Kapitel 17

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Es war ein träges Wochenende gewesen. Ich hatte viel Zeit damit verbracht über die vergangenen Geschehnisse nachzudenken und noch mehr Zeit damit die dadurch aufkommenden Emotionen zu unterdrücken. Meine Eltern schienen sich mit der Zeit mir gegenüber aufzuwärmen, zumindest redeten sie einigermaßen normal mit mir und versuchten mich manchmal sogar auf andere Gedanken zu bringen, sobald ich Anzeichen machte wieder in meiner Trauer und Wut zu versinken. Ich war ihnen so dankbar für alles, hatten sie doch keine Ahnung und wurden ständig von mir vor den Kopf gestoßen. Heute früh würde ich in meine alte Schule zurückkehren. Der Termin war auf zehn Uhr festgelegt und jetzt, eine Stunde zuvor, saß ich mit klopfendem Herzen am Frühstückstisch. Wie man mich wohl aufnehmen würde? Ob der Rektor sich wohl missbilligend verhalten würde, weil ich einfach so nicht mehr in der Schule aufgekreuzt war?

Dem war nicht so, wie ich später feststellte. Herr Berger verhielt sich freundlich und schüttelte mir warm lächelnd die Hand. Er ging nicht näher darauf ein, weshalb ich das letzte Jahr gefehlt hatte und das ließ mich schnell zu dem Schluss kommen, dass meine Eltern wohl bereits ein sehr langes und intensives Gespräch mit ihm gehabt haben mussten. Doch es war mir egal. Alles was ich wollte, war wieder in Ruhe zur Schule gehen zu können, meinen Abschluss zu machen und dann zu studieren. Dass dies nicht der Fall sein würde, war mir eigentlich jetzt schon bewusst, aber ich verdrängte es bewusst. Black musste mir egal sein. Black, Lucas und Hayes musste ich verdrängen, wollten sie ja nun nichts mehr von mir wissen.

„Nun, Aylin, dass du nicht mehr in deine alte Stufe kannst, wird dir vermutlich bewusst sein. Allerdings biete ich dir sehr gerne einen Platz in der jetzigen elften Klasse an, damit du in aller Ruhe wieder in den normalen Schulalltag einsteigen und dein Abitur meistern kannst. Das wäre wahrscheinlich auch das, das du dir vorgestellt hast, richtig?" Ich nickte darauf. Das war genau das, was ich wollte. Zumindest sagte ich mir das seitdem ich wieder hier war.

Wieder durch die Schule zu gehen, wirkte beklemmend auf mich. Das letzte Mal hatte man mir gesagt, dass Black tot sei und Hayes und mich anschließend entführt. Seltsamerweise tat es noch immer sehr weh und bei dem Gedanken an meine Gefühle zu der Zeit, war mir schon wieder zum Weinen zu mute. Meine Eltern musterten mich mehrmals intensiv auf dem Weg durch die Gänge zurück zum Ausgang. Ich ignorierte sie. Vielleicht würde ich sie ja irgendwann einweihen können. Einweihen in mein Leben als Auserwählte, die vermutlich Opfer einer Verschwörung war, weswegen sie nun jegliche Freunde und Familie verloren hatte. Ich lachte bitter über mein verdammtes Schicksal. Wer wusste schon, was in Zukunft noch auf mich warten würde? Vielleicht würde ich dank Lucifer irgendwann wieder in der Hölle landen und umgebracht werden. Interessanterweise machte mir der Gedanke keine Angst.

Zu Hause angekommen, verschwand ich direkt wieder in meinem Zimmer und warf mich aufs Bett. Ein seltsames Gefühl hatte sich in mir breit gemacht. Ich fühlte mich beobachtet oder zumindest war es mir, als spürte ich die Anwesenheit einer anderen Person. Kopfschüttelnd versuchte ich dieses Gefühl zu ignorieren, konnte dennoch nicht aufhören nervös die Hände zu kneten. Meine Gedanken spielten verrückt, wollten mich immer wieder dazu bringen, aufzustehen und das Haus zu verlassen. Das war nicht, was ich wollte. Was passierte hier? Der Schwindel erfasste mich kurz darauf und ich schaffte es gerade so mich flach auf den Boden zu legen, bevor sich vor meinen Augen alles drehte. Verzweifelt kämpfte ich dagegen an.

„Aylin, lass los. Du kannst nichts dagegen tun"

Blacks Sicht

Wir waren nach Lightsky zurückkehrt und befanden uns zum zweiten Mal innerhalb einer Woche in der Bibliothek. Im Prinzip wusste keiner genau, wonach wir suchen sollten. Das Buch, in dem die Neuigkeiten über Aylin gestanden waren, war nur ein uraltes Überbleibsel eines unbekannten Autors gewesen. Vermutlich hatte er sein Wissen noch irgendwie weitergeben wollen, nur hatte nie ein Engel darin geblättert. Die gelblichen, dennoch sehr neu aussehenden beschrifteten Blätter, wirkten im Gegensatz zum abgenutzten Lederumschlag geradezu merkwürdig. Schulterzuckend nahm es Lucas mir aus der Hand und steckte es, nachdem er sich ein paar Mal umgeschaut hatte, in seinen Hosenbund unter dem T-Shirt. Mir blieb der Mund auf stehen vor Verblüffung.

„Bist du wahnsinnig? Weißt du wie viel Ärger wir bekommen, wenn man herausfindet, dass das Buch fehlt und wir es geklaut haben? Leg es zurück!", zischte Hayes leicht aggressiv und packte Lucas nahezu brutal am Arm, während er ihn an das Bücherregal drückte. Genervt ging ich dazwischen. „Hayes, verkneif es dir.", ich wandte mich anschließend an Lucas, „Leg es zurück, das hilft uns letztendlich auch nicht weiter" Ein paar Sekunden wanderten seine Augen nur von Hayes zu mir, dann seufzte er leise und platzierte das Buch wieder im Regal. „Es könnte uns nützlich sein", meinte er dann schulterzuckend und schlenderte weiter.

„Was ist nur mit dir los? Komm endlich wieder zu dir", flüsterte ich Hayes eindringlich zu und schüttelte nur den Kopf, als er mich ausdruckslos anstarrte. Ich hatte Angst um Hayes. So sonderbar hatte er sich noch nie verhalten und ich wusste wie stark der Druck in ihm mittlerweile sein musste. Er zwang sich dazu weiterzumachen und keine Miene zu verziehen. Ich glaubte nicht, dass er Aylin wirklich so verachtete. Mein Gefühl sagte mir, dass er dabei war sich selbst zu hassen, weil er es nicht verhindern hatte können. Statt ihn weiter vorwurfsvoll anzuschauen, klopfte ich ihm leicht auf die Schulter und lächelte ihn aufmunternd an. Es war momentan einfach zu hart für ihn, für uns alle.

„Wisst ihr noch, worin Aylin gelesen hat, als wir es herausgefunden haben?", fragte nun Lucas von weiter weg und wir drehten uns zu ihm. Ich dachte kurz nach, doch konnte ich mich nicht entsinnen was auf dem Band gestanden war, das sie damals in der Hand gehalten hatte. Das hatte mich auch nicht im Geringsten interessiert. Hayes neben mir verneinte ebenfalls. „Wieso fragst du?", wollte ich argwöhnisch wissen und lief mit großen Schritten zu ihm, während er sich weiter in dem Bücherregal umsah, bei dem Aylin ungefähr gestanden haben musste. „Sie hatte bereits Tränen in den Augen, als sie sich umgedreht hat. Also entweder ist sie schuldig und wusste zu dem Zeitpunkt, dass ihre Lüge auffliegen würde, oder..." „Oder sie hat es kurz davor selbst in dem Buch gelesen, das sie in der Hand gehalten hat, was heißt, wir haben vielleicht doch noch eine Chance mehr herauszufinden", unterbrach ich ihn. Lucas nickte und auch Hayes schien dem ganzen mit großer Neugier zu folgen.

„Ich glaube, ich weiß auch noch in etwa, wie es ausgesehen hat", meinte Hayes und stöberte durch das Regal. Seine Augen suchten konzentriert jedes einzelne Buch ab, bis er kurz stockte und dann freudig nach einem der Bücher weit hinten griff.

„Ich hab's, denke ich!"


Wie versprochen, endlich mal ein neues Kapitel 

Viel Spaß damit,

Viel Spaß damit,

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White  -die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt