte
FantasyTEIL 2 DER SCHUTZENGELREIHE Nach Lucas Wiederauferstehung weiß niemand, was er sagen soll. Ist er der einzige, der den spektakulären Tod überlebt hat? Und wie soll das überhaupt möglich sein? Was Aylin und ihre Gefährten im zweiten Buch erleben, er...